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Experten legen neues Gutachten vor. Ausgang ungewiss. Bauherr bleibt optimistisch. Mit Kommentar

Oberwolfach/Hausach - Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) bewertet in einer neuen Stellungnahme den Gütschkopf als Balz- und Brutgebiet der Auerhuhns. Der Bau von Windenergieanlagen verstoße demnach gegen den Artenschutz. Dennoch könnten dort bald Windräder stehen.

Die Antragsstellerin Ökostrom Consulting Freiburg und ausführende Badenova Wärmeplus wollen in Hausach und Oberwolfach zwischen Hohenlochen und dem Reiherskopf drei Windenergieanlagen mit je 4,2 Megawatt und einer Gesamthöhe von 229,5 Metern errichten. Nachdem in diesem Bereich am 23. Juni 2016 Kot und Federn von Auerhühnern gefunden wurden, wurde das Vorhaben jedoch vorerst gestoppt.

Die FVA hat nun eine erneute fachliche Einschätzung abgegeben, in der sie den betroffenen Bereich als BBA-Gebiet bewertet, also als Balz-, Brut- und Aufzuchtgebiet. "Somit wird der Bereich auf der Grundlage der von der FVA entwickelten Standards der Windkraftkategorie 1 ›Ausschluss‹ zugeordnet", heißt es in dem Schreiben des Landratamts (LRA) Ortenaukreis ans Regierungspräsidium (RP) Freiburg.

Keine Manipulation

Das heißt konkret: "Der Bau von Windenergieanlagen führt in der Regel zum Verstoß gegen die artenschutzrechtlichen Verbotsbestände oder zu einer Verschlechterung des Erhaltungszustands". Diese Bewertung hat zur Folge, dass die Errichtung und der Betrieb der Anlagen ein Verbot nach Paragraf 44 des Bundesnaturschutzgesetzes nach sich ziehen. Einen Manipulationsversuch, den Fund dort absichtlich hingelegt zu haben, schließt die FVA aus.

Auf diese Bewertung verweist das LRA in einem Schreiben an das RP von Anfang Februar. In diesem übergibt das LRA auch die Zuständigkeit für das Verfahren an das RP als höhere Naturschutzbehörde. Im Zuge des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) muss die Untere Immissionsschutzbehörde des Landratsamts Ortenaukreis die Genehmigung prüfen.

Dem Brief ans RP ist die Stellungnahme der FVA angefügt. Markus Adler, Pressesprecher des RP, erklärte gestern auf Anfrage des Schwabo, dass das Präsidium nun die Stellungnahme des LRA prüfe. Er erläuterte auch, dass der Fund im Juni 2016 nicht als juristisches Material für eine Stellungnahme hätte verwendet werden können. "Der Fund war nur für eine grobe Bestimmung zu verwenden, da er nicht ausreichend dokumentiert wurde", so Adler.

Dass der Bau von Windrädern gegen den Natur- und Artenschutz verstößt, bedeutet aber nicht, dass keine gebaut werden. Laut Adler überprüfe das RP nun, ob es eine Ausnahme in einer Einzelfallentscheidung erteilt.

"Im Grunde müssen wir abwägen, was wichtiger ist – die Windkraft oder das Auerhuhn", so der Pressesprecher. Er rechnet damit, dass das im Laufe dieses Monats geschehen wird.

Hohenlochen reicht?

Das kann Gaby Schäfer, Vorsitzende des Schwarzwaldvereins Oberwolfach, nicht nachvollziehen. "Dass noch immer eine Lösung gesucht wird, um die Anlagen zu bauen, kann ich als Naturschützer nicht verstehen. Für eine Ausnahme hätte ich kein Verständnis", sagte sie auf Anfrage des Schwabo. "Wir bauen überall Windenergieanlagen, wenn wir nicht aufpassen, ist Oberwolfach bald umbaut. Mit den vier geplanten Anlagen auf den Hohenlochen haben wir unseren Beitrag geleistet." Sie betont: "Naturschutz ist auch Menschenschutz." Sie bezog sich auf die vier Windkraftanlagen, die die Badenova Wärmeplus dort errichten möchte. Ursprünglich waren sechs geplant. Kürzlich wurde diese Anzahl reduziert (wir haben berichtet).

Bereits in der Gemeinderatssitzung am 21. Februar rissen die Oberwolfacher das Thema Windkraft erneut an. Dabei wurde Helmut Müller vom Schwarzenbruch erneut vom Bürgermeister Matthias Bauernfeind vertröstet. Müller hatte eine Anfrage zum Sachstand der Bewertung laufender Untersuchungen bezüglich des Vorkommens vom Auerwild im Bereich der geplanten Standorte von Windrädern nördlich des Gütschkopfs gestellt. Er war zudem verwundert über die zu seiner ersten Anfrage im Mitteilungsblatt erfolgte Information über die damalige Sitzung mit dem Wortlaut: "Von den anwesenden Zuhörern wurde keine Frage gestellt".

Auch die Gemeinderätin Martina Armbruster (Freie Wähler) wollte wissen: "Wie geht es mit den Windkraftanlagen weiter?". Sie bekam zur Antwort, dass man erst weitersehen könne, wenn man zu den Naturschutzfragen bezüglich des Gütschkopfes endgültig Bescheid wisse. Mit Blick auf das damit verbundene Hin und Her der Fachbehörden äußerte Armbruster die Befürchtung: "Einer schiebt’s auf den Anderen."

