Das Medieninteresse am Lead-Klettern ist größer, als manch einer denken mag. Das Siegerfoto von Sebastian Halenkes erstem Weltcup-Triumph fingen viele Fotografen ein. Foto: privat

Der Profikletterer Sebastian Halenke wohnt seit Kurzem in Reichenbach - ist aber in der Welt zu Hause

Lahr, genauer gesagt der Ortsteil Reichenbach, hat seit September einen Profikletterer in seinen Reihen. Sebastian Halenke heißt der junge Mann, der vor einigen Tagen seinen ersten Lead-Weltcup gewonnen hat.

Allzu häufig sehen werden die Reichenbacher ihren neuen "Mitbewohner" vermutlich nicht – obwohl der 21-jährige Sebastian Halenke mit seinem roten Irokesenschnitt, ein Markenzeichen, durchaus ins Auge sticht. Aber der Profisportler ist oft unterwegs, um zu trainieren oder Wettkämpfe zu bestreiten.

Um die sieben Weltcups stehen pro Jahr an, dazu im Wechsel Welt- und Europameisterschaft. Drei Jugend-WM-Titel kann Halenke schon sein Eigen nennen. Der Weltcup in Slowenien vor wenigen Wochen, wo Halenke seinen ersten Sieg bei den Männern feierte, bildete den Abschluss der Saison 2016. Im Gesamt-Ranking wurde der Neu-Reichenbacher Siebter. Er selbst bezeichnet das sich dem Ende entgegen neigende Jahr als "durchwachsen", auch aufgrund von Verletzungen. Ziele waren der WM-Sieg in Paris und mindestens Rang fünf im Gesamtweltcup. Doch auch wenn diese Wünsche nicht in Erfüllung gegangen sind, sei es dennoch kein schlechtes Jahr gewesen – zumal alle Sportler in den Top-Ten professionell arbeiteteten und alles andere als einfach zu schlagen wären.

In Slowenien gewann Halenke zuletzt immerhin mit deutlichem Abstand und auch wenn das Jahr phasenweise "durchzogen war von Niederlagen und Enttäuschungen, so überwiegen derzeit dennoch ein wenig Glück und Freude".

Die Wettbewerbe, an denen der Sportkletterer teilnimmt, finden rund um den Globus statt. Bei jedem Weltcup gibt es Punkte, pro Saison ist ein Streichergebnis möglich. 64 Profis stellten sich den Herausforderungen, der Qualifikation schließen sich an einem Wochenende Halbfinale (26 Teilnehmer) und Finale (acht Sportler) an.

Beim Lead-Klettern, das Halenke betreibt, geht es darum, anspruchsvolle Routen von etwa 15 bis 20 Metern Höhe unter Beachtung eines Zeitlimits zu erklimmen. Dabei wird die maximal erreichte Höhe bewertet. Die einzelnen Griffe werden vom ersten bis zum letzten der Reihenfolge nach durchnummeriert. Die Athleten dürfen zu Beginn während der Beobachtungszeit die jeweilige Route gemeinsam von unten einsehen, um sich die Kletterzüge zu überlegen und einzuprägen. Anschließend müssen sie in einem separaten Raum oder Bereich (Isolationszone) auf ihren Einsatz warten, damit die Chancengleichheit gewahrt bleibt und die Reihenfolge der kletternden Athleten keinen Einfluss auf das Resultat hat.

Es kommt also alles andere als nur auf Kraft an – der Kopf, die mentale Stärke, spielen eine enorm wichtige Rolle. "Die Ansprüche sind sehr hoch. Meistens sind die Routen so schwer, dass es kaum möglich ist, bis ganz nach oben zu kommen", erklärt Halenke. Es gilt, sich im Vorfeld 40 bis 45 Züge einzuprägen. Es ist immer lediglich eine Route an der Wand vorhanden. Doch innerhalb dieser gibt es in gewissen Sequenzen zum Teil verschiedene Möglichkeiten, um in der Linie weiter nach oben zu kommen. Die einzelnen Wettkampfrouten werden in jeder neuen Runde umgeschraubt. Dadurch müssen sich die Kletterer immer wieder auf neue Situationen einstellen. Halenke mag die Mischung aus psychischer Belastbarkeit und die Aufgabe, "sich geistig weiterzuentwickeln".

In der Garage hat die Familie eine Trainingswand eingerichtet, sodass der 21-Jährige eigene Linien kreieren und Bewegungsmuster erlernen kann. Ansonsten ist der Neu-Ortenauer gern in der Natur, geht seiner Leidenschaft, für die er Schule und Beruf hat sausen lassen, an Felsen nach. Das ist in der Ortenau zwar schwieriger, "im Elsass oder dem Jura-Gebirge lässt sich aber durchaus etwas finden", so Halenke.

Für 2017 hat sich der junge Naturliebhaber, der als Zwölfjähriger schon bei den 14- bis 15-Jährigen mitkletterte und früh mit dem Wettkampfsport begonnen hat, viel vorgenommen. Bei der EM und im Gesamt-Weltcup will Halenke "auf jeden Fall aufs Podium klettern." Ein weiterer Traum ist die Teilnahme an Olympia. Sportklettern feiert bei den Sommerspielen 2020 in Tokio seine Premiere.

Die kurze Wettkampfpause, im Januar geht die Vorbereitung los, will der "Individualist und Freigeist", wie sich Sebastian Halenke selbst bezeichnet, auch dazu nutzen, um sich mit Lahr und der Region noch ein wenig vertrauter zu machen. Zur Burgruine Hohengeroldseck haben ihn ausgedehnte Spaziergänge bereits einige Male geführt. Und auch sonst fühlt sich der Kletterprofi, der im September mit seinen Eltern von Giengen (rund 30 Kilometer nordöstlich von Ulm) nach Reichenbach gezogen ist, in seiner neuen Heimat wohl. "Die Region ist mir schon ans Herz gewachsen, die Leute sind sehr aufgeschlossen und ich komme gut zurecht", so Halenke.