Symbolfoto: Archiv Foto: Lahrer Zeitung

In Lahr ist der "kleine Waffenschein" so begehrt wie in keiner anderen Stadt des Ortenaukreises

Die Anzahl der beantragten und genehmigten "kleinen Waffenscheine" ist bundesweit um ein Vielfaches höher als früher. Für den Ortenaukreis hat die "Lahrer Zeitung" in den Behörden nachgefragt. Besonders stark ist der Anstieg in Lahr.

Lahr. Demnach wurden 2016 im Kreis bei den zuständigen Behörden insgesamt 641 Anträge auf Erteilung eines "kleinen Waffenscheins" gestellt. Im Jahr zuvor gab es kreisweit lediglich 81 solcher Anträge, 2014 sogar noch weniger. Die aktuelle Zahl ist also achtmal so hoch wie vor den Vorfällen in der Kölner Silvesternacht 2015/2016.

In Oberkirch wurden nach Auskunft des Ordnungsamtes im vergangenen Jahr 23 Anträge gestellt (im Vorjahr 3), in Kehl 27 (Vorjahr 7), in Achern 38 (Vorjahr 9) und in Offenburg 125 (Vorjahr 18). Zusätzlich erteilte das Landratsamt in seiner Zuständigkeit für den Kreis 336 Genehmigungen für einen "kleinen Waffenschein". In den Vorjahren hatte es dort regelmäßig nur etwa 40 Anträge gegeben.

In Lahr ist der Anstieg besonders stark. Er fällt deutlich größer als in allen anderen Kommunen des Kreises. Während 2014 sieben und 2015 sogar nur vier Anträge gestellt wurden, waren es im ver gangenen Jahr 92 – das ist in etwa die zwanzigfache Menge.

Lucia Vogt, die Leiterin der Abteilung Öffentliche Sicherheit und Ordnung, hat für diese besonders drastische Entwicklung keine Erklärung und möchte über die Ursachen auch nicht spekulieren. "Es ist ja eine bundesweite Zunahme zu verzeichnen", sagt sie, "offensichtlich fühlen sich die Menschen zunehmend unsicherer und versprechen sich durch solche Waffen einen zusätzlichen Schutz."

Überraschenderweise sind es aber keineswegs Frauen, die einen "kleinen Waffenschein" beantragen. Man könnte nachvollziehen, wenn diese sich mit Waffen gegen Vorfälle wie auf der Kölner Domplatte schützen wollten. Frauen fühlen sich aber mit einer Waffe in der Handtasche gar nicht sicherer, wie die Inhaber von Waffengeschäften berichten. Sie greifen lieber zu Tierabwehrsprays.

Vor allem Männer in    den mittleren Jahren rüsten auf

Stattdessen bestätigen alle Behörden, dass sich nahezu ausschließlich Männer "in den mittleren Jahren" die Genehmigung besorgen, eine Schreckschuss- oder Reizgaspistole auch außerhalb ihrer Wohnung mitzuführen.

"Natürlich erfüllt mich das mit Sorge, dass immer mehr Menschen glauben, sich mit Abwehrmitteln schützen zu müssen, für die man den ›kleinen Waffenschein‹ braucht", sagt Vogt. In Lahr sei die Stadtverwaltung stets darum bemüht, das Sicherheitsgefühl der Einwohner zu verbessern. Häufig entstünde Verunsicherung durch falsche Informationen, die in Umlauf gebracht würden. Dies sei ein Feld, auf dem man vorbeugend tätig werden könne.

Zurzeit werden den Ordnungsbehörden und der Polizei nicht signifikant mehr Zwischenfälle mit Waffen nach dem "kleinen Waffenschein" gemeldet. Dies bestätigt auch Heide Bost, die Leiterin des Ordnungsamtes im Landratsamt. "In ihrem Si cherheitsbedürfnis unterschätzen die Menschen, wie gefährlich es eigentlich ist, mit einer Waffe herumlaufen, die einer echten Handfeuerwaffe zum Verwechseln ähnlich sieht."

Möglicherweise eskaliere eine Situation überhaupt erst dadurch, dass jemand so etwas aus der Tasche zieht. Eine solche Waffe sei nicht geeignet, eine Bedrohung zu inszenieren, denn auch eine Reizgas- oder Schreckschusspistole darf nur in akuten Notfallsituationen benutzt werden.

"Den meisten ist auch nicht klar, dass mit einer solchen Pistole gar nicht geschossen werden darf", sagt Bost. Komme die Waffe außerhalb einer Notwehrlage zum Einsatz, werde man sich dafür in der Regel juristisch verantworten müssen, so Bost weiter.

Und schließlich sollte man um die Funktionsweise einer solchen Schreckschuss- oder Reizgaswaffe wissen. Auch mit ihnen könne man leicht jemanden verletzen und sie hätten einen ähnlich heftigen Rückstoß wie eine echte Pistole. Ausprobieren darf man sie aber nur auf dafür vorgesehenen Schießanlagen.