Die Spielfigur Novecento (links) war ein Ozeanpianist, der sein ganzes Leben nur auf einem Schiff verbracht hat, erzählt Detlef Heinichen (rechts). Foto: Künstle

Detlef Heinichen erzählt die Geschichte "Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten"

Puppenspieler Detlef Heinichen überzeugt auch bei seinem zweiten Gastspiel im "Schlachthof". "Novecento – Die Legende vom Ozeanpianisten" ist eine poetische Geschichte, die er als Theatersolo mit hölzernem Spielpartner inszeniert hat.

Lahr. Ohne das Stampfen und Klingen der Schiffsmotoren, die ab und zu hereinwehenden Rufe der Möwen und das Tosen eines Orkans würde kaum ein Zuschauer auf die Idee kommen, dass er mit Heinichen gerade die Weltmeere bereist. Der Puppenspieler hat die Legende von Novecento, dem Ozeanpianisten, als schlichtes, letztich aber eindringliches Theatersolo in einer kargen Kulisse inszeniert.

Heinichen selbst passt wunderbar in die Rolle des Erzählers, des kauzigen, meistens abgebrannten Trompeters "Fihu Max Tooney": In der Handlung geht es um seine Freundschaft mit Novecento, dem auf ein und demselben Schiff geborene und gestorbene Ozeanpianisten, der in Gestalt einer hölzernen Spielfigur im Verlaufe der Aufführung zu neuem Leben erwacht.

Novecento ist ein Findelkind, das der Heizer Danny Boodman 1900 an Bord des Ozeandampfers "Virginian" fand. Er wächst im Maschinenraum auf, schlüpft nach Boodmans Tod in die Rolle eines Schiffspianisten, der seinem Klavier Klänge entlockt, in denen sich der Zauber einer ganzen Welt spiegelt. Novecento bezaubert und betört sein Publikum, wird im Laufe seines seines Lebens aber niemals auch nur einen einzigen Fuß an Land setzen.

Heinichen erzählt die Geschichte in Worten und kargen Gesten, dringt ein in ein intimes Wechselspiel mit der einzigen echten Spielfigur, einer kleinen Tischpuppe im Frack, die Novecento verkörpert. Bei seinem zweiten Gastspiel im Rahmen der Puppenparade zeigt Heinichen eine poetische Inszenierung, die in ihrer Reduktion wunderbar aufblüht.

Alles beginnt in einer Sturmnacht, mit einem wilden Ritt auf dem Klavier im Ballsaal der ersten Klasse, bei dem Tooney und Novecento Freundschaft schließen. Die Geschichte findet ihren Höhepunkt in einem herrlich schrägen Klavierduell mit Jelly Roll Morton, dem selbsternannten Vater des Jazz. Heinichen steckt dafür eine Whiskeyflasche in einen alten Schlappen, verschließt sie mit einem geschnitzten Puppenkopf. Am Ende des Duells ist die Flasche leer, wird kurzerhand im Ozean entsorgt. Tooney geht am Ende der Geschichte nach acht Jahren von Bord. Es gibt nur ein einziges Wiedersehen am Tag bevor der Dampfer auf offener See gesprengt wird. Novecento wird das Schiff nicht verlassen, er hat es nur einmal versucht und ist umgekehrt, weil er den Horizont, das Ende des Hafens und der Stadt nicht sehen und erfassen konnte.

Es ist ein wunderbar leises und poetisches, vor allen Dingen aber auch nachdenkliches Finale, das die ganze Kraft des Puppenspiels und des Sprechtheaters in einem berührenden Moment einfängt.