Gerhard Bidermann stellt sich im Interview den Fragen der "Lahrer Zeitung". Nächste Woche ist sein Gegner und Amtsinhaber Alexander Schröder an der Reihe. Foto: Lehmann

Herausforderer in Meißenheim will breite öffentliche Diskussion zu wichtigen Themen

Gerhard Bidermann fordert Amtsinhaber Alexander Schröder bei der Bürgermeisterwahl am 10. September in Meißenheim heraus. Was er als Gemeindeoberhaupt anders machen würde, hat er im Gespräch mit der "Lahrer Zeitung" verraten.

Kürzell. Zum Termin empfängt der 53-Jährige in seinem Garten in Kürzell und zeigt sich trotz des Wahlkampfs sehr entspannt. Der parteilose Lagerist ist häufig im Garten, derzeit bereitet er sich in seiner freien Zeit jedoch vor allem auf die Vorstellungstermine am 29. und 31. August vor.

Herr Bidermann, wieso treten sie gegen den Amtsinhaber Schröder an?

Schon bei der Wahl vor acht Jahren fand ich es schade, dass kein Bewerber aus Kürzell dabei war. Ich habe für die GUL (Gruppe Umwelt und Leben) für diese Wahl einen Fragenkatalog für potenzielle Kandidaten erstellt. Als sich herausstellte, dass es wohl keinen neuen Bewerber geben wird, habe ich mich entschieden, es selbst zu machen. Durch die Arbeit an dem Fragenkatalog war ich ja ohnehin schon in der Materie. Ich will den Bürgern einfach eine echte Wahl ermöglichen.

Sehen Sie es als gutes Omen an, dass bei den vorangegangenen Bürgermeisterwahlen der Amtsinhaber abgelöst wurde?

Nein, als gutes Omen sehe ich das nicht. Die Wahl vor acht Jahren etwa würde ich nicht mit der aktuellen Situation vergleichen. Da täte man Alexander Schröder Unrecht. Grundsätzlich ist mir wichtig, dass die Wahl fair abläuft. Ich erinnere mich an eine länger zurückliegende Bürgermeisterwahl mit anderen Kontrahenten, da gab es mal ein etwas diffamierendes Flugblatt.

Hat bei Ihren Überlegungen auch die Tatsache eine Rolle gespielt, dass Sie bei der Kommunalwahl den Einzug in den Gemeinderat verpasst haben?

Nein, das hat keine Rolle gespielt. Ich bin ja ein Teamplayer und bei der Kommunalwahl ging es vor allem um den Erfolg der Gruppe.

Was sagt Ihre Frau zu der zeitaufwendigen Arbeit im Wahlkampf?

Sie hat mir bei der Entscheidung, ob ich kandidiere oder nicht, freie Hand gelassen. So zeitaufwendig war es bislang nicht. Ich muss halt meine Termine entsprechend meines Schichteinsatzes legen. Abendtermine gehen nur, wenn ich nicht spät arbeite.

Zudem gehen Sie eigenen Angaben zufolge sämtliche Gemeinderatsprotokolle seit 2005 durch.

Ja, denn ich muss ja wissen welche Entscheidungsprozesse wie abgelaufen sind. Ich war aber ohnehin häufig in den Sitzungen dabei. Meine erste Gemeinderatssitzung muss ich im Alter zwischen 18 und 20 Jahren besucht haben. Nach zwei Stunden muss man allerdings beim Durcharbeiten der Protokolle eine Pause einlegen (lacht).

Was war inhaltlich der Auslöser für Ihre Kandidatur? Oder treten Sie nur an um Kürzell eine Stimme zu geben, weil sie den Ortsteil benachteiligt sehen?

Inhaltlich hat sicher eine Rolle gespielt, wie es zu dem neuen Rathaus kam. Zunächst gab es eine Bürgerversammlung, die sich mit dem Thema Ortsmitte beschäftigte. In allen Gemeinden im Umland ist das Rathaus zentral neben der Kirche oder Ähnlichem angeordnet. Bei uns ist es jetzt halt außerhalb. Ohne den neuen Standort bewerten zu wollen, hat mir der Weg dorthin nicht gefallen. Als die Firma Fuchs Insolvenz anmeldete, war nichts mehr zu hören von der Ortsmitte und es wurde ohne breite Diskussion entschieden ins "Ufo" zu ziehen. Ähnliches ist wieder beim neuen Standort für das Feuerwehrhaus geschehen. Ich hätte mir mehr Transparenz gewünscht. Zum zweiten Teil der Frage: Ich sehe Kürzell nicht benachteiligt. Die Ortsteile wachsen gut zusammen.

