Die Zeit hängt den Oberwolfachern im Nacken: Wenn die neue Landesheimbauverordnung in Kraft tritt, entspricht das aktuelle Pflegeheim St. Luitgard nicht mehr den Standards. Foto: Archiv: Haas

Ausschreibungstext für neues Pflegeheim steht fest / Gemeinde will beratende Rolle einnehmen

Der Ausschreibungstext für das Pflegeheim St. Luitgard ist nun entworfen. Der Gemeinderat hat ihn am gestrigen Dienstag bei seiner Sitzung im Rathaus einstimmig festgelegt.

Oberwolfach. Das Gremium hatte bereits am 13. Dezember 2016 beschlossen, den Betrieb des Pflegeheims und die Errichtung eines Ersatzneubaus auf einen externen Betreiber zu übertragen. Zwischen dem potenziellen Akteur und der Gemeinde wird es einen Erbbaupachtvertrag geben. Die Vergabemodalitäten des Ausschreibungsverfahren stehen jetzt fest.

Thomas Decker, Inhaber des Freiburger Büros "Pro 4 Ingenieure", der von Anfang an mit der Materie betraut ist, stellte vor, wie sich die Modalitäten gestalten. Es gibt demnach ein Pflichtenheft, zu dem jeder Bieter oder Interessent konkrete Aussagen machen muss, aber auch Wunschleistungen, die sich die Gemeinde zusätzlich vom neuen Betreiber vorstellen könnte. Decker ging auch auf die Fristen ein (siehe Info). Ihn unterstützten bei seinen Ausführungen Marc Malleis, Rechtsanwalt aus dem Freiburger Büro "Dohle.Simon", sowie Ulrich Gruler, Fachanwalt für Medizinrecht und Arbeitsrecht der Kanzlei Gruler, die ebenso in Freiburg beheimatet ist.

Die vollstationäre Pflegeeinrichtung mit mindestens 32 Betten ist demnach Gegenstand der Ausschreibung. Ebenfalls flossen die demenzorientierte Wohngruppenarbeit, das eingestreute Kurzpflegeangebot, die Einbindung der Gemeinde, des Luitgardkreises und der Angehörigen, die professionelle Alltagsbegleitung, der sozialhilfefähige Investitionskostensatz und die Mahlzeitenversorgung für den Kindergarten St. Josef in den Pflichtteil mit ein. Ein potenzieller Betreiber muss auch den Friedhof barrierefrei durch das Gebäude mit der Anbindung einer rollstuhlgerechten WC-Anlage erschließen.

Bürgermeister Matthias Bauernfeind ergänzte: "Unser Pflegeheim ist ein sehr gutes Haus, wir haben es immer wieder festgestellt." Er habe von potenziellen Investoren bereits gehört, dass ohne Ehrenamtliche so ein Pflegeheim nicht funktioniere. Jeder Betreiber werde froh sein, wenn sich weiterhin Menschen engagieren. Bauernfeind bat die Helfenden um Verständnis für einen Betrieb in neuem Gebäude und mit neuer Struktur.

In den Ausschreibungstext fließt auch ein, dass die Gemeinde wie beim Kindergarten St. Josef eine beratende Rolle wahrnehmen darf. "Ziel ist von uns, dass wir ein Kuratorium haben, wo wir beratend bei Entscheidungen mitwirken können. Wir wollen kein Vetorecht", führte Bauernfeind aus. Es sei klar, dass die Gemeinde nicht die Steuerung behalten werde, aber weiterhin mit im Boot sei.

Gemeinderätin Michaela Rothfuß (FW) wollte wissen, ob über das Personal des Pflegeheims überhaupt nichts bekannt wäre. Kämmerer Thomas Springmann erwiderte, dies sei im Ausschreibungstext enthalten.

