Volle Konzentration: Friseur Jakob Eichinger schneidet Winfried Lehmann (links) die Haare, während Tina Flohr dabei ist, Muharrem Utus den Bart zu stutzen. Fotos: Werner Foto: Lahrer Zeitung

Aktion: Obdachlose werden im Café Löffel gratis frisiert / "Ehrgefühl zurückgeben"

Acht Friseure haben im Café Löffel eine besondere Aktion umgesetzt. Sie haben Obdachslosen die Haare geschnitten, die dabei von ihren Schicksalen erzählten.

Lahr. Der Duft von frischem Kaffee liegt in der Luft. Ein Raum voller Menschen, von denen viele eines gemeinsam haben: sie leben auf der Straße. Zehn Obdachlose, darunter zwei junge Frauen, sind gekommen, um sich im Café Löffel von den Friseuren der "Barber Angel Brotherhoods" die Haare schneiden zu lassen. "Ich habe es heute morgen erst erfahren", erzählt Burkhard Schrempp. An dem Tag sei er zufällig nach Lahr gekommen, denn eigentlich lebe er in einer Hütte bei Mahlberg.

Auch der 64-jährige Martin Schmieder ist ins Café Löffel gekommen. Trotz seiner Obdachlosigkeit, an der er laut eigener Einschätzung "nicht ganz unschuldig ist", strahlt er positive Energie aus. Birgit Hügel, Sozialarbeiterin im Café Löffel, habe ihm von der Aktion erzählt. "Das wollte ich mir nicht entgehen lassen", sagt er.

Es herrscht ein großer Andrang in dem kleinen Café. Drei Stühle sind nebeneinander aufgestellt – die Friseure kommen mit dem Schneiden kaum hinterher. Auf dem Boden liegt ein großer Berg von Haaren. "Schade, dass wir nicht mehr Stühle haben", so Klaus Miedermayer, Präsident der "Brother Angel Brotherhoods". "Wir möchten diesen Menschen durch die Frisur ihr Gesicht und ihr Ehrgefühl zurückgeben", erklärt sein Vereinskollege Peter Mayer aus Friesenheim. Er finde es zwar toll, wie viel für Flüchtlinge getan werde, jedoch würden die Obdachlosen dabei häufig vergessen. "Spendengelder kommen oft nicht da an, wo sie hin sollen, deshalb helfen wir lieber vor Ort", so Mayer. Es sei wichtig, dass man auch diesen Menschen Respekt entgegenbringe "und nicht mit dem Finger auf sie zeigt". Oft stecke ein bewegendes Schicksal hinter der Obdachlosigkeit. "Es geht schneller als man denkt, dass man etwa durch Krankheit in so eine Lage gerät", so Mayer.

Nach dem Unfalltod der Ehefrau den Halt verloren

Burkhard Schrempp erzählt seine Geschichte: "Vor elf Jahren sind meine Frau und mein Sohn bei einem Verkehrsunfall tödlich verunglückt". Seine Tochter habe den Unfall überlebt, mittlerweile habe sie 16 Operationen hinter sich. Im Vorjahr habe er sich in eine Klink einweisen lassen. "Ich hatte schwere Depressionen und konnte nicht mehr arbeiten gehen", berichtet Schrempp.

Mittlerweile habe er alles verarbeitet. "Ich lebe in einer kleinen Hütte mit acht Quadratmetern." Dort habe er eine kleine Couch und eine Feuerstelle. "Dort fühle ich mich wohl. Ich habe eine schöne Aussicht.". Aber er wird nicht mehr lange bleiben: In 14 Tagen will er zu Fuß an die Nordsee aufbrechen – mit einem kleinen Wagen, Zelt und Schlafsack. "Darauf freue ich mich", sagt er. Nach seiner Rückkehr wolle er ein Buch schreiben und wieder arbeiten gehen. Er habe auch Sponsoren, die ihm Kleidung zur Verfügung stellen. Auf der Reise will er Geld für die Reha-Klinik sammeln, in der seine Tochter behandelt wurde.

Der neue Haarschnitt ist ungewohnt für Schrempp, immer wieder schaut er in den Spiegel und streicht sich über den frisch rasierten Nacken: "So kurz, so kurz", sagt er. "Jetzt siehst du aus wie ein Arzt", kommentiert eine obdachlose Frau, die ihren Namen nicht verraten möchte, die Veränderung. Schrempp freut sich über das Kompliment und schmunzelt.

INFO

Hilfe mit Kamm und Schere

Dem Verein Barber Angel Brotherhoods gehören 13 Friseure in ganz Deutschland an, die etwas für sozial schwache Menschen tun wollen. Einmal im Monat schneidet das ganz in Schwarz gekleidete Team Wohnungslosen die Haare – diesmal in Lahr. "Die strahlenden Augen oder die herzliche Umarmung – das ist für mich Bezahlung genug", sagt der Friesenheimer Peter Mayer, Gründungsmitglied der "Barbier-Engel".