Johannes Fechner (Mitte) im Gespräch mit den Redakteuren Stefan Maier (links) und Jörg Braun Foto: Achnitz

Bundestagswahl: SPD-Abgeordneter übt Kritik an der Bundeskanzlerin und plädiert für eine Koalition mit den Grünen

Lahr. Vor vier Jahren ist Johannes Fechner über die Landesliste der SPD der Einzug in den Bundestag gelungen. Der 44-Jährige, der wieder antritt, sieht das Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels näherkommen, wie er im Redaktionsgespräch mit der "Lahrer Zeitung" erläuterte.

Herr Fechner, Ihr CDU-Bundestagskollege Peter Weiß ist über den SPD-Aufschwung bei den Wahlumfragen nicht so glücklich, sagte er uns diese Woche. Wie geht es Ihnen da?

Wir freuen uns natürlich sehr. Wenn das in den Umfragen so weitergeht und die SPD jede Woche fünf Prozent zulegt, gibt es eine mathematische Sensation und wir holen 165 Prozent bei der Bundestagswahl (lacht).

Uiuiui!

Nein, ganz im Ernst: Wir bleiben auf dem Teppich. Den Schwung nehmen wir jetzt mit. Aber das kann sich auch mal wieder drehen. Ich glaube, es hängt auch damit zusammen, dass bei Frau Merkel die Luft ein Stück weit draußen ist und es eine ähnliche Stimmung gibt wie in der Endphase von Helmut Kohl. Frau Merkel hat viel für unser Land getan, aber nach zwölf Jahren wäre es Zeit für einen Wechsel. In der SPD hatten wir lange einen Schwebezustand, wer kandidieren würde. Mit der Personalfrage hängt auch zusammen, wofür die Partei steht. Dieser Schwebezustand ist jetzt beendet, und Martin Schulz hat erste Themen angesprochen, was er besser machen möchte. Das ist einer der Gründe, weshalb die SPD jetzt zulegt.

Was finden Sie an Martin Schulz gut?

Gut ist, dass er Erfahrung als Bürgermeister hat. Das gibt Bodenhaftung, Bodenständigkeit. Er kennt sich in Europa aus, was für viele aktuelle Themen wie die Flüchtlingssituation und die Wirtschaft wichtig ist, da sie nur auf europäischer Ebene gelöst werden können. Dritter Punkt: Frau Merkel hat für mein Gefühl zu viel moderiert und das Amt präsidial gestaltet. Wir brauchen jetzt zupackende Entscheider wie Martin Schulz.

Wie sehen Sie Rot-Rot-Grün als Koalitionsmöglichkeit?

Wollen wir mal abwarten, ob wir die Linken überhaupt brauchen. Mit den Grünen haben wir die meisten Übereinstimmungen, auch wenn sich in Baden-Württemberg ein doch sehr konservativer Grünen-Flügel entwickelt. Ob dann auf Bundesebene die Linken oder die FDP mit uns koalieren, wird man sehen. Ich war, was Rot-Rot-Grün angeht, schon optimistischer. Wenn man sieht, wie die Linken auf die Kandidatur von Frank-Walter Steinmeier als Bundespräsident reagiert haben, irritiert mich das dann doch sehr.

Was wäre Ihnen dann als Partner lieber? FDP oder Linke?

Jetzt schauen wir erst mal, wie es mit den Grünen läuft und welche Bedingungen sich dann in den Koalitionsverhandlungen mit ihnen ergeben.

Unter welchen Bedingungen wäre es denkbar, dass die große Koalition fortgesetzt wird?

Malen Sie den Teufel nicht an die Wand! Das wäre nur der absolute Ausnahmefall. Wir haben zusammen einiges Gutes gemacht, aber die Punkte, auf die wir uns geeinigt haben, sind nun abgearbeitet, das ist erledigt. Mir fehlt die Phantasie, zu erkennen, wie wir mit einer großen Koalition die Zukunft Deutschlands gestalten könnten. Verwalten schon, aber nicht gestalten, bei so wichtigen Themen wie Rentensicherung, Schaffung von Wohnraum, gerechtes Steuersystem. Eine große Koalition stelle ich mir schon deshalb schwierig vor, weil wir es mit zwei ziemlich zerstrittenen Partnern CDU und CSU zu tun haben.

