Lucia Tietze, hier im Kreis der Furien, hatte unbestritten die Hauptrolle – schon allein wegen ihres ausgezeichneten Gesangs. Foto: Baublies Foto: Lahrer Zeitung

Der Hades gewinnt bei "Orpheus reloaded" des Clara-Schumann-Gymnasiums erotischen Charme

Von Endrik Baublies

Lahr. Der Orpheusmythos in der Inszenierung des Clara-Schumann-Gymnasiums (CSG) hat am Freitagabend in der Stadthalle ein modernes Gewand getragen. Der Sänger reiste zu seiner toten Eurydike durch mehrere Jahrhunderte Musikgeschichte.

Philemon Ragnit sang und spielte den Sänger Orpheus im ersten Teil, Elias Kündiger im zweiten Teil. Beide Akteure wollen, wie es der Stoff vorgibt, die geliebte Eurydike (Lucia Tietze) mit der Kraft ihres Gesangs aus dem Hades, dem griechischen Totenreich, ins Leben zurückholen. Orpheus hat die Furien betört und ist in der Inszenierung des CSG wohlbehalten im Untergeschoss des Bahnsteigs angekommen.

Da nimmt die Handlung, die bisher träge dahin getrieben ist, plötzlich Fahrt auf. Charon, der Fährmann ins Totenreich, muss jetzt schnell unvorhergesehene Klippen umschiffen. Groß ist die Überraschung, als Regisseurin Ev Tschentschel einem möglichen Happy End abrupt ein Ende bereitet. "Das geht so nicht weiter", entrüstet sich die Regisseurin und springt mit einen schnellen Satz auf die Bühne. Die Tragödie war da gerade an dem Punkt angekommen, wo Orpheus sich auf dem Weg zurück in die Oberwelt nicht umsehen darf und Eurydike, die das nicht versteht, zurückbleiben würde.

"Eurydike sollte eine zweite Chance haben", befand die Regisseurin, die hier als Darstellerin das Rad zurück dreht. Schließlich sei die Station Hades im Untergeschoss so schlecht nicht. Es gibt Reisende, Gäste, einen Döner-Imbiss und eine möglicherweise immerwährende Party. "Was wäre denn, wenn es Eurydike in dieser Hölle gefällt?"

Das tat es ihr in der Inszenierung offensichtlich. Tietze, die zuvor bei den klassischen Gesangspartien brilliert hatte, entwickelte sich mittels Stola und überlanger Zigarettenspitze in eine fürchterliche "Femme fatale". Mit ihrer stimmlichen Präsenz hatte die 18-jährige Abiturientin den Reigen der Furien im Nu auf ihrer Seite. Die Tänzerinnen verwandelten mit Eurydike den Gassenhauer des Theo Mackeben "Nur nicht aus Liebe weinen" in eine berauschende und hier gewollt betörende Arie.

Lucia Tietze hatte unbestritten die Hauptrolle, schon allein wegen ihres ausgezeichneten Gesangs. Dennoch drängte sie trotz ihrer Präsenz niemanden zur Seite. Nach dem Cabaret-Glamour blieb nur noch eine Steigerung übrig: Offenbachs "Choeur Infernal" und der "Galop Infernal" als fulminanter Schlusspunkt. Da hatten die Balletttänzerinnen ihren letzten großartigen Auftritt.

Der Schulchor, das Orchester (hier geleitet von Christian Wenzel), das Ballett und alle Akteure hinter der Bühne haben ein gelungenes Gesamtbild geschaffen. "Wer wird denn weinen, wenn man auseinander geht?" sang Eurydike in Offenbachs Vertonung. "Niemand", dürfte das Publikum, dem sehr reichen Applaus nach zu urteilen, gedacht haben. Man hätte sich eine zweite Aufführung gewünscht.