Auslandstagebuch: Oberwolfacher hat bei einer Familie in Bethlehem sogar schon sein eigenes Zimmer

Für den Oberwolfacher Christian Bröhl begann nach dem Abitur ein neuer Lebensabschnitt: Ein Jahr lang arbeitet er als Freiwilliger in Nordisrael. Für den SchwaBo berichtet er über seine Erlebnisse.

Zunächst einmal Grüße aus dem immer noch warmen Tabgha am See Genezareth. Vielleicht kommen von den Sonnenstrahlen ein paar im schon kalten und herbstlichen Deutschland an.

Für mich ist ein weiterer Monat meines Freiwilligeneinsatzes vergangen und ich merke regelrecht, wie die Zeit hier verfliegt. Dies liegt aber natürlich auch daran, dass ich mich inzwischen schon total an meinen Alltag gewöhnt habe und an den freien Wochenenden viel unterwegs bin.

In diesem Teil meines Auslandstagebuchs möchte ich ein wenig Einblick geben, was Gastfreundschaft hier im Heiligen Land bedeutet und wie ich sie selber erlebe und erfahren darf.

Gerade in meiner Einrichtung, der Behindertenbegegnungsstätte Beit Noah am Kloster Tabgha, wird uns Volontären desöfteren auch gerne während unserer Arbeitszeiten Herzlichkeit und Gastfreundschaft entgegengebracht.

Schon oft ist es vorgekommen, dass arabische Gruppen uns zu einem zweiten Frühstück, Kaffee zwischendurch oder einem Barbecue-Abend einladen haben. Die Einladungen nehmen wir natürlich dankend an, denn neben der leckeren arabischen Küche, haben wir auch die Möglichkeit, mit den Gruppen ins Gespräch zu kommen.

Hierbei ist natürlich oft der Nahost- Konflikt ein Thema, aber auch die Situation der Behinderten in ihrem Alltag in der Westbank. Diese leben meistens am Rande der Gesellschaft und werden von vielen Mitmenschen ignoriert. Chance auf eine Ausbildung oder eine feste Arbeit bestehen kaum, da behinderte Menschen oft als eine Schande und unnütz angesehen werden.

Daher ist es den Gruppen einerseits wichtig, uns Volontären, Hintergründe näherzubringen, andererseits aber auch uns zu zeigen, dass wir während ihres Aufenthaltes ein Teil der Gruppe sein dürfen.

Doch auch in anderen Situationen konnte ich spüren, wie viel Herzlichkeit die Menschen einem hier entgegenbringen. Hier möchte ich von einer sehr gut befreundeten Familie in Bethlehem berichten, die ich während meiner ersten Pilger- und Solidaritätsreise 2014 ins Heilige Land kennenlernen durfte.

Wenn ich bei ihnen zu Besuch vorbeikomme, erwartet mich oft erst einmal ein vollgedeckter Tisch, auf dem meistens ein großes Hähnchen und Reis nicht fehlen dürfen. Hier darf ich mich wie zu Hause fühlen, was auch dadurch deutlich wird, dass ich schon mein eigenes Zimmer bei ihnen habe.

So eine Gastfreundschaft und Freundschaft lerne ich auf eine total neue Weise schätzen, wenn man zudem weiß, in welch einer schwierigen Situation sich die Leute befinden, die hinter einer Trennmauer zwischen Israel und Palästina leben.

Zudem kommt dazu, dass die Mutter der Familie seit zwei Jahren verwitwet ist und es für Witwen keine Rentenversicherung und Sozialhilfe in Palästina gibt und trotzdem das Studium eines Sohnes finanziert werden muss. Trotz dieser Umstände tun sie alles, um Gäste gut zu bewirten und die Freude, Kontakt zu haben überwiegt.

Alles in allem kann ich sagen, dass ich in meinen bisherigen knapp drei Monaten schon viele Menschen kennengelernt habe, die mir mit großer Herzlichkeit begegnen. Ich freue mich und bin gespannt, wem ich in der weiteren Zeit begegnen werde, welche neuen Gerichte ich entdecken werde und in was für Häuser ich Einblick erhalten darf. Christian Bröhl