Die "Schwarze Null" des Bundesfinanzministers gefährdet laut Thomas Marwein den Nahverkehr auf den Schienen

Ortenau (red/sad). Thomas Marwein und seine Kollegen der Grünen-Fraktion im Landtag sehen die Länder in Sachen Geld für den Nahverkehr im Nachteil. Ein ihrer Meinung nach faireres Gesetz, das den Ländern mehr Geld bringen sollte, ist vom Bund abgelehnt worden. Für Marwein und Co. liegt die Schuld dafür bei Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

"Eine ausreichende und gute Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs ist Aufgabe des Bunds", heißt es in einer Mitteilung des Offenburger Grünen-Landtagsabgeordneten Marwein. Dem Gesamtkompromiss der Bahnreform aus dem Jahre 1993 hätten die Länder nur unter der Bedingung zugestimmt, dass ihre mit der Regionalisierung verbundenen Lasten durch den Bund vollumfänglich ausgeglichen würden. "Das ist momentan nicht der Fall. Hier herrscht ein rechtswidriger Zustand", betont Marwein. "Mit seinem Beharren auf die sogenannte ›Schwarze Null‹ gefährdet Schäuble massiv die künftige Finanzierung des regionalen Schienenverkehrs. Es wäre schon ein schlechter Witz der Geschichte, wenn ausgerechnet unter einem Bundesfinanzminister aus Offenburg die Züge im Ortenaukreis, wie auch in anderen Landesteilen Baden-Württembergs abbestellt werden müssten. Herr Schäuble, ich fordere Sie auf, beenden Sie diesen rechtswidrigen Zustand und sorgen Sie für eine auskömmliche Finanzierung der Regionalisierungsmittel für den Schienennahverkehr", so Marwein.

Die Bundesländer hätten die Problematik erkannt. Am 28. November 2014 stimmten sie in einem Bundesratsbeschluss einstimmig für ein neues Regionalisierungsmittelgesetz, wonach die Regionalisierungsmittel auf 8,5 Milliarden Euro angehoben und zwischen den Bundesländern verteilt werden. Den Preissteigerungen bei Personal und Energie sowie den Stations- und Trassenpreisen solle künftig mit jährlich zwei Prozent Dynamisierungsrate Rechnung getragen werden. Baden-Württemberg erhielte demnach im kommenden Jahr zusätzlich 140 Millionen Euro zur Aufrechterhaltung des Zugangebots.

Kostenübernahme widerspricht dem Grundgedanken der Regionalisierung

"Die immer größer werdende Lücke zwischen den Zuweisungen des Bunds und den Kosten für die Zugbestellungen kann der Landeshaushalt auf lange Sicht nicht stopfen", rechnet Marwein vor. "Bundesfinanzminister Schäuble muss endlich hinter seiner ›Schwarzen Null‹ hervorkommen und seiner grundgesetzlich geregelten Verantwortung für den Schienennahverkehr nachkommen. Andernfalls gefährdet er den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg."

Nur einen Tag nach Marweins Aufforderung an Schäuble lehnte die Bundesregierung den Gesetzesentwurf ab: "Die Zuständigkeit für die Planung, Organisation und Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs liegt seit der Regionalisierung gänzlich bei den Ländern. Seitdem erhalten die Länder aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bunds jährliche Beträge zur Finanzierung insbesondere des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Das Nähere ist im Regionalisierungsgesetz (RegG) geregelt, welches am 1. Januar 1996 in Kraft trat. Danach beteiligt sich der Bund an den Kosten, die im Zuge der Bahnreform von den Ländern für den Schienenpersonennahverkehr getragen werden, mit erheblichen Finanzbeträgen. Dies sind in 2014 insgesamt rund 7,298 Milliarden Euro. Für den Zeitraum ab 2015 ist gemäß Paragraf 5 Absatz 5 RegG eine erneute Anpassung des Regionalisierungsgesetzes vorgesehen, um die Mittel auf den dann bestehenden Bedarf ausrichten zu können."

Die Länder hätten einen Gutachter damit beauftragt, den zukünftigen Finanzbedarf zu ermitteln. Auf der Grundlage dieses Ergebnisses wurde der Entwurf des Bundesrats für ein Gesetz zur Änderung des Regionalisierungsgesetzes erarbeitet und beschlossen. "Es bestehen gravierende finanz- und haushaltspolitische Bedenken gegen den Gesetzentwurf des Bundesrats. Der Gesetzesentwurf verursacht gegenüber dem Bundeshaushalt 2015 und der Finanzplanung des Bundes erhebliche Mindereinnahmen", teilt Berlin mit.

Die Übernahme des Risikos von Steigerungen der Stations- und Trassenpreise durch den Bund widerspreche dem Grundgedanken der Regionalisierung, bei der im Rahmen der Bahnreform die Verantwortung für den Schienenpersonennahverkehr vollständig an die Länder abgegeben wurde. Die Potenziale einer an den Bedürfnissen vor Ort ausgerichteten Bestellung von SPNV-Leistungen einschließlich deren Effizienzwirkungen gingen verloren, wenn der Bund Einzelbeträge direkt finanziert.