Symbolfoto: Stein Foto: Lahrer Zeitung

Grünen-Europaabgeordneter Sven Giegold referiert über TTIP und Ceta

Sven Giegold (Grüne) hat rund 100 Zuhörer auf den neuesten Stand der Beratungen zu den Freihandelsabkommen TTIP und Ceta gebracht. Eine breite gesellschaftliche Debatte über deren Vor- und Nachteile sei politisch nicht gewollt, sagte er.

Offenburg. Die Fraktionssitzung der Grünen in Straßburg hatte der Abgeordnete im Europaparlament und finanzpolitische Sprecher am Dienstag etwas früher verlassen, um pünktlich in den Räumen der VHS Offenburg sein zu können. Die hatte zusammen mit dem BUND-Umweltzentrum Ortenau, der evangelischen Erwachsenenbildung und dem Grünen-Landtagsabgeordneten Thomas Marwein zu dem Vortrag eingeladen.

So referierte Attac-Mitbegründer Giegold am Vorabend einer wichtigen Abstimmungen im Europäischen Parlament über den aktuellen Stand der Verhandlungen zu den transatlantischen Freihandelsabkommen. Im Zentrum seiner Ausführungen standen deren mögliche Auswirkungen.

Giegold stellte klar, dass sich die Proteste gegen die Abkommen nicht grundsätzlich gegen einen weltweiten Handel richteten, sondern "gegen den unfairen Handel in der Welt. Wirtschaft darf kein Selbstzweck sein, sondern muss den Menschen und der Natur dienen." Der Welthandel brauche dringend einen "sozialökonomischen Ordnungsrahmen". Die abseits der Öffentlichkeit verhandelten Abkommen aber würden die Regellosigkeit zementieren und seien unbedingt "demokratiepflichtig".

Das Abkommen mit Kanada (Ceta) enthalte etwa umfassende Zoll- und Handelserleichterungen durch die Angleichung technischer und gesellschaftlicher Standards. Während sich technische Normen vielleicht problemlos austarieren ließen, dürfe es bei gesellschaftlichen aber an keiner Stelle eine Absenkung geben. Die kommunale Daseinsvorsorge etwa dürfe keinesfalls global geregelt, sondern müsse in der Verantwortung der einzelnen Gemeinden belassen werden.

Auch sei der geplante Investitionsschutz heftig umstritten. Unternehmen und Konzernen werde es ermöglicht, bei sich verändernden Rechtslagen von einzelnen Staaten Schadenersatz für ausbleibende Gewinne zu fordern. Schiedsgerichte, die außerhalb staatlicher Gerichtsbarkeit agierten, sollen darüber jeweils entscheiden. Ob dies unabhängig geschehe oder ob eine solche "Paralleljustiz" nicht als verfassungswidrig gelten müsse, sei vollkommen ungeklärt.

Das Ceta-Abkommen sei zwar längst fertig ausgehandelt und sogar schon unterzeichnet, werde aber trotzdem noch laufend verändert – ohne erneute demokratische Legitimierung. Wenn solche Verträge aber nur noch von gut organisierten Interessengruppen statt von Parlamenten verhandelt würden, "dann leben wir", so Giegold, "in einer Art Postdemokratie".

Am Mittwoch hat das Europäische Parlament nun den fraktionsübergreifenden Antrag, das Handelsabkommen Ceta vom Europäischen Gerichtshof prüfen zu lassen, mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Giegold hatte dies in seinem Vortrag vorhergesagt.

"Die Mehrheit der Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen fürchtet offenbar, dass die Richter gegen Ceta entscheiden könnten. Sie versuchen mit allen Mitteln, das Abkommen durchzuboxen, und haben auch die Mitspracherechte des EU-Parlaments stark beschnitten. Es ist unfassbar, dass die Christdemokraten nicht einmal darüber debattieren wollten, ob wir ein Gutachten vom EuGH zu Ceta einholen", so die aktuelle Stellungnahme auf Giegolds Webseite.

Es werde nun umso schwerer, dem ausgehandelten Text im Parlament Ende Dezember oder Anfang Januar zuzustimmen. Daher dürfe die Gesellschaft in ihrem Protest gegen diese Abkommen gerade jetzt nicht nachlassen.