Anouar Brahem (Oud) schien mit einem innigen Lächeln auf den Lippen den Eingebungen des Augenblicks zu folgen. Foto: Haberer

Nils Wogram und Anouar Brahem beenden die diesjährige "Jazzpassage" in Offenburg

Die beiden letzten Abende der diesjährigen "Jazzpassage" haben auf ganz unterschiedlichen Ebenen lyrische Akzente gesetzt. Nils Wogram erforschte die Eleganz des imaginären Standards – Anouar Brahem die hypnotische Kraft der Klangpoesie.

Offenburg. Auch wenn die beiden Abende in der Offenburger Reithalle formal und höchst elegant das lyrische Fach bedienten. Es liegen Welten zwischen der Musik des 1972 in Braunschweig geborenen Posaunisten und dem aus Tunesien stammenden Brahem mit seiner arabischen Kurzhalslaute (Oud).

Wogram zählt zu den Fixsternen des deutschen Jazz. Der mittlerweile in Zürich lebende Posaunist wird gerne als legitimer Nachfolger von Albert Mangelsdorff gehandelt. Im Gegensatz zu dem 2005 verstorbenen Altmeister zählt er aber ganz sicher nicht zu den von der Lust am Experiment beseelten Grenzgängern des Jazz. Er ist verwurzelt in der Tradition des Genres, seine Musik kokettiert mit dem imaginären Standard und der Idee, mit eingespielten Ensembles einen möglichst perfekten und eleganten Sound zu kreieren.

Genau hier setzte dann auch das Doppelkonzert am dritten Abend der diesjährigen "Jazzpassage" an. Zum Einstieg führte Wogram im Duo mit dem serbischen Pianisten Bojan Z einen intimen Dialog zwischen Posaune und Klavier, der mit satten Grooves, kraftvollen Phrasen und feinen Kabinettstücken aufwartete, der sich zwischendurch aber auch immer wieder in Balladen und gängigen Bluesthemen erschöpfte: gepflegt und elegant, bisweilen gar lässig, aber selten wirklich prickelnd.

Dann folgte der Auftritt von Wogram mit dem Quartett "Root 70". Kontrabassist Matt Penman und Jochen Rückert am Schlagzeug sorgten für einen dezenten, letztendlich aber perfekten Unterbau. Im Zentrum standen Wogram und der neuseeländische Altsaxofonist Hayden Chisholm, ein Meister der gepflegten und gefühlvollen, oft wunderbar leichtfüßig daherkommenden Jazzphrase. Die Klasse des Wechselspiels zwischen den beiden Frontmännern der Gruppe, die vor allem von Chrisholm gepflegte Ästhetik, erschöpfte sich aber viel zu oft in Bluesthemen, in echten und imaginären Standards.

Zusammenspiel eines höchst ungewöhnlich aufgestellten Quartetts

Eine ganz andere Kragenweite bot das Konzert des 1957 in Tunis geboren Brahem am Sonntagabend. Sein Spiel auf der arabischen Kurzhalslaute, der Oud, entwickelt eine magische Aura, in der eine wunderbar perlende Poesie nachhallt. Seine Musik katapultiert den Zuhörer in eine andere Welt, lässt ihn versinken in Tönen und Klängen, die sich wie die Worte eines lyrischen Gedichts aneinanderreihen.

Ihre hypnotische Kraft entwickelt die Musik des Tunesiers aber erst im Zusammenspiel seines höchst ungewöhnlich aufgestellten Quartetts. Da ist der nebelhafte Sound der Bassklarinette von Klaus Gesing, der elektrische Bass von Björn Meyer, der lautmalerisch unterlegt und doch auch immer wieder satte Grooves entwickelt. Hinzu kommt der französische Pianist Francois Couturier, der seinem Flügel wie ein Maler impressionistische Klangfarben entlockt und Töne in den Raum tupft.

Den Rest besorgt dann die Oud in den Händen eines der Welt entrückten Meisters, der mit einem innigen Lächeln auf den Lippen den Impulsen und Eingebungen des Augenblicks zu folgen scheint. Der Auftritt des Quartetts entführte die rund 400 Zuhörer in der Reithalle förmlich in eine andere Dimension weit abseits von Raum und Zeit. Immer neue Themen reihten sich aneinander, entfalteten sich in einer im Grunde melancholischen Grundstimmung, in wunderbaren Zwischentönen und Verzierungen voller Schönheit und Ästhetik.