Bei der ersten Veranstaltung der Reihe "Orte für Worte" stellte sich die Redaktion der Zeitschrift "Ohrenkuss" vor, die sich an Menschen mit Down-Syndrom richtet. Foto: Baublies

Auftakt von "Orte für Worte" in den Lahrer Werkstätten / Schwieriger Umgang mit leichter Sprache

Der Ort des Auftakts war ungewöhnlich: In den Lahrer Werkstätten haben die Literaturtage "Orte für Worte" begonnen. Dabei hat sich die Redaktion des Magazins "Ohrenkuss" vorgestellt.

Lahr. Das Magazin "Ohrenkuss" mit Redaktionssitz in Bonn erscheint halbjährlich und richtet sich an Menschen mit Down-Syndrom. Die Mitarbeiter beherrschen die Fähigkeit, mittels leichter oder klarer Sprache zu schreiben.

Katja de Brangança, laut Impressum die Verantwortliche von "Ohrenkuss", und Anne Leichtfuß, Übersetzerin für leichte Sprache, stellten das Magazin vor. "Die Redaktion ist der Meinung, dass man alle Themen erklären kann", sagte Leichtfuß. Man sollte Texte ohne Fremdworte oder Fachbegriffe schreiben. Wenn es, was mitunter vorkomme, nicht anders gehe, sollten Fachbegriffe mittels verständlicher Sprache erklärt werden. Aber: Da gebe es regelmäßig Schwierigkeiten: "Viele Menschen können nicht einmal in einfacher Sprache reden." Also sei da mitunter eine Dolmetscherin notwendig.

Die 18-jährige Autorin Natalie Dedreux las eigene und Texte von Kollegen vor. Sie konfrontierte die Zuhörer mit einer klaren und einfachen Botschaft. "Das Down-Syndrom ist keine Krankheit." So sei sie nicht nur freundlich und nett. Das Vorurteil entstehe häufig, weil Menschen, bei denen das 21. Chromosom dreifach vorhanden ist, in der Regel jünger aussehen, als sie sind. "Ich kann genauso gut wütend oder traurig sein."

Das jugendliche Aussehen könnte, so möchte man denken, ab einem gewissen Alter doch sogar angenehm sein. Dedreux stellte hier aber ein zweites Thema vor, das dem widerspricht: Sie und andere mit dem Down-Syndrom würden in der Regel geduzt. Sie zitierte hier eigene und andere Erfahrungen. Im Klartext heiße es beim Einkaufen leider meistens: "Was willst Du?" Es spreche von deutlicher Rücksichtslosigkeit, wenn erwachsene Menschen im Supermarkt so herablassend behandelt würden. "Warum müssen wir so angeredet werden?"

Hier klärte das Trio beim Vortrag über noch ein anderes Vorurteil auf. Die Redaktion "Ohrenkuss" besteht aus Autoren im Alter zwischen 14 und 60 Jahren. Es sei völlig normal, dass Menschen mit der Trisomie 21 älter als 30 Jahre werden. Dieses Vorurteil vom frühen Tod durch den Sonderfall im Erbgut stamme aus den 1970er-Jahren. Es gab – wegen der sogenannten "Euthanasie" während des Nationalsozialismus – damals in Deutschland keine Menschen mit Trisomie 21, die älter als 30 Jahre waren. Dieses Vorurteil habe sich leider mitunter bis heute gehalten. Ein Blick über die deutschen Grenzen hätte da aber auch geholfen.