Süß-saures Lächeln: Verkäuferin Anja Thiel bedauert das Ende von Wolle Rödel. Foto: Goltz

Wolle Rödel macht im März zu / Beliebter Treffpunkt für Menschen mit dem Hobby Stricken

Nach 54 Jahren kommt das Aus für Wolle Rödel. Das Lahrer Traditionsgeschäft in der Kirchstraße wird im März schließen.

Lahr. Freitag, 9 Uhr: Anja Thiel hat bereits alle Hände voll zu tun. Mit einem Lächeln berät die langjährige Verkäuferin die Kunden. Dabei ist ihr alles andere als nach Lachen zumute angesichts der bevorstehenden Schließung des Fachgeschäfts in der Kirchstraße. Grund dafür sei die wirtschaftliche Lage. "Natürlich haben wir den rückläufigen Umsatz bemerkt", sagt Thiel. Es wäre jedoch auch nichts dagegen unternommen worden. Das Lächeln in ihrem Gesicht ist nun verschwunden. "Es ist nichts, aber auch gar nichts in den Laden investiert worden", beklagt Thiel. Stattdessen hätten die Verantwortlichen auf das altbewährte Konzept gesetzt. "Man muss auch in unserer Branche mit dem Trend der Zeit gehen und Veränderungen wagen. Es wurde den fallenden Zahlen jedoch nur zugesehen" sagt Thiel. Die Entscheidung für das Aus des Standorts Lahr ist beim Paderborner Unternehmen Creativmarkt gefallen, das Eigentümer von Wolle Rödel ist.

Nicht nur bei Thiel wird die emotionale Verbundenheit zum Lahrer Wollegeschäft immer deutlicher, auch die Kunden scheinen bestürzt zu sein. "Wo soll ich künftig nun meine Wolle herbekommen? Ich besitze kein Auto mehr, und Zug- und Busfahrten sind für mich auch nicht mehr einfach zu bewältigen", schaltet sich eine ältere Dame ein. Weitere Filialen von Wolle Rödel befinden sich in Offenburg oder Freiburg – zu weit entfernt für viele Stammkunden. "Dann müssen meine Enkel künftig leider auf ihre Wollsocken verzichten", fügt die Seniorin hinzu.

Kein Sozialplan für die Verkäuferinnen

Zu Wolle Rödel kommen Menschen mit einer Leidenschaft fürs Stricken. "Unser Geschäft würde ich fast schon als sozialen Treffpunkt beschreiben", sagt Thiel. Wo sonst gäbe es in Lahr die Möglichkeit, sich mit fremden Personen über dieses Hobby auszutauschen, betont sie. "In den etlichen Brillen-, Handy- und Klamottengeschäften sicherlich nicht", beantwortet Thiel sich ihre Frage selbst.

Nicht nur gegen die Konkurrenz der großen Kaufhäuser müsse man kämpfen, auch die Mieten seien für Kleinunternehmer viel zu hoch. "Statt die Kosten zu senken, zieren leider immer mehr mit Zeitungspapier abgeklebte leere Räume unsere Innenstadt." Dabei seien es doch gerade die kleinen, individuellen Läden, die eine Stadt ausmachen würden.

"Wolle erhalte ich überall. Aber eine fachkundige Beratung und ein gemeinsames Austüfteln, was aus einem Wollknäuel entstehen könnte, das bekomme ich nur im Fachgeschäft", sagt Thiel. Zustimmend nickt eine Kundin ihr zu und fügt an: "Der Trend bewegt sich immer weiter in Richtung Online-Shopping. Will ich aber ein Kleidungsstück selbst stricken, muss ich das Material zuvor mit eigenen Augen gesehen haben. Schließlich will ich beispielsweise den Pullover in exakt der Farbe, die ich für ihn vorgesehen hatte." Auch die Qualität könne, so Thiel, nur mit den eigenen Händen erfühlt werden.

Die 49-Jährige, die seit sechs Jahren in dem Geschäft arbeitet, hat noch keinen genauen Plan für ihre eigene berufliche Zukunft. Gerne würde sie aber auch weiter mit Strick- und Wollartikeln hantieren dürfen. "Einen Sozialplan gibt es für uns Verkäuferinnen nicht. Es steht somit noch in den Sternen, wo ich nach der Schließung meinen Platz finden werde." In den kommenden Wochen steht neben der eigenen Neuorientierung auch der Räumungsverkauf an. Wann dieser beginnt, weiß Thiel heute noch nicht. "Lange kann es jedoch nicht mehr gehen", sagt sie.