Hat für Sie der Wahlkampf schon begonnen?

Nein, noch schaffen wir was! Bis Ostern liegen noch einige wichtige Gesetze vor uns. Da hätte kein Bürger Verständnis dafür, wenn wir jetzt mit unseren Aufgaben aufhören und Wahlkampf machen würden.

Wann geht’s dann richtig los?

Im Sommer, Juni, Juli. Im Mai werde ich mit den Bürgern schon zuvor mein Wahlprogramm ausarbeiten und festlegen, was den Menschen hier bei uns wichtig ist für die nächsten vier Jahre. Das gebe ich dann in das Wahlprogramm der SPD, das wir Ende Mai beschließen. Wahlkampfauftakt dürfte im Juni sein. In den drei Wochen vor der Wahl am 24. September dürfte es dann wenig Schlaf geben, dann geht es hoch her.

Was sind Ihre Wahlkampfthemen für den Wahlkreis Emmendingen-Lahr?

Da bieten sich die Verkehrsthemen an. Etwa der Ausbau der Autobahn und zuvor der Ausbau der Zusatzfahrbahnen in Lahr, die bis zur Landesgartenschau fertig sein sollen. Dann natürlich der Ausbau der Rheintalbahn. In meiner Rede im Bundestag zu diesem Bahnausbau habe ich gesagt, dass ich meinen 60. Geburtstag in einem Speisewagen der Bahn feiern möchte, der auf neuen Gleisen durch die Ortenau rollt (also in 16 Jahren. Anm. d. Red.)

Und?

Es gibt ein paar Bahnproblemchen, südlich von Freiburg, aber das ist alles machbar. Der Rheintal-Ausbau ist eines der wichtigsten Verkehrsprojekte für uns, das uns die nächsten Jahre beschäftigen wird.

Glauben Sie, dass der Ausbau der Autobahn parallel zum Bahnausbau geschehen kann?

Ja. Zunächst mal für die Planung. Da bin ich optimistisch. Die Planfeststellungsverfahren für die verschiedenen Abschnitte sollen je nach Abschnitten 2019 bis 2021 eingeleitet werden. Dann hoffe ich, dass die Bahn gerade hier bei uns im Abschnitt Meißenheim, Kappel-Grafenhausen und an Friesenheims Baggersee nochmal ordentlich Geld in die Hand nimmt und alles, was noch strittig ist und wo die örtlichen Initiativen zu Recht anmahnen, auch Lärmschutz zu bekommen, gut löst, damit es später keine Klagen gibt. Bei rechtlichen Auseinandersetzungen verzögert sich das Projekt sonst schnell um viele Jahre.

Welche Themen wollen Sie sonst noch im Wahlkampf aufgreifen?

Abseits der drängenden lokalen Themen, etwa der Abschaltung des Kernkraftwerks in Fessenheim, möchte ich drei Themen im Wahlkampf in den Vordergrund stellen, von denen ich glaube, dass sie den Bürgern am meisten unter den Nägeln brennen: soziale Sicherheit, innere Sicherheit und Europa. Viele Menschen machen sich Sorgen. Zum Beispiel um ihre Rente. Oder um die Ausbildung der Kinder. Und um die Krankenversicherung. Dann sorgen sich viele Leute natürlich auch um bezahlbaren Wohnraum. Ein weiteres Thema ist die gefühlte Sicherheit. Da gibt es viele Bedenken bei den Bürgern, die muss man ernst nehmen, gerade auch in unserer Region, nach den Morden hier in Südbaden umso mehr. Da muss die Politik Antworten geben und erklären, wie sie reagieren will. Beispielsweise bei der Frage, ob sie der Polizei mehr Möglichkeiten an die Hand geben will, DNA-Spuren auszuwerten – oder dass wir mehr finanzielle Förderung für Einbruchsschutz geben wollen, damit die Zahl der Wohnungseinbrüche abnimmt. Mieter und Vermieter sollen sich die hochwertige Schutztechnik leisten können.

Was schätzen Sie: Werden Sie dem nächsten Bundestag über die Landesliste der SPD wieder angehören? Die Liste wird ja erst im März festgelegt.

Oh, da schlafe ich sehr ruhig. Ich bin sicher, mein Einsatz in den vergangenen Jahren wird honoriert.  

Fragen von Jörg Braun und Stefan Maier