Nachsorge: Der Turnverein Lahr bietet spezielle Kurse für Krebspatienten an / Kraft und Ausdauer erhalten oder wiedererlangen
Von Christine Breuer
Der TV Lahr ist nicht nur einer der größten Vereine der Stadt. Die Verantwortlichen setzen auch alles daran, die Qualität der Angebote ständig zu steigern und sich zu spezialisieren. Eine dieser speziellen Gruppen ist die Abteilung "Sport nach Krebs".
Lahr. Es ist Dienstagabend. In der Sporthalle des Max-Planck-Gymnasiums haben sich zehn Frauen versammelt, um gemeinsam ihrem Sport nachzugehen. Sie stehen im Kreis, jede hält das Ende eines mintgrünen Therabands fest. Die Bänder haben sie wahllos kreuz und quer hin und her gereicht – entstanden ist ein regelrechtes Kuddelmuddel, das sie jetzt versuchen aufzulösen, indem sie über die Querverbindungen steigen oder sich darunter hindurch bücken. "Aber nicht loslassen", mahnt Übungsleiterin Silvia Bilger-Zehnle. Sie kennt ihre Pappenheimer. Zu groß ist die Versuchung, sich auf die ganz einfache Weise aus dem Netz zu befreien. Die Frauen haben ihren Spaß, geben sich gegenseitig Tipps, nur um dann festzustellen, dass sie damit auch nicht weiterkommen.
Es ist kein Zumba und auch kein Aerobic oder Wirbelsäulengymnastik, was die Turnerinnen da betreiben. Hier geht es ruhiger und gemütlicher zu – aber nicht weniger lustig als bei anderen. "Bei den Übungen geht es in erster Linie um Kräftigung, Haltungsschulung, Stärkung des Gleichgewichts, Förderung der Feinmotorik, Aufbau der Kondition und Bewegungserweiterung", erklärt die Physiotherapeutin mit Zusatzqualifikation "Sport in der Krebsnachsorge" den Sinn der Sportstunden. Die Frauen sind alle Krebspatientinnen und wollen sich mit dem Sportangebot des TV Lahr ihre Kraft und Ausdauer erhalten oder wiedererlangen.
Die Übungen werden langsam und konzentriert ausgeführt. Die Frauen nehmen sich selbst nicht so ganz ernst, frotzeln gern und finden immer einen Grund zum Lachen.
Mit einem Ball im Rücken lehnen sie nun an der Wand. Ausruhen ist aber nicht angesagt. Im Gegenteil: Jetzt heißt es immer an der Wand lang und zwar abwärts, bis die Knie einen 90-Grad-Winkel zeigen und dann wieder hoch. Und immer schön den Ball mit dem Rücken an der Wand entlang rollen. Selbst bei dieser Anstrengung wird noch gekichert.
Eigentlich sind es Übungen, die andere im Fitnessstudio leisten, die die Frauen da absolvieren. Sie brauchen dafür allerdings keine teuren Geräte. Silvia Bilger-Zehnle weiß, wie man die Abläufe auch mit einfachen Mitteln umsetzen kann. Vor etwa zehn Jahren hat sie die Gruppe übernommen. "Es ist nachgewiesen, dass Krebspatienten, die Sport treiben, seltener ein Rezidiv (Wiedererkrankung) haben", weiß sie. Und auch die Zahl der Neuerkrankungen sei unter Sportlern nicht so hoch.
Ist das eine reine Frauengruppe? Die Frage, die im Verlauf der Übungsstunde aufgekommen ist, wird von der Übungsleiterin verneint. "Eigentlich sind wir eine gemischte Gruppe – und zwar sowohl geschlechts- als auch altersgemischt." Aber derzeit fehlten zum einen jüngere Teilnehmer, zum anderen aber auch Männer.
Die Gruppenstunde ist zu Ende. Als Abschluss hat es noch einmal Übungen im Sitzen mit den mintgrünen Bändern gegeben. Auf dem Parkplatz stehen drei der Frauen und unterhalten sich noch. Sie kämen gern in die Sportgruppe, erzählen die Teilnehmerinnen. "Silvia macht das richtig gut", loben sie die Übungsleiterin, bevor sie sich bis zur nächsten Übungsstunde verabschieden.
INFO
Sport nach Krebs
Der TV Lahr hat gleich zwei Belege für die hohe Qualität der Abteilung »Sport nach Krebs«. Zum einen wurde der Verein vom Badischen Behindertensport- und Rehabilitationssportverband sowie dem Nationalen Paralympic-Commitee Germany zertifiziert. Zum anderen hat der Verein das Qualitätssiegel »Pluspunkt Gesundheit« des Deutschen Turner-Bunds verliehen bekommen, mit dem den beiden Übungsleitern Silvia Bilger-Zehnle und ihrem Kollegen Michael Bardatsch von der Hüftsportgruppe eine herausragende Leistung im Gesundheitssport und der qualifizierten Vermittlung gesundheitsfördernder Bewegungsangebote bescheinigt werden.
Die Gruppe »Sport nach Krebs« trifft sich immer dienstags von 18.30 bis 19.30 Uhr. Weitere Teilnehmer sind willkommen.