An der drei Sonntagen – hier der verkaufsoffene Sonntag zum Chrysanthema-Auftakt im vergangenen Jahr – dürfen die Geschäfte in Lahr öffnen. Geht es nach der Gemeinderatsmehrheit, soll auch Betrieben auf der grünen Wiese die Teilnahme möglich sein. Foto: Archiv: Haid

Betriebe außerhalb der Innenstadt sollen mitmachen können

Geschäften außerhalb des Innenstadtrings wird die Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen erschwert – doch sie wird ihnen nicht untersagt. Mit dieser Entscheidung reagiert der Gemeinderat auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs.

Lahr. Der Gemeinderat hat die Satzung über die verkaufsoffenen Sonntage am Montag entsprechend geändert. Der entscheidende, neue Passus lautet wie folgt: "Sollten im Einzelfall Gewerbetreibende außerhalb des Innenstadtrings durch einen besonderen Beitrag zum Blütensonntag oder der Chrysanthema als Bestandteil der Veranstaltung angesehen werden können, so kann für den Betrieb die Ladenöffnung an dem verkaufsoffenen Sonntag erlaubt werden. Die Entscheidung hierüber trifft der Oberbürgermeister."

Weshalb der Aufwand? Anlass war ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BGH) von November 2015, das die Kriterien für verkaufsoffene Sonntage parallel zu örtlichen Festen, Märkten oder Messen neu definiert hat. Demnach müsse "ein enger räumlicher oder thematischer Bezug zwischen der Veranstaltung und den geöffneten Geschäften bestehen." Dieser Rechtssprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) im Oktober 2016 angeschlossen. Damit ist das Thema für Lahr akut geworden, steht doch am 26. März der Blütensonntag bevor. Es musste jetzt geklärt werden, welche Betriebe daran teilnehmen dürfen.

Walter Caroli stellte für die SPD-Fraktion fest, dass die Umsetzung des VGH-Urteils eine "Ungerechtigkeit" bewirken würde – den Ausschluss der Geschäfte außerhalb des Innenstadtrings von verkaufsoffenen Sonntagen. Ilona Rompel mochte das allerdings nicht hinnehmen. Stattdessen schlug sie vor, es "darauf ankommen zu lassen, ob die Gewerkschaft klagt". "Ein bisschen risikofreudig können wir für unseren Einzelhandel schon sein", so die Sprecherin der CDU-Fraktion.

Außerdem stellte die Juristin fest, dass der VGH sich "nicht deutlich genug" für eine restriktive Umsetzung der BGH-Rechtssprechung positioniert habe. Die Stadt habe bei ihren verkaufsoffenen Sonntagen also einen gewissen Spielraum, so durfte man Rompel verstehen. Dieser Argumentation schloss sich Eberhard Roth (Freie Wähler) an, und auch Jörg Uffelmann sagte: "Die Sache ist noch nicht so klar geklärt."

Harald Günther (CDU) betonte, dass der Ausschluss der Geschäfte außerhalb der Innenstadt von verkaufsoffenen Sonntagen die Werbegemeinschaft schwächen würde. Konkret nannte er Betriebe wie Bonacelli und Möbel Singler, die unter solch einer Regelung zu leiden hätten. Dagegen würde er selbst es akzeptieren, dass die SB-Autowaschboxen im Waschpark Günther am verkaufsoffenen Sonntag außer Betrieb seien, da sein Betrieb zu weit von der Innenstadt entfernt sei.

Die Gegenposition nahm Sven Täubert ein. Das Ratsmitglied der Grünen begrüßte es, "dass die Gerichte sich mittlerweile stärker für den Schutz des Sonntags einsetzen". Die Konzentration der verkaufsoffenen Sonntage auf die Lahrer Innenstadt halte er für richtig. "Ich habe es noch nie verstanden, dass Baumärkte mit kilometerlangem Abstand zur Chrysanthema dabei mitmachen", ergänzte er.

Wolfgang G. Müller stellte fest, dass die Stadtverwaltung an die geltende Rechtssprechung gebunden sei. "Wenn wir nichts tun, ist möglicherweise nichts mehr möglich", sagte der Oberbürgermeister.

Ist es doch denkbar, dass Gegner von verkaufsoffenen Sonntagen juristisch gegen die Stadt vorgehen, sollte sie das VGH-Urteil ignorieren. Von einer einstweiligen Verfügung wäre aber der komplette verkaufsoffene Sonntag betroffen, auch in der Innenstadt müssten die Läden geschlossen bleiben.

