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Kreistag bringt landesweit einzigartiges Konzept zur Integration von Zuwanderern auf den Weg

Der Kreistag hat am Dienstag einstimmig die "Gesamtstrategie Zuwanderung" verabschiedet. Auch nahezu alle darin enthaltenen Maßnahmen zur Unterbringung und Integration von Flüchtlingen stießen auf fraktionsübergreifende Zustimmung.

Offenburg. In der Strategie hat die Kreisverwaltung auf Initiative von Landrat Frank Scherer Anregungen und Vorschläge der eigenen Ämter, anderer Behörden, der kreisangehörigen Städte und Gemeinden, der Industrie- und Handelskammern, von Parteien, sozialen Einrichtungen und Verbänden sowie von Ehrenamtlichen gebündelt. Das Ziel der auf mehr als 100 Seiten formulierten "Gesamtstrategie Zuwanderung" sei es, gemeinsam die Herausforderungen zu bewältigen, die eine Integration der seit 2015 in den Ortenaukreis einwandernden Menschen für alle Beteiligten sowie für die Gesellschaft insgesamt darstelle.

In seiner Rede warb Scherer um Unterstützung für die einzelnen strategischen Handlungsfelder und die mehr als sechzig Maßnahmen des Konzepts. Erarbeitet wurden konkrete Vorschläge zur Unterbringung der Geflüchteten, zu deren Auswirkungen auf die Kreisverwaltung, zur Jugendhilfe – vor allem für unbegleitete Minderjährige – sowie zur Integration durch Sprache, Bildung, Kultur und Arbeit.

Ein besonderes Problem sei dabei die Anschlussunterbringung, die nach 24 Monaten notwendig werde. Auch wenn derzeit nur noch wenige Dutzend Menschen im Monat neu hinzukommen würden, seien ab 2017 rund 2000 Menschen von den Kommunen unterzubringen. Hinzu kämen die noch unüberschaubaren Familiennachzüge. Die Versorgung dieser Menschen mit Wohnraum und ihre Betreuung stellten aber nicht primär eine finanzielle, sondern eine organisatorische Herausforderung dar, weil es in erster Linie darum gehe, passenden Wohnraum zu finden, um die Obdachlosigkeit zu vermeiden.

Im gerade eingebrachten Doppelhaushalt sind deshalb für 2017/18 als freiwillige Leistung 700 000 Euro für zehn Stellen vorgesehen, die der Landkreis auf Antrag der SPD-Fraktion zur sozialen Betreuung der Zugewanderten in ihren Anschlussunterkünften bereitstellen soll. In der Planung befinden sich außerdem die Anbindung der größeren Gemeinschaftsunterkünfte an den ÖPNV sowie die Ausbildung von Zuwanderern in der Gesundheits- und Krankenpflege am Ortenau-Klinikum.

"Wir dürfen uns aber nicht vormachen", so Scherer, "dass die Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt in kurzer Zeit bewältigt werden kann." Das Gegenteil sei der Fall. "Wir müssen die sprachlichen Hürden sehen, aber auch die hohen Anforderungen. Viele der Menschen, die zu uns gekommen sind, müssen zur Integration nicht nur das erforderliche Sprachniveau erreichen, sondern auch noch eine vollständige Berufsausbildung absolvieren. Das alles dauert mindestens fünf bis sechs Jahre", prognostizierte der Landrat. Um auch unvorhersehbaren Entwicklungen im Bereich der Zuwanderung gerecht zu werden, soll das Konzept künftig im Wechselspiel zwischen Kreisverwaltung und Kreispolitik fortgeschrieben werden.

Wie der Landrat bedankten sich in der anschließenden Aussprache auch die Sprecher aller Fraktionen für die von der Verwaltung erbrachten Koordinierungsleistungen. Ebenso betonten sie das starke ehrenamtliche Engagement der Menschen in der Ortenau, ohne das die Bewältigung der vielfältigen täglichen Probleme nicht möglich wäre. Der CDU-Kreistagsfraktionsvorsitzende Klaus Muttach zeigte sich erfreut, dass es im Ortenaukreis gelungen sei, die Flüchtlingsdiskussion aus dem "parteipolitischen Gezänk" herauszuhalten. Zudem kritisierte er, dass nicht jeder Bundespolitiker populistischen Versuchungen widerstehen könne: "Was wir teilweise aus München gehört haben, war weder christlich noch sozial, ja noch nicht einmal intelligent." Im Mittelpunkt müssten stets der einzelne Mensch und seine Würde stehen.

Freie Wähler, SPD und Grüne loben Konsens

Den breiten Konsens darüber lobten auch Jürgen Nowak von den Freien Wählern, Jürgen Gorecky für die SPD und Alfred Baum (Grüne). Lediglich die eventuelle Einbeziehung der Volkshochschule Ortenau bei der Umsetzung von Integrationskursen wurde gegen die Stimmen der SPD beschlossen. Alle Fraktionen zeigten sich offen für ein weiteres Engagement des Kreises bei der Aufstockung von notwendig werdendem Personal, etwa in der Schulsozialarbeit oder im Bereich der Betreuung traumatisierter Menschen. Und alle Redner wollten das vorgelegte Konzept auch als Maßnahme gegen wachsende Fremdenfeindlichkeit verstanden wissen.