Zusammenwachsen ist ein gutes Stichwort: Wie ist ihre Meinung zur Lücke im Lärmschutzwall in Kürzell?

Das ist seit vielen Jahren schon ein Thema. Immer wieder kommen Bundes- und Landespolitiker vorbei, aber getan hat sich bislang nichts. Wie es scheint ist die Gemeinde dabei auf sich allein gestellt. Ich würde anregen, das am Wall angrenzende Gebiet von einem Misch- in ein Wohngebiet umzuwandeln, dann werden nämlich die Lärmgrenzwerte nachts überschritten. Außerdem sollte statt eines Walls eine Lärmschutzwand errichtet werden, die ist nämlich effektiver.

Ein weiteres Thema für Sie ist der Haushalt der Gemeinde. Insbesondere den Schuldenstand der Eigenbetriebe haben Sie ins Visier genommen.

Wie andere Gemeinden auch haben wir die Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung ausgelagert. Es kommt mir so vor als sollten damit die strengen Regularien, denen sich eine Gemeinde bei ihren Finanzen unterwerfen muss, umgangen werden. Da werden bei den Eigenbetrieben Darlehen aufgenommen, die eine Gemeinde niemals genehmigt bekäme. Momentan sind die Zinsen sehr niedrig, aber diese Frage hat auch etwas mit der Nachhaltigkeit zu tun und damit, was wir den nächsten Generationen hinterlassen.

Die nachfolgende Generation ist auch ein Thema bei den Kindergartengebühren. Diese sollen steigen.

Ich habe das mal anhand der Beiträge, die wir 2012 für unsere Tochter bezahlt haben, betrachtet. Damals hat die Regelbetreuung 99 Euro gekostet. Nach den Plänen soll sie künftig 131 Euro teuer sein. Das ist eine Steigerung um 30 Prozent in fünf Jahren. Ich kritisiere den Automatismus mit dem erhöht wird.

In Nachbargemeinden sieht es ähnlich aus. Anlass sind gestiegene Kosten und eine Empfehlung der Kirchen und des Gemeindetags.

Das ist alles nachvollziehbar, aber für uns als Gemeinde geht es auch um Standortqualität. Es zieht, anders als etwa in den 80er-Jahren, immer mehr Menschen in die Städte Lahr und Offenburg. Deshalb müssen wir als Dorf etwas mehr bieten um die Menschen hierzubehalten.

Auf all diese Themen können Sie allerdings nur entscheidenden Einfluss nehmen, wenn Sie die Wahl gewinnen. Wo sehen Sie sich in acht Jahren vor der nächsten Wahl?

Auf jeden Fall weiterhin in Meißenheim.

Fragen: Frank Ruppert

INFO

Familie, Natur und der SC Freiburg

> Gerhard Bidermann wurde am 5. Februar 1964 in Kürzell geboren. "Nur wenige Meter von meiner jetzigen Wohnung entfernt. Anders als heute üblich wurde ich noch zu Hause geboren", so Bidermann. Nach Kindergarten, Grund- und Hauptschule geht er zwei Jahre auf die Wirtschaftsschule und fängt in Lahr eine Lehre als Industriekaufmann an. Heute arbeitet er als Lagerist bei einem Handelsunternehmen. Er spricht neben Englisch auch Französisch und Spanisch. "Ich war zwei Jahre in Asien und wollte auch nach Mittelamerika, deshalb habe ich Spanisch gelernt." Spanisch ist bei Bidermanns allgegenwärtig: 2003 heiratet er die Kolumbianerin Pilar und hat mir ihr eine inzwischen sieben Jahre alte Tochter. "Die wächst zweisprachig auf", erzählt der stolze Vater.

> Der Garten und sein kleiner Teich darin liegen ihm sehr am Herzen. "Es ist mir wichtig, dass ich meiner Tochter auch mal eine Kaulquappe oder andere Tiere zeigen kann", so der 53-Jährige. Er ist aktives Mitglied beim BUND und glühender Anhänger des SC Freiburg. "Zehn bis 15 Spiele pro Saison sehe ich in der Regel im Stadion", sagt das SC-Mitglied. Besonders das Derby gegen den VfB Stuttgart will er sich nicht entgehen lassen.