"Dann setzen wir den verkaufsoffenen Sonntag insgesamt aufs Spiel", kommentierte Tobias Biendl. Der Leiter des Rechts- und Ordnungsamts schlug vor, einen Halbsatz aus der geplanten Satzungsänderung herauszunehmen, der Betrieben außerhalb der Innenstadt die Teilnehme an verkaufsoffenen Sonntag nahezu unmöglich gemacht hätte. Demnach hätten sie eine "erkennbare und lückenlose Verbindung zwischen Veranstaltung und Betriebsstätte" herstellen müssen – eine Forderung, die für Geschäfte auf der grünen Wiese kaum umzusetzen gewesen wäre. Stattdessen müssen sie nun "einen besonderen Beitrag zum Blütensonntag oder der Chrysanthema" leisten – das ist schon eher denkbar.

Biendl mochte keine Garantie abgeben, dass die Stadt mit dieser Regelung vor Gericht durchkommt, sollte eine einstweilige Verfügung gegen einen verkaufsoffenen Sonntag in Lahr beantragt werden. "Es gibt ein gewisses Risiko", sagte der Rechtsexperte.

"Wir minimieren das Risiko", sagte Rompel vor der Satzungsänderung, die SPD, CDU, Freie Wähler und FDP beschlossen. Sechs Gegenstimmen kamen von den Grünen und der Linken Liste. Sie hätten die Verwaltungsvorlage bevorzugt, der die Teilnahme an verkaufsoffenen Sonntagen für Betriebe außerhalb des Innenstadtrings deutlich erschwert hätte.

INFO

Fall Frankfurt als Warnung

>  Die Gerichte fassen den Sonntagsschutz zunehmend strenger auf, wie ein Fall aus Hessen zeigt. Einen für den 10. April 2016 geplanten verkaufsoffenen Sonntag in Frankfurt untersagte der Verwaltungsgerichtshof des Landes erst am 6. April und gab damit einer Klage der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und der Katholischen Arbeitnehmerbewegung statt. Die Stadt hatte den Sonntagsverkauf mit einer internationalen Musikmesse begründet. Nach Ansicht der Richter reicht dies für eine Öffnung der Läden im ganzen Stadtgebiet aber nicht aus. Präzedenzwirkung für Lahr hat der Fall jedoch nicht: Über eine mögliche Klage gegen die Stadt würde der VGH Baden-Württemberg entscheiden, der einen verkaufsoffenen Sonntag noch nie derart kurzfristig unterbunden hat.

 > Ob die vom Lahrer Gemeinderat beschlossene Satzungsänderung der Forderung des Bundesgerichtshofs zur räumlichen Eingrenzung von verkaufsoffenen Sonntagen gerecht wird, ist eine Interpretationssache.  In der Vorlage zur Sitzung war vorgesehen, die Teilnahme grundsätzlich auf Betriebe im Innenstadtring zu beschränken. Er wird durch die Goethestraße, die Berg-/Turmstraße, die Gärtnerstraße und die B 415 begrenzt. Doch zu dieser restriktiven Satzungsänderung war die Mehrheit im Gemeinderat nicht bereit.


Kommentar von Herbert Schabel

Hintertürchen für den Handel

Verkaufsoffene Sonntage sind nicht unumstritten. Gewerkschaften meinen, dass der Sonntag in der Gesellschaft ein zu schützendes Gut sei, da er Zeit zur Besinnung nach einer arbeitsreichen Woche biete sowie Familie und Freunde zusammenkommen könnten. Auch die Kirchen sind gegen die Aushöhlung des Feiertagsgesetzes. Dagegen begrüßen Geschäftsleute verkaufsoffene Sonntage, da sich an ihnen Umsatz machen lässt. Auch die Betriebe auf der grünen Wiese wollen ein Stück vom Kuchen abhaben. Für sie hat der Lahrer Gemeinderat sich jetzt aus dem Fenster gelehnt und eine Satzungsänderung beschlossen, die ihnen die Teilnahme an  verkaufsoffenen Sonntagen weiterhin ermöglicht, falls sie einen eigenen Beitrag zum Blütensonntag oder der Chrysanthema leisten. Damit hat das Stadtparlament den Betrieben außerhalb der Innenstadt ein Hintertürchen  aufgemacht, durch das sie nun eben durchgehen müssen. Dieser Weg öffnet sich aber nur dann für sie, wenn sie sich eine besondere Aktion überlegen. Das muss dann schon etwas Kreatives sein. Eine Gelegenheit für die Betriebe, um zu zeigen, wie wichtig ihnen die Teilnahme am verkaufsoffenenen Sonntag ist. Die Geschäfte sollten diese Chance nutzen und sich voll einbringen – davon würden die verkaufsoffenen Sonntage in Lahr insgesamt profitieren.