Chefarzt Leonhard Mohr (von links), Johannes Fechner und Pfarrerin Barbara Kündiger diskutierten über Sterbehilfe. Foto: Haid Foto: Lahrer Zeitung

Podiumsdiskussion zum Thema Sterbehilfe / Rechtliche, medizinische und ethische Seite beleuchtet

Von Marion Haid

Lahr. Sterbehilfe – dieses schwierige Thema steht im Bundestag in diesem Jahr zur Debatte. Und auch hier in der Region gibt es einige Grauzonen, viele fragen sich: Wem gehört eigentlich mein Tod?

Mit einem Podiumsgespräch hat der SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Fechner am Montagabend die Fragestellung in seinen Wahlkreis gebracht und mit Pfarrerin Barbara Kündiger und Leonhard Mohr, Chefarzt am Ortenau-Klinikum, die ethische, medizinische und rechtliche Seite der Sterbehilfe beleuchtet.

Die Diskussion im Bundestag dreht sich um den ärztlich assistierten Suizid, der bisher entgegen der aktiven Sterbehilfe straffrei ist. Jedoch ist diese Frage im ärztlichen Standesrecht der jeweiligen Landesärztekammern unterschiedlich geregelt. Zehn Kammern verbieten ausdrücklich den ärztlich assistierten Suizid, in Baden-Württemberg sei dieses Verbot dagegen nicht ausdrücklich festgeschrieben, informierte Mohr. Die Thematik der Sterbehilfe und auch des assistierten Suizids sei nicht neu. Schon im Eid des Hippokrates stehe, dass ein Arzt "niemandem, auch auf eine Bitte nicht, ein tödlich wirkendes Gift geben und auch keinen Rat dazu erteilen" dürfe.

Gerade die indirekte und passive Sterbehilfe sei in der Palliativmedizin weit verbreitet. Sie erlaube es Menschen, "würdig zu sterben". Dadurch könne dem Patienten die Gewissheit gegeben werden, schmerz- und angstfrei zu sterben. Bei einer Öffnung des assistierten Suizids habe Mohr die Sorge, einen Bedarf zu erzeugen. Der Chefarzt plädierte dafür, es bei der heutigen Regelung zu belassen. Er selbst sei in seiner Berufslaufbahn erst einmal mit einem Patienten konfrontiert worden, der ausdrücklich den assistierten Suizid gewünscht hatte. In der jetzigen Diskussion werde "sehr viel aufgebauscht", findet Mohr.

Die Bibel selbst gebe keine klare Auskunft über die Sterbehilfe. Aus ihren Texten lese sich heraus, dass eine Lösung zu finden sei, die zum Guten führe. In der aktuellen Diskussion stünden das Grundrecht auf Selbstbestimmung und das Recht auf Leben konträr, sagte Pfarrerin Kündiger.

Rund 80 Prozent der Bundesbürger würden sich für den assistierten Suizid aussprechen. Sobald jedoch eine Information über die Möglichkeiten der Palliativmedizin erfolge, schrumpfe dieser Wert. In der Diskussion gehe es um die Frage, welchem Wert Vorrang gegeben werde. Bei der Öffnung des assistierten Suizids gebe es viele Fragefelder. Wer schütze beispielsweise einen Patienten, bei dem die Angehörigen den Tod wünschen? Wie sei der Wunsch des Sterbens überhaupt eindeutig feststellbar? Eine Öffnung könne zu einem inneren Druck des Erkrankten führen, mit seinem Suizid die Angehörigen zu entlasten. Letztlich sei ein Interesse an einem vorzeitigen Ableben möglich, um dadurch teure Palliativmedizin einzusparen, zählte Kündiger mögliche Problemfelder auf.

Das Tötungsverbot sei in der Menschheitsgeschichte lange und tief verankert, schon bevor es einzelne Religionen formuliert hätten. Daraus folge der Schutz des Lebens als unbedingte ethische Forderung, sagte die Pfarrerin. Dann jedoch sei der Ausbau der Palliativmedizin, die Wertschätzung des Pflegepersonals, das Zurückholen des Sterbens in den Alltag und die Steigerung der gesellschaftlichen Akzeptanz von alten und kranken Leben notwendig. Der Wunsch zur Beihilfe bei der Selbsttötung sei eine "Strategie der Vermeidung" dessen, was der Patient befürchte. Wenn es gelinge, den Sterbenden die Angst zu nehmen, brauche es diese Vermeidung nicht.

Das Podium und die Anwesenden waren sich einig, den Fokus auf den Ausbau der Palliativmedizin zu legen. Einer neuen rechtlichen Regelung bedürfe es nicht, jedoch solle den kommerziellen Geschäften mit dem Tod beispielsweise über das Vereins- oder Gewerberecht ein Riegel vorgeschoben werden, forderte Fechner.