"Was für ein Service": Diese Frauen freuten sich sichtlich über die tatkräftige Unterstützung beim Kofferschleppen. Foto: Klaus

Seit dieser Woche unterstützen Ein-Euro-Jobber Pendler am Bahnhof

Um Radfahrern oder Menschen mit Kinderwagen über die Behelfsbrücke zu helfen, setzt die Stadt Ein-Euro-Jobber am Bahnhof ein. Doch herumgesprochen hat sich das Projekt derzeit noch nicht: Viele Menschen schleppen noch selbst.

Lahr. "Geht es hier in Richtung Freiburg?", vergewisserte sich eine ältere Frau auf Gleis 1 lautstark über die Gleise hinweg. "Ja, sie sind richtig", kam nach einigen Sekunden die Antwort des jungen Mannes in der orangfarbenen Warnweste, den die kurze Unterbrechung seiner Gedanken etwas zu irritieren schien.

"Endlich etwas zu tun", mag sich der Mann in diesem Moment gedacht haben.

Denn über zu viel Arbeit konnten sich die beiden Männer, die am Montagmorgen gegen 10.30 Uhr entspannt an einem Bauzaun am Lahrer Bahnhof lehnten, nun wirklich nicht beklagen. Übermäßig viele Fahrgäste waren um diese Zeit schließlich nicht unterwegs und die wenigen Reisenden, die möglicherweise doch Hilfe von den beiden Ein-Euro-Jobbern, denn genau das waren die beiden Männer, benötigten, waren sich schlicht und ergreifend nicht darüber im Klaren, dass es die Möglichkeit der Unterstützung überhaupt gab. Denn farblich waren die Hilfskräfte, die von der Stadt dafür abgestellt worden waren, Reisenden mit schweren Koffern, Senioren oder Menschen mit Rollatoren oder Kinderwagen über die Behelfsbrücke zu helfen, in ihren orangefarbenen Westen nicht von den zahlreichen Mitarbeitern des Bautrupps zu unterscheiden, die an den Bahnsteigen fleißig vor sich hin werkelten.

Helfer nur schwer als solche erkennbar

Am Montagmorgen um 7 Uhr hatten die beiden Helfer ihren Dienst am Gleis angetreten. Bis zur Ablösung durch die Mittagsschicht um 11 Uhr waren sie vier Stunden lang im Einsatz. So richtig spannend wurde es dabei jedoch immer erst kurz vor und nach der Einfahrt der Züge auf Gleis 2. Insgesamt neunmal hielt dort der Zug in Richtung Freiburg. Darüber, wie häufig sie tatsächlich gebraucht worden waren, wollten die beiden Helfer jedoch keine Angaben machen. Auskunft können nur Stadt oder Bahn geben, hieß es. Darauf seien sie vor Arbeitsbeginn noch extra hingewiesen worden. Erst wolle man sich in Ruhe mit der Bahn und den Helfern zusammensetzen, bevor ein offizielles Statement abgegeben werden könne.

Ob die Stadt ihre Mitarbeiter bei diesem Treffen ermutigen wird, aktiver auf die Reisenden zuzugehen und sich als potenzielle Helfer erkenntlich zu geben? Ratsam wäre es jedenfalls, wie viele Situationen am Montag zeigten: So hatte ein älterer Mann sichtlich Mühe, seinen schweren Trolley über die umstrittene Behelfskonstruktion zu hieven. Als Erster auf Gleis 1 gestartet, kam er nach vielen Verschnaufspausen als Letzer am Nachbargleis an. Kurze Zeit später schleppte ein junger Fahrradfahrer sein Mountainbike alleine über die Brücke: "Ich wusste nicht, dass ich da hätte Hilfe bekommen können", sagt der Mann. Und ergänzt: "Aber das ist für mich überhaupt kein Problem."

Deutlich mehr Probleme als der Radfahrer hatte dagegen ein Rentner, der sich immer wieder Pause machend, mühsam das Geländer hochzog. Alles im Blickfeld der neuen Helfer.

Hilfskräfte noch bis Oktober im Einsatz

"Wir sind für die nicht zuständig", erklärte eine Frau, die sich in ihrer neongelben Warnweste deutlich von ihren Kollegen am Bahnhof unterschied. "Ich bin für die Arbeitssicherheit verantwortlich", ergänzte die Frau. "Da haben die Ein-Euro-Jobber heute morgen nochmal eine Einweisungen bekommen, aber sonst haben wir vom Bau nichts mit denen zu tun."

Bereits am Mittwoch hatten die insgesamt sechs Hilfskräfte, die täglich von sieben bis 19 Uhr in drei Schichten à vier Stunden im Einsatz sind, eine ausführlichere Sicherheitseinweisung erhalten. Dabei wurden sie auch noch einmal gebrieft, dass Menschen mit Rollstuhl nicht getragen werden dürfen.

Bereits seit Mitte Juni ist der Fußgängertunnel, der für gewöhnlich den mittleren Bahnsteig mit dem Bahnsteig am Empfangsgebäude verbindet, gesperrt. Seitdem müssen die Pendler mit einer Behelfstreppe mit insgesamt mehr als 100 Stufen vorliebnehmen. Vor allem für Rentner und Mütter mit Kinderwagen ein schweres Unterfangen, weshalb sich die Stadt in Absprache mit der Bahn schließlich dazu entschloss, Hilfskräfte zu engagieren.

Und dass das Projekt durchaus seine Berechtigung hat, bewies ein Ein-Euro-Jobber nach dem Schichtwechsel um kurz nach elf Uhr. Von sich aus erkundigte er sich höflich bei einer Reisenden, ob er ihr den Koffer abnehmen dürfe. Auf dem Weg nach oben erzählte er der Frau von seiner Vorerfahrung als Möbelpacker. Die Frau selbst strahlte jedenfalls über das ganze Gesicht: "Ich bin wirklich begeistert."

Wohl noch bis Oktober werden die Ein-Euro-Jobber am Bahnhof im Einsatz sein. Bis dahin sollen Fußgängertunnel und Treppen renoviert, der Bahnsteig modernisiert und an beiden Bahnsteigen je ein Fahrstuhl montiert sein. "Ich habe meiner Tochter gesagt, sie soll mit dem Auto kommen", sagt eine Frau. "Sie hat ein kleines Kind, da würde ich von einem Gang über die Brücke abraten."

INFO

Ein-Euro-Jobs

Mit den unter der Regierung Schröder beschlossenen Reformen ist die Bezeichnung "Ein-Euro-Job" zu einem Begriff geworden. Betroffen sind Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen. Ihnen kann eine Tätigkeit zusätzlich zugewiesen werden, sofern sie im "öffentlichen Interesse" liegt. Ein--Euro-Jobber erhalten keinen Arbeitsvertrag und haben auch nicht die damit verbundenen Rechte und Pflichten. Sie erhalten zuzüglich zum Alg II eine "angemessene" Entschädigung für Mehraufwendungen von zwischen einem und zwei Euro pro Stunde. Diese gilt nicht als regulärer Lohn und wird auch nicht auf das Alg II angerechnet. Die wöchentliche Arbeitszeit soll 30 Stunden nicht überschreiten, um weiter Bewerbungen um eine reguläre Arbeit zu ermöglichen. Weigert man sich ohne wichtigen Grund eine zumutbare Arbeitsgelegenheit auszuführen, wird das Alg II abgesenkt oder es fällt komplett weg.