Vorbildlich: Peter Benz aus Ettenheim ist mit seinem E-Mountainbike mit Helm und Reflektorjacke sicher unterwegs. Foto: Werner

Mit den Verkaufszahlen von Elektrofahrrädern nehmen auch die Probleme im Verkehr zu

Die Zahl der Unfälle mit E-Bikes hat 2016 in Baden-Württemberg einen Rekordwert erreicht. Auch im Ortenaukreis ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erkennbar. Woran das liegt, beantworten Radexperten aus der Region.

Ortenau. "Früher war es ein Fahrradunfall, heute ist es ein E-Bike-Unfall", sagt Michael Flick, Inhaber der "Rad-Klinik" in Lahr. Jedes fünfte 2016 verkaufte Rad sei ein E-Bike gewesen. Deshalb seien die Unfallzahlen in Relation zur Anzahl der verkauften Räder zu sehen. Mit E-Bike ist streng genommen ein Pedelec gemeint (siehe Infobox).

In ganz Baden-Württemberg waren im vergangenen Jahr 842 Fahrer von Elektrofahrrädern in Unfälle verwickelt, wie das Innenministerium mitteilt. Im Jahr 2015 wurden 695 Unfälle registriert – eine Zunahme um 21 Prozent. Auch im Ortenaukreis sei für 2016 "ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen", sagt Kriminaloberkommissarin Nicole Jäger vom Polizeipräsidium Offenburg auf Anfrage unserer Zeitung. Die genauen Zahlen würden erst im März bekannt gegeben. Im Jahr 2015 seien 31 Unfälle, an denen E-Bikes beteiligt waren, für den gesamten Zuständigkeitsbereich des Präsidiums verzeichnet worden. Zu diesem zählen der Ortenaukreis, der Landkreis Rastatt und der Stadtkreis Baden-Baden.

"E-Bikes boomen auf dem Markt", weiß Flick. Die Zeiten, in denen sich nur alte oder kranke Leute ein Elektrofahrrad zulegten, seien längst vorbei: "Der sportliche Aspekt steht nun im Fokus", so der Fahrradexperte. Ob Mountain-, Trekkingbike oder Beachcruiser – heute gibt es fast alle Fahrradtypen mit Motor: "Elektrofahrräder sind ein Statussymbol geworden."

Typisch für E-Bikes sind die hohe Geschwindigkeit und das Plus an Gewicht. "Alleine der Motor und Akku wiegen jeweils locker fünf Kilo", so Flick. Dadurch sei das Rad schwerer zu bedienen. Damit seine Kunden sicher unterwegs sind, bekommen alle eine individuelle Einweisung: "Ich habe eine gewisse Verantwortung", sagt er. Zusätzlich rät der Händler seinen Kunden dringend zu einem Helm und einer angemessenen Beleuchtung. Das größte Problem sieht er aber bei den Verkehrsteilnehmern: "Das Auto hat in Deutschland den höchsten Stellenwert." Deshalb komme die Rücksichtnahme gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern oft zu kurz. Flick wünscht sich, dass langfristig ein Ausgleich stattfindet: "Das sollte der moralische Ansporn sein."

Georg Singrin vom Kreisverband Ortenau des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs sieht ein großes Problem darin, dass viele Menschen, die schon länger aus der Übung sind, ein E-Bike kaufen: "Durch den Motor trauen sie sich das Radeln wieder zu." Viele seien dann überrascht, wie stark der Motor tatsächlich wirke. "Mit der hohen Geschwindigkeit kommen viele nicht zurecht", so Singrin, "manche haben auch Probleme mit der Schaltung." Besonders im Winter könne es auf rutschigem Untergrund dazu kommen, dass das Antriebsrad durchdrehe. Ein weiteres Problem sei, dass die Infrastruktur noch nicht überall auf das schnellere Fahren mit E-Bikes ausgelegt sei.

Sicherheitskurse für E-Bike-Fahrer vorgesehen

In Lahr gebe es wenigstens immer mehr Schutzstreifen für Radfahrer. "Viele trauen sich allerdings nicht, diese zu nutzen, und denken, sie sind besser auf dem Gehweg aufgehoben", so Singrin. E-Bike-Fahrer sollten aufgrund der hohen Geschwindigkeit auf der Straße fahren. Außerdem rät er, stets vorausschauend zu fahren und immer damit zu rechnen, von Autofahrern übersehen zu werden.

Betram Schulz, Inhaber von "Rad Schulz" in Ettenheim, beobachtet seit zwei bis drei Jahren eine Verschiebung auf dem Markt: "Die normalen Fahrradfahrer steigen auf E-Bikes um." Der Absatz von Rädern ohne Motor sei "stark rückläufig". Auch sei ihm aufgefallen, dass sich der Kundenkreis verändere. Das E-Bike habe kein "Senioren-Image" mehr. "Zu mir kommen viele junge Mütter und wollen ein E-Bike, mit dem sie ihre Kinder leichter im Anhänger transportieren können", so Schulz. Aber auch Familien, die gemeinsam große Radtouren machen möchten, würden eher zu Rädern mit Motor greifen – "höher, schneller, weiter" laute die Devise. Diesen Trend bestätigt auch Flick: "Bei mir kaufen sogar Jugendliche E-Mountainbikes und gehen damit in den Bikepark." Schulz sagt, dass auch Geschäftsleute häufig E-Bikes kaufen, damit sie sich an ihrem freien Tag "zwar bewegen, aber nicht zu sehr verausgaben".

Um Unfällen vorzubeugen, möchte Schulz im Sommer Kurse für E-Bike-Fahrer anbieten. Das solle langfristig zu einer höheren Sicherheit im Straßenverkehr beitragen.

INFO

Elektroräder

> "Pedelecs" und "E-Bikes": Elektrofahrrad ist der Oberbegriff für Fahrräder mit elektrischer Motorunterstützung. "Pedelecs" unterstützen den Fahrer beim Treten mit einem Elektromotor bis maximal 250 Watt und bis zu einer Geschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde. Versicherungskennzeichen, Zulassung und Führerschein werden laut Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) nicht benötigt. Auch bestehe keine Helmpflicht oder Altersbeschränkung. "E-Bikes" im engeren Sinn seien mit einem Elektromofa zu vergleichen. Sie beschleunigten per Drehgriff oder Schaltknopf, auch ohne dabei in die Pedale zu treten. Für sie seien ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein Pflicht.

> Preise: Beim Discounter gibt es Elektrofahrräder ab 1200 Euro. Wer Qualität wolle, sollte aber mindestens 2000 Euro ausgeben, empfehlen Händler. Nach oben gebe es kein Preislimit.