Viele Köche veredeln den Brei: Johanna Schilli (von links), Anabel Szlusnus und Katharina Maier bereiten beim "Azubi-Restaurant" im Reichenbacher Adler sechs Gänge für 70 Gäste zu. Foto: Braun

Gastronomie: Nachwuchskräfte bewirten Gäste im "Azubi-Restaurant" im Reichenbacher "Adler"

Der Reichenbacher "Adler" geht bei der Ausbildung des Nachwuchses eigene Wege: Im "Azubi-Restaurant" können die Sterne-Köche von morgen mit einem selbst kreierten Menü für zahlreiche Gäste beweisen, was in ihnen steckt.

Reichenbach. Die Löcher im Arbeitsmarkt der Ortenau werden auch im Bereich der Hotellerie und Gastronomie immer größer. Es fehlt überall an geeignetem Personal, manche Wirtschaften müssen schon Zwangs-Ruhetage einlegen, weil nicht genügend Köche und Bedienungen zu finden sind. "Da hilft nur, selbst auszubilden und eigenen Nachwuchs fit zu machen, um für die Zukunft bestehen zu können", weiß Sternekoch und Hotelier Daniel Fehrenbacher vom Reichenbacher Hotel-Restaurant Adler. Steffen Auer, Präsident der Industrie- und Handelskammer Südlicher Oberrhein, pflichtet ihm bei: "Wir brauchen mehr eigenen Nachwuchs, um die Anforderungen des Arbeitsmarkts erfüllen zu können."

Gute Auszubildende wiederum sind auch nicht so ganz einfach zu finden, erklärt Fehrenbacher. "Doch wir haben zum Glück noch genügend Auswahl, um gute junge Leute anzustellen und auszubilden." Eine Aktion, um die Ausbildung in seinem Haus attraktiv zu halten, ist das "Azubi-Restaurant", das vor Kurzem schon zum zweiten Mal stattfand. Ein Abend mit 70 echten Gästen, großen Anforderungen – und vielen Gelegenheiten, den gastronomischen "Ernstfall" zu testen.

Die fünf Lehrlinge Nadine Maus, Anabel Szlusnus, Florian Waldvogel, Katharina Maier und Johanna Schilli waren im Vorfeld tagelang damit beschäftigt, ein sechsgängiges Menü zusammenzustellen, die Vorbereitungen zu treffen, Abläufe des Gourmet-Abends zu klären – und dann auch alles wirklich hungrigen Gästen im Restaurant Adler zu servieren. Natürlich kein Schnitzel mit Pommes und Salat, sondern Köstlichkeiten wie Garnele mit Avocado-Creme und geflämmter Mango, Lammkarree mit Karotten-Yuzucreme, Speck-Eis, ein Whiskey-Savarin und allerhand weitere Leckereien.

Dabei lernen die Jung-Köche und Restaurant-Fachkräfte, dass nicht immer alles am Schnürchen läuft: Kurz vor dem Gala-Abend fiel eine Kollegin krankheitsbedingt aus. "Da hilft dann nur Improvisieren", weiß Küchenchef Fehrenbacher. Die übrigen Nachwuchskräfte verteilten kurzerhand die Aufgaben neu und überbrückten die Engpässe souverän.

In der Küche, heiß und laut, führen am Abend die älteren Azubis das Regiment: "Das muss schneller gehen beim Anrichten, sonst wird alles kalt", ruft Anabel Szlusnus ihren frischen Kolleginnen zu. "Und aufpassen, dass keiner dem anderem im Weg steht", gibt sie als Kommando aus. Hier noch mal die Sauce probieren, da noch einen Teller perfekt sauber abwischen, an allen Ecken und Enden gibt es viel zu tun, wenn draußen 70 Gäste warten.

Diese haben auch Fragen. Was denn, bitteschön, ein Skrei sei, der als Vorspeise auf dem Menü steht? "Das ist ein Winterkabeljau, der jetzt im Winter Richtung Norden schwimmt, und den es so nur jetzt gibt", erklärt Nadine Maus, die für den Service zuständig ist. Vor jedem Gang darf einer der Auszubildenden genau erklären, was nun Köstliches kredenzt und welcher Wein dazu gereicht wird. "Das ist das Schlimmste an diesem Abend, vor so vielen Leuten sprechen zu müssen", stöhnt Maus. Stress und Hektik machen ihr nichts aus. Aber vor vollem Restaurantsaal aufzutreten, das sei ein Graus. Aber nur so lernt man, diese Angst zu überwinden, merken die Nachwuchskräfte. Und siehe da: Alle machen ihre Sache gut.

Die Gäste sind entzückt. Viele waren voriges Jahr schon hier, bei der Premiere des "Azubi-Restaurants". Damals wurden 25 Besucher bekocht, diesmal dreimal so viele. "Das ist natürlich schon was anderes", sagt Chef Fehrenbacher, "da hängt die Latte schon deutlich höher." Doch am Ende sind er und alle Gäste sehr zufrieden mit der Koch- und Servieraktion, das zeigt der lange, starke Beifall für die jungen Kräfte. Fleißig werden Bewertungsbögen ausgefüllt, damit die Azubis erkennen, was besonders gut und was etwas weniger bei den Besuchern ankam. Eis mit Speck-Geschmack war zum Beispiel nicht jedermanns Sache.

IHK-Präsident Auer aus Lahr spart am Ende nicht mit Lob für die Leistung der Auszubildenden. "Wer gut sein will, muss seine Gäste rundum zufriedenstellen", gibt er den mutigen Jung-Köchen mit auf den Weg. Die Auszubildende Anabel Szlusnus bedankt sich wiederum stellvertretend für ihre Kollegen beim Ehepaar Fehrenbacher für die Möglichkeit, bei einer solch’ ungewöhnlichen Aktion wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Nach dem letzten Gang, exquisitem Gebäck, gehen die Gäste satt und zufrieden nach Hause. Zum nächsten Azubi-Abend kommendes Jahr melden sich viele beim Verabschieden gleich wieder an.

INFO

Das steckt hinter der Aktion

Das "Azubi-Restaurant" verfolgt mehrere Ansätze:

> Azubis lernen: Im Echt-Test mit einer großen Besucherzahl lernen die Nachwuchskräfte, wie wichtig eine gute Vorbereitung ist, wie man mit Stress umgeht, wenn mal was nicht klappt, was bei den Gästen gut ankommt – und was man besser machen kann.

> Ausbildung wird interessant: Solche Gelegenheiten, in ganz realer, aber geschützter Atmosphäre mal auszuprobieren, wie eine Festgesellschaft mit 70 Personen möglichst perfekt bewirtet wird, gibt es selten. Das macht die Ausbildung interessant – und das spricht sich rasch herum: nicht zuletzt bei möglichen Bewerbern in den nächsten Ausbildungsjahrgängen.

> Werbung für Ausbildungsbetrieb: Wer seinen Azubis auch mal etwas richtig Großes zutraut und das Risiko eingeht, seinem Nachwuchs so viele Gäste anzuvertrauen, glänzt als Ausbildungsbetrieb und zeigt, dass es ihm um die Lehrzeit der jungen Kräfte wichtig ist. Auch das spricht sich herum und sorgt für gutes Renommee.

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