Johannes Fechner (Mitte) mit den LZ-Redakteuren Herbert Schabel (links) und Jörg Braun Foto: Achnitz

SPD-Bundestagsabgeordneter legt Wahlkampfthemen fest / Kritik an der Kanzlerin

Lahr. Nach drei verlorenen Landtagswahlen befindet sich die SPD in einem Stimmungstief. Doch bei Johannes Fechner ist der Optimismus ungebrochen, wie er im Redaktionsgespräch mit unserer Zeitung versicherte.

Merkels Herausforderer Martin Schulz sackte mit seiner Partei in dieser Woche um weitere zwei Prozentpunkte ab. Laut der Forsa-Umfrage würde die SPD zurzeit nur 25 Prozent erhalten. "Schulz hat auf Wunsch von Hannelore Kraft nicht in den Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen eingegriffen, das war ein Fehler", sagte Fechner. Der Bundestagswahlkampf werde aber anders, da werde der Spitzenkandidat Präsenz zeigen.

Dem 44-Jährigen ist vor vier Jahren über die Landesliste der Einzug in den Bundestag gelungen. Bei der Wahl am 24. September hofft er auf mehr als 30 Prozent für die Sozialdemokraten, die er künftig nicht mehr an der Seite der Union in einer großen Koalition sehen will. "Mir fehlt die Fantasie, welche Themen Rot-Schwarz noch setzen soll", so Fechner, der sich im Gespräch mit unserer Redaktion aber nicht auf andere Koalitionspartner festlegen will.

Den Vorwurf, Schulz habe bislang nicht konkret genug gesagt, was er politisch vorhabe, weist Fechner zurück. Der Kanzlerkandidat werde seine Vorstellungen präzisieren, außerdem sei es gerade für Angela Merkel typisch, sich nicht klar zu äußern. Der Kanzlerin wirft er vor, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Herbst 2015 keine europäisch abgestimmten Entscheidungen getroffen zu haben. "Kohl hätte das nie zugelassen, dass Deutschland allein Flüchtlinge aufnimmt und andere EU-Länder gleichzeitig Milliarden Euro für Verkehrsprojekte erhalten", so Fechner.

Er selbst werde im Wahlkampf auf die Themen Gerechtigkeit, Sicherheit und Europa setzen. Gerechtigkeit bedeutet für ihn unter anderem, Kindergarten-Gebühren abzuschaffen und mit auskömmlichen Renten Altersarmut zu verhindern. Für die Sicherheit sollen mehr Polizisten eingestellt und die Fördergelder für Einbruchsschutz erhöht werden. Im Übrigen setzt Fechner darauf, dass bei Parlamentswahlen in diesem Jahr in Deutschland, Frankreich und Großbritannien pro-europäische Parteien Erfolg haben, sodass ein "Neustart" für die EU im Herbst möglich sei. Die EU müsse "transparenter und bürgernäher" werden, räumt er ein.

Lokale Themen? Fechner will sich dafür stark machen, dass die A 5 sechsspurig ausgebaut wird. Auch der Breitbandausbau für ein schnelles Internet müsse vorangetrieben werden – "in der digitalen Welt darf es keine Bürger erster und zweiter Klasse geben". Dagegen hält er beim Bahnausbau ein elf Kilometer langen Überholgleis zwischen Mahlberg und Kenzingen für unangebracht.

Fechner steht auf Platz zehn der Landesliste, eine Zitterpartie wie vor vier Jahren mit Listenplatz 19 wird ihm damit erspart. Für ihn sei Bundestagsabgeordneter ein "Traumjob": "Man sitzt mit am Tisch, wenn wichtige Entscheidungen getroffen werden." Besonders eng arbeitet der Jurist, der rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion ist, mit Heiko Maas zusammen. Den Justizminister nimmt er im Gespräch mit unserer Zeitung gegen den Vorwurf in Schutz, mit dem "Netzdurchsetzungsgesetz" der Zensur im Internet Vorschub zu leisten. Vielmehr sei das neue Gesetz ein "Meilenstein", um gegen den "Hass in sozialen Netzwerken" vorzugehen.

Fechner wird im Sommer bei einer Radtour mit seiner Familie in Italien Kraft tanken für die heiße Phase des Wahlkampfs. In den letzten vier Wochen vor der Wahl will er dann täglich mit Bürgern ins Gespräch kommen – beginnend um 6 Uhr in der Frühe beim Schichtwechsel vor Industriebetrieben. Er plant unter anderem auch "Info-Strände" in Freibädern und bei Baggerseen. "Wahlkampf ist die geilste Zeit des Jahres, da interessieren sich die Menschen mehr als sonst für Politik", freut er sich.