Rat weiß Bescheid

Seit ungefähr einer Woche wissen die Gemeinderäte nun über das Schreiben Bescheid, das ihnen Bauernfeind zur Kenntnisnahme weitergereicht hatte. Warum er diese Neuigkeit nicht gleich öffentlich gemacht habe, begründet der Bürgermeister damit, dass die Entscheidung des laufenden Verfahrens nicht ihm obliege, sondern vorerst dem Regierungspräsidium. Er habe daher erst einmal das endgültige Urteil abwarten wollen, bevor er sich in "wüsten Spekulationen" verliere.

Bauernfeind geht aufgrund der neuen Stellungnahme der FVA davon aus, dass aufgrund von so vielen aufgeworfenen Fragen und Merkwürdigkeiten der Bauherr und die Gegner womöglich bis vor das Verwaltungsgericht ziehen könnten.

Der Antragssteller und Geschäftsführer der Ökostorm Consulting Freiburg, Andreas Markowsky, will von einem solchen Szenario nichts wissen. Er ist davon überzeugt, dass die Windräder trotz des neuen Gutachtens gebaut werden. "Das ist ärgerlich. Solche Störfeuer erleben wir immer wieder", sagt er.

Alle Genehmigungsvoraussetzung für einen solchen Bau seien gegeben, betont Markowsky. Die Hälfte der Windräder im Schwarzwald würden von der Ökostrom Consulting Freiburg betrieben. Oft habe er schon erlebt, dass Menschen versucht hätten, den Bau und Betrieb zu stoppen, zum Beispiel mithilfe von Petitionen. Daher bleibt er gelassen. "Dass die Losung Kot da lag, ändert nichts an der Genehmigung", urteilt er. Auch im Bereich Artenschutz sei alles genehmigt.

Bauherr optimistisch

Sollte das Regierungspräsidium sowie das Landratsamt trotz des Gutachtens die Genehmigung erteilen, wird die Badenova Wärmeplus sofort mit der Ausschreibung beginnen und der Bau zeitnah starten, so Markowsky.

Bauernfeind quält indes ein ganz anderes Problem. "Uns läuft die Zeit davon", beklagt er. Er hofft auf baldige Gewissheit, um endlich den Flächennutzungsplan für die Verwaltungsgemeinschaft Wolfach und Oberwolfach fertigstellen zu können. Durch die unklare gesetzliche Lage wurde dieses Vorhaben immer wieder verschoben. Zuletzt war Mitte Januar die gemeinsame Sitzung geplant, die dann im Zuge der FVA-Benachrichtigung auf unbestimmte Zeit eingestellt wurde.

23 Räder sind zu viel

Dazu kommt, dass die Gemeinde einen "substanziellen Beitrag" zur Energiewende liefern muss. Bauernfeind könne sich nicht vorstellen, dass, wenn der Gütschkopf als Naturschutzgebiet als Möglichkeit ausfiele, nur auf einer Seite die Windräder stünden.

Auf dem Hohenlochen plant die Badenova Wärmeplus ja bereits vier Windkraftanlagen. Sieben insgesamt seien vertretbar. 23 Windräder hingegen beurteilt Bauernfeind als Horrorszenario.

Außerdem müsste auch das Regierungspräsidium beurteilen, ob die Windräder für die Gemarkung im Falle des Standortwegfalls schon ausreichten, so Bauernfeind weiter. Mit den Bürgermeistern der angrenzenden Gemeinden, Manfred Wöhrle aus Hausach und Bernhard Waidele aus Bad Rippoldsau-Schapbach, stehe er in engem Kontakt und ständigen Austausch, was zum Beispiel auch Informationsbriefe der Badenova Wärmeplus betrifft.

Schutz fürs Auerwild

Sollte der Gütschkopf tatsächlich neu bewertet werden und als Reproduktionsstandort von Auerwild eingestuft werden, wirft Bauernfeind die Frage auf, warum der Abstand von Menschensiedlungen zu Windkraftlagen geringer ausfällt als zum Naturschutzgebiet von Auerhühnern. Wissenschaftliche Studien belegten schließlich, dass der Lärm der Windenergieanlagen sich auch gesundheitlich auf Menschen auswirken könne. Dies müsse kritisch hinterfragt werden, findet er.

Kommentar: Der Unfrieden wird bleiben

Von Melanie Steitz

Die Windkraftanlagen sind in Oberwolfach ein heißes Eisen. Die Gegner werden sich nun wohl darüber freuen, dass die Experten der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg den Gütschkopf als Brut-, Balz- und Aufzuchtgebiet des Auerwilds einstufen. Endlich werden sie in ihrer unermüdlichen Kritik, die in der Gründung einer Bürgerinitiative gipfelte, bestätigt. Man könnte meinen, das wäre ein Triumph für die Gegner der Windkraftanlagen. Doch am Ende wird es wohl kein Sieg für irgendjemanden sein. Denn wie auch immer die Stellungnahme des Regierungspräsidiums ausfallen wird, schon jetzt ist klar, dass sich die Lager der Befürworter und der Gegner der Windkraft nicht nur in Nachbarschaften aufteilen, sondern auch im Freundeskreis bis hin zu den Familien. Egal, wie die Lösung aussehen wird, die für den Gütschkopf gefunden wird, so hoch wie die Wellen schlugen, wird es wahrscheinlich Jahre dauern, bis der Ärger auf allen Seiten verdaut sein wird.