Erna Armbruster (FW) fand, dass im Großen und Ganzen die Forderungen beziehungsweise, was die Gemeinde gern sehen würde, im Ausschreibungstext berücksichtigt worden sei. Sie hoffe, dass das Pflegeheim weiterhin sozial verträglich bleibe und nicht der Vermögensstand Kriterium für das Erwerben eines Betreuungsplatzes sei. Es solle "jeder gut bis zum Lebensende betreut" sein.

Dietmar Baur (FW) zitierte die E-Mail der nicht anwesenden Ratskollegin Monika Luxem-Fritsch (FW). Diese hatte ein fehlendes Leistungsverzeichnis und unkonkret formulierte Bedingungen beklagt. "Ich kann das nicht beurteilen, ob das so ist und verlasse mich auf Sie, Herr Decker, dass das nicht so ist", sagte Baur. Rechtsanwalt Malleis erwiderte: "Wir haben nicht das klassische Auftragsverhältnis." Die Gemeinde suche einen, der selbstständig das Pflegeheim betreibe. Daher brauche sie sich bei der Ausschreibung "nicht an ein starres Leistungsverzeichnis halten", unterstrich Malleis.

Decker fuhr mit den gewünschten Leistungen fort. Jeder Betreiber entscheide selbst, welche zusätzlichen Angebote für ihn wirtschaftlich tragbar wären. Die Gemeinde wünscht sich: betreutes Wohnen, Tages- und Nachtpflege, junge Pflege, Sozialstation, Essen auf Rädern, eventuelle Begegnungsstätte zwischen Bewohnern und der Bevölkerung im Haus. Baulich erhofft seien: ein Therapie- sowie Gottesdienstraum, die gestalterische Öffnung des Hauses und die eventuelle Anbindung an das Nahwärmekonzept.

Martin Rebbe (FW) bekräftigte: "Ich bin fest davon überzeugt, dass das um Welten besser ist, als es vorher war." Roland Haas (FW) hoffte, dass die neue Einrichtung "nicht nur Aufbewahrung und Abstellung der Menschen" ist, sondern dass sich das "Haus mit Leben füllt".

Bauernfeind hob hervor: "Menschen kommen in dieses Pflegeheim, wenn es eben nicht mehr selber geht." Bisher seien auch diejenigen, die agiler mit geringer Pflegestufe unterwegs waren, dort einquartiert gewesen.

"Wir hätten uns neu aufstellen müssen und hätten uns das als kleine Gemeinde Oberwolfach nicht leisten können", urteilte der Bürgermeister. Er denke, dass die Gemeinde einen optimalen Träger finde, der mit den Herausforderungen besser umgehen kann.

Die Laufzeit des Erbpachtvertrags von 99 Jahren sorgte für Gesprächsstoff. Auch die Fertigstellung des neuen Baus innerhalb von 36 Monaten wurde bezweifelt. Allerdings sitzt Malleis zufolge die Landesheimbauverordnung den Oberwolfachern im Nacken. Sie muss ab September 2019 umgesetzt werden. Sollte es zu einer Weiterveräußerung des Pflegeheims unter dem neuen Betreiber kommen, behält sich die Gemeinde vor, dass ihre Zustimmung notwendig ist, um zu verkaufen. Alle Trümpfe sind also lange nicht aus der Hand gegeben.

INFO

Fristen und zeitlicher Ablauf

Die Anbieter werden in der Ausschreibung zu Stellungnahmen und Konzepten aufgefordert. Die Angebotsabgabe erfolgt bis zum 30. Oktober. Interessenten werden im Januar 2018 dem Gemeinderat vorgestellt. Möglicherweise erfolgt dann auch schon die Entscheidung mit Zuschlag. Der Betriebsübergang erfolgt zum 1. Januar 2019, mit Ende des Geschäftsjahres 2018. Die Fertigstellung eines Ersatzneubaus der Pflegeeinrichtung St. Luitgard erfolgt 36 Monate nach Abschluss des Erbpachtvertrags.