In diesem unscheinbaren Haus im Bahnhofsweg wohnte einst die Familie Heilbronn. Dort betrieb sie auch ein kleines Lebensmittelgeschäft. Foto: Mutz Foto: Lahrer Zeitung

Geschichte: Der Jude Ludwig Heilbronn aus Ringsheim wurde 1942 in Sachsenhausen ermordet

Der Weg für die Ringsheimer Berufspendler, die mit dem Zug zur Arbeit fahren, verläuft durch den schmalen Fußgängerweg Richtung Bahnhof. Am Ende dieses Wegs treffen sie auf ein unscheinbares altes kleines Häuschen, das kaum Beachtung findet. Für die jüngste Ringsheimer Geschichte ist dieses Haus jedoch von Bedeutung.

Darin wohnte der jüdischstämmige Bürger Ludwig Heilbronn mit seiner aus Ringsheim stammenden Ehefrau Lina, geborene Ruthard, und seinen zwei Töchtern. Eine Tochter, sie ist inzwischen 92 Jahre alt, wohnt in Ettenheim. In dem Haus betrieb die Familie ein kleines Lebensmittelgeschäft.

Ludwig Heilbronn wurde am 5. Februar 1900 in Rust geboren. Am 22. September 1924 heiratete er Lina Ruthard und wurde Einwohner von Ringsheim. In den Jahren 1923 und 1925 kamen die beiden Töchter zur Welt. Nach seiner Inhaftierung am 11. November 1938 führte Heilbronns Leidensweg über die Konzentrationslager Dachau, Buchenwald und Ravensbrück, ehe er im Lager Sachsenhausen am 5. Juli 1942 ermordet wurde. Nach seinem Tod führte seine Frau mit den Kinder das Lebensmittelgeschäft eine gewisse Zeit weiter.

In Rust gab es über Jahrhunderte hinweg eine intakte jüdische Gemeinde. So gab es zwei Synagogen, die erste in einem Privathaus in der Klarastraße, früher Krämergasse, später wurde in der Ritterstraße eine größere Synagoge errichtet, die allerdings nach dem Krieg abgebrochen wurde. An deren Platz steht heute der Raiffeisenmarkt. Die Judengemeinde in Rust erreichte in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit 211 Mitgliedern ihren Höhepunkt. Durch Abwanderungen in die Städte ging die Zahl bis 1933 auf 26 zurück. Mit der Übernahme der Herrschaft durch die Nazis um das Jahr 1933 wanderten viele jüdische Ruster Bürger aus, sofern sie noch Gelegenheit dazu hatten. Erschwert wurde dies durch den Unwillen vieler Länder, jüdische Bürger aufzunehmen. Außerdem wurde die Auswanderung durch immer neue judenfeindliche Gesetze erschwert.

Ludwig Heilbronn blieb mit seiner Familie in Ringsheim. Es ist jedoch anzunehmen, dass die Flucht vorgesehen war, weil er noch vor 1939 einen Antrag auf einen Reisepass gestellt hatte. Diese Annahme wird durch die 90-jährige Zeitzeugin Elisabeth Löffler bekräftigt. Sie erinnert sich, dass ein paar Tage nach seiner Festnahme von Verwandten aus Amerika Karten für die Schiffsüberfahrt in Ringsheim angekommen seien.

Über das Leben des einzigen jüdischen Bürgers geben das Gemeindearchiv sowie noch lebende Ringsheimer Zeitzeugen Aufschluss. Mit einem Schreiben der IHK Freiburg vom 27. Dezember 1937 wurden die Bürgermeister aufgefordert, nichtarische Firmen und Betriebe nach dem neuesten Stand zu ergänzen. Ein weiteres Schreiben des Landrats vom 22. August 1939 an die Gemeinde verlangte, den Bürger Heilbronn an das Finanzamt Kenzingen zu melden, zur vorbereitenden Maßnahme der Wohnsitzverlegung. In einem Schreiben vom 7. Februar 1947 teilte der damalige Bürgermeister Max Henninger auf Anfrage des Badischen Landesamts für kontrolliertes Vermögen der Kreisstelle Lahr mit: "Nach der Judenaktion, die durch die Nazis seinerzeit durchgeführt wurde und bei der auch Heilbronn von hier weggebracht und in ein KZ-Lager gesteckt wurde, war es für die Familie Heilbronn hart, zumal es zwei jüngere Töchter waren und die Frau mit diesen alleine dastand. Allgemein wurde diese Entführung des Heilbronn hier missbilligt, da man über diesen nichts weiter auszusetzen hatte ..." Gegen die Gewährung einer Staatsbürgerschaft für Lina Heilbronn in Höhe von 5000 Reichsmark hatte Henninger nichts, "nur möchte ich doch in Erfahrung gebracht haben, zu welchem Zweck die Frau Heilbronn augenblicklich diese 5000 RM benötigt und verwenden will."

In einem Antwortschreiben des späteren Bürgermeisters Rudolf Biehler zwecks Erfassung der Judenschicksale vom 2. November 1962 an die Archivdirektion Stuttgart teilte dieser mit: "Ludwig Heilbronn war in seiner Wesensart freundlich und hilfsbereit gegen jedermann. Er betrieb in Ringsheim einen Altmaterialhandel. Ab 1933 war ihm die Ausübung des Berufs untersagt worden. Seine Ehefrau betrieb in Ringsheim ein Lebensmittelgeschäft, das jedoch nach 1933 von manchem früheren Kunden gemieden wurde. Nach dem Berufsverbot im Jahre 1933 war Ludwig Heilbronn darauf angewiesen, dass er im Ort Taglohnarbeiten ausführen durfte. Zuletzt war er in Ringsheim bei einer Bergwerksgesellschaft als Bergarbeiter beschäftigt, von wo aus er entführt und in das Konzentrationslager verbracht wurde."

Der Vater von Zeitzeugin Elisabeth Löffler, Hermann Hofstetter, seinerzeit örtlicher Polizeidiener in Ringsheim, holte Heilbronn direkt von der Arbeitsstelle ab. Sie könne sich daran erinnern, dass der Verhaftete ihren Vater darum gebeten habe, sich von seiner Ehefrau noch verabschieden zu dürfen, was ihm gewährt worden sei, berichtet Löffler heute.

Die Ringsheimer Julius Ohnimus und Hermann Saumer haben Ludwig Heilbronn noch in guter Erinnerung. Er sei sehr hilfsbereit gewesen, während einer Maul- und Klauenseuche habe er die Landwirte mit Lebensmitteln versorgt. Ansonsten sind die Erinnerungen an Ludwig Heilbronn in Ringsheim nahezu erloschen. Adelbert Mutz

www.bundesarchiv.de/gedenkbuch; www.alemannia-judaica.de; www.stiftung-bg.de; www.ehemalige-synagoge-kippenheim; Gemeindearchiv Ringsheim; Geschichte von Rust von Albert Köbele, Ausgabe 1969; Ortssippenbuch Ringsheim von Albert Köbele, Ausgabe 1956; Zeitzeugen