Ein ICE fährt durch Orschweier. Geht es nach der Bahn, tut er dies in nicht allzu ferner Zukunft deutlich schneller als heute. Foto: Archiv: Haid

Experte sieht keinen Anlass, Bestandsstrecke zwischen Orschweier und Kenzingen auszubauen

Eine Höchstgeschwindigkeit von 230 Stundenkilometern für den ICE, keine Überholgleise zwischen Orschweier und Kenzingen: Ein Gutachten aus der Schweiz macht den Menschen an der Rheintalstrecke Mut – und erhöht den Druck auf die Politik.

Südliche Ortenau. 2016 setzte der Bundestag ein Ausrufezeichen hinter die jahrelange Standortfrage: Das dritte und vierte Gleis kommen an die Autobahn. Doch die vermeintlichen Sieger – die Kommunen an der Rheintalbahn – witterten schon damals weiteres Ungemach. Zu Recht, wie sich schnell herausstellen sollte. Denn mit dem Schienenneubau geht laut Bundesverkehrswegeplan ein Ausbau der Bestandsstrecke einher. Spätestens im Jahr 2041 soll der ICE dort mit bis zu 250 Stundenkilometern unterwegs sein, um in 90 Minuten von Karlsruhe nach Basel zu rauschen, und so die Verzahnung mit dem Schweizer Fahrplan zu gewährleisten.

Ein Vorhaben, das den Bürgerinitiativen und Kommunen entlang der Gleise so gar nicht schmecken will. Sie sehen einen unnötigen Flächenverbrauch und fürchten vor allem mehr Lärm. Auch in der südlichen Ortenau und dem nördlichen Breisgau: Zwischen Orschweier und Kenzingen soll es zwei zusätzliche, jeweils 12,8 Kilometer lange Überholgleise geben. Damit will die Bahn ihrem schnellsten Pferd im Stall ermöglichen, die Bummelzüge "fliegend" zu überholen.

Mit dem Ziel, die Pläne doch noch zu kippen, gaben 16 Kommunen und neun Bürgerinitiativen eine Studie in Auftrag, die das Vorhaben genau unter die Lupe nehmen sollte: Ist ICE-Verkehr mit Tempo 250 wirklich notwendig? Die Antwort von Gutachter Salem Blum: Nein. Die Fahrplanvorgaben der Bahn seien auch zu erreichen, wenn der Hochgeschwindigkeitszug künftig mit 230 Sachen Spitze durchs Rheintal jagt. Der Zeitunterschied zu Tempo 250 – gerade einmal 35 Sekunden. Was die Menschen zwischen Orschweier und Kenzingen zudem gerne hören: Laut dem Experten vom Züricher Büro Ernst Basler und Partner, der die Studie am Donnerstagabend in Auggen der Öffentlichkeit vorstellte, sind auch die beiden Überholgleise auf dieser Strecke nicht notwendig. Lediglich in Kenzingen sei die Erweiterung der Bestandsstrecke unumgänglich, was den Ausbau um acht auf dann nur noch 4,8 Kilometer reduzieren würde. Das wiederum bedeute eine Kostenersparnis in Höhe von rund 145 Millionen Euro und bis zu 15 Hektar weniger Flächenverbrauch. Zudem würden bei Maximaltempo 230 Lärmschutzwände von fünf Metern ausreichen, während bei 250 Stundenkilometern sechs Meter in die Höhe gebaut werden müsste.

> Mahlbergs Bürgermeister Dietmar Benz: "Wir sind mit dem Tenor sehr zufrieden, auch wenn das noch nicht die Endfassung des Gutachtens war. Grundsätzlich sollte man aber aufpassen, den Fahrplan nicht zu sehr auf Kante zu nähen. Sonst könnte es am Ende so eng werden, dass der ÖPNV zum Leidtragenden wird. Zudem sollten wir vermeiden, gleich darüber zu diskutieren, wo das eingesparte Geld am besten eingesetzt wird. Sonst könnte es ein Hauen und Stechen unter den Städten und Gemeinden an der Rheintalstrecke geben."

> Bundestagsabgeordneter Johannes Fechner (SPD): "Ich freue mich sehr, dass laut Gutachten erhebliche Mehrkosten und vor allem Flächenverbrauch mitten in unseren Gemeinden vermieden werden kann. Der Bundestag muss diese neuen Fakten zur Kenntnis nehmen und die Planung von 250 auf 230 km/h reduzieren."

> IG-Bohr-Vorsitzender Roland Diehl: "Was die DB als Optimum bezeichnet, ist für die Region nicht optimal. Der neue Bundestag muss sich umgehend mit dem Thema beschäftigen. Die IG BOHR erwartet aus Berlin eine neue politische Initiative zur Lösung der vom Projektbeirat liegengelassenen Probleme."