Das Landgericht verhandelt aktuell den Fall eines 29-jährigen Mannes: Er soll unter anderem seine minderjährige Freundin 2015 zur Prostitution gezwungen haben. Foto: Hartmann

Ein 29-jähriger Mann aus der Ortenau soll  minderjährige Freundin zu Prostitution gezwungen haben.

Ein 29-jähriger Mann aus der Ortenau muss sich aktuell wegen mehrerer schwerer Vorwürfe vor dem Landgericht Offenburg verantworten. Unter anderem soll er 2015 seine damals minderjährige Freundin zur Prostitution gezwungen haben.

Offenburg - Die Liste der kombinierten Anklage gegen den Enddreißiger ist lang: mehrfacher Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeibeamte, Drogenbesitz und -handel in nicht geringer Menge, Diebstahl, Sachbeschädigung, Beleidigung, Morddrohung, Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie Unfallflucht. Alles soll sich im Zeitraum zwischen 2015 und 2019 ereignet haben.

Der Hauptanklagepunkt der Staatsanwaltschaft Offenburg lautet jedoch "schwerer Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung". Der Mann soll seine damalige minderjährige Freundin im Jahr 2015 in mindestens drei Fällen gegen Geld für Sex an Männer vermittelt haben. Bis zu 150 Euro soll er laut Anklage dafür verlangt und einbehalten haben. Dass tatsächliche Alter seiner Freundin habe er den Freiern verschwiegen, sein Opfer unter anderem mit Schlägen misshandelt.

Am Montagmorgen äußerte sich der 29-Jährige umfassend zu sich selbst – zum Hauptanklagepunkt schwieg er. Anfangs zögerlich berichtete er von einer problematischen Kindheit und Jugend. Der vorsitzende Richter Tim Richter hakte konkret bei den Punkten Familie, Kindheit, Betäubungsmittelmissbrauch und Therapieerfahrung nach.

Angeklagter berichtet von schwerer Kindheit

Mit fünf Jahren sei bei ihm eine Aufmerksamkeitsstörung diagnostiziert und von da an bis ins Alter von 13 Jahren mit Medikamenten behandelt worden, erklärte der Angeklagte. Er habe nie "festen Boden" unter den Füßen gehabt, erklärte er und berichtete weiter von Heimaufenthalten, Gewalt durch den alkoholabhängigen Vater und schließlich einem Gefängnisaufenthalt in Pforzheim.

Dort habe er 2014 seinen Hauptschulabschluss gemacht. Die Abendrealschule brach er 2020 ab, weil er mit dem coronabedingten "Homeschooling" nicht klargekommen sei. Einen Beruf gelernt hat er nicht, arbeitete eine Zeit lang im väterlichen Betrieb, seit dem Herbst nun als Helfer bei einem Bau-Unternehmen.

Mit Cannabis habe er mit 13 Jahren angefangen, mit 15 folgten erste Erfahrungen mit Amphetaminen, ab 17 oder 18 Jahren dann mit Kokain. "Ich kann mich an vieles nicht mehr erinnern", erklärte der heute 29-Jährige. Besonders schlimm sei der Cannabis-Konsum gewesen: "Ich habe am Ende nichts anderes mehr gemacht als gekifft", schildert er. Zu seinem Alkoholkonsum machte der Angeklagte widersprüchliche Angaben.

2019 kam es zu einer "Entgiftung" und zu weiteren drei Monaten in einer Fachklinik, dort habe er eine Therapie begonnen. Aktuell nehme er keine Drogen, führe seit drei Jahren eine Beziehung und habe mittlerweile regelmäßigen Kontakt zu seiner fünfjährigen Tochter.

Deren von dem 29-Jährigen getrennt lebende Mutter sollte am Montag eigentlich als Zeugin aussagen. Sie blieb jedoch unentschuldigt fern. Eine zu ihrer Wohnung entsandte Polizeistreife konnte sie nicht ausfindig machen. Gegen sie verhängte das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein Ordnungsgeld von 200 Euro und lud sie zum nächsten Verhandlungstag am 15. November nochmals vor.

Angesichts der langen Liste an Vorwürfen der Anklage wird das Landgericht Offenburg zahlreiche Zeugen hören. Insgesamt sind für den Prozess sieben Verhandlungstage angesetzt. Weiter geht es am 15. November um 8.30 Uhr. Das Urteil in diesem Fall wird erst im Dezember erwartet.