Beim Projekt "Babybedenkzeit" bekommen Schülerinnen für fünf Tage und Nächte eine Säuglingspuppe zur Pflege

Von Christine Breuer

Lahr. Was tun, wenn ein junges Kind die ganze Nacht hindurch schreit? In den Hauswirtschaftlichen Schulen im Mauerfeld können Schülerinnen in dem Projekt "Babybedenkzeit" ausprobieren, was es heißt, einen Säugling versorgen zu müssen. Und das über mehrere Tage und Nächte.

Leicht übernächtigt sitzen Verena Pfisterer aus Münchweier (16), Vanessa Petri aus Schmieheim und Jasmin Hilberer aus Reichenbach (beide 15) im Besprechungszimmer der Hauswirtschaftlichen Schulen. In ihren Armen halten sie Säuglinge, von denen sie über Nacht auf Trab gehalten worden sind. Plötzlich fängt eines der Kleinen an zu quengeln. Vanessa weiß schon, was ihr Kind möchte. Es hat Hunger. Schnell zieht sie ein Fläschchen aus der Tasche und führt es an den Mund des Babys, das sofort mit genüsslichen Nuckellauten reagiert.

Die Situation ist einerseits echt, andererseits aber auch wieder nicht. Die Schülerinnen sind real, die Kinder aber sind Säuglingspuppen, die computergesteuert die Bedürfnisse echter Säuglinge nachahmen.

Sarina Gottschling (15) aus Lahr, Stessi Vizitiu ebenfalls aus Lahr und Julia Waschpusch aus Ottenheim (beide 16), haben die Testphase schon hinter sich. "Vor allem nachts ist es anstrengend. Dann denkst du ›bitte nicht jetzt‹, aber du musst füttern oder Windeln wechseln." Vor allem das Kind wiegend zu beruhigen dauere manchmal lange. Auch das Füttern und das Bäuerchen machen kostet Zeit. Und wenn man endlich selbst wieder ins Bett gehen könne, sei das toll. Es sei denn, das Kinder fängt kurz darauf wieder an zu schreien. Sarina hat deswegen am Freitag in der Schule gefehlt.

Trotzdem: "Ich habe richtige Muttergefühle entwickelt", erzählt Julia. Stessi und Sarina können das nur bestätigen. Sie haben eine ganz neue und wichtige Erfahrung gemacht: "Auf einmal hast du Verantwortung." Bisher habe sich ihr Leben nur um sie selbst gedreht.

Nicht alle Lehrkräfte sind von dem Projekt begeistert. "Unsere Lehrerin hat die Puppen in eine Abstellkammer gebracht", erzählen die Mädchen. Andere wiederum hätten die "Kinder" sogar selbst auf den Arm genommen.

Auch im Umfeld sind sie auf unterschiedliche Reaktionen gestoßen. "Einer hat mich ausgelacht, weil ich mit einer Puppe unterwegs war", erzählt Julia. Beim Orthopäden dagegen hätten die Sprechstundenhilfen und Patienten sehr positiv und neugierig reagiert. Die Eltern hätten unterschiedliche Meinungen gehabt. "Als ich dann aber nachts aufgestanden bin, um das Baby zu versorgen, hat mir meine Mutter immer geholfen", sagt Stessi.

Fünf Tage waren sie für ihre Kinder verantwortlich. "Als wir sie abgeben mussten, haben wir geweint", gestehen die Mädchen. Und sie prophezeien schon jetzt den derzeitigen "Müttern": "Ihr werdet sie vermissen."

Das Projekt Babybedenkzeit ist in Trägerschaft der Caritas Lahr, die zwei eigene Puppen hat und sich bisher zusätzlich welche aus Freiburg ausleihen musste. Dank einer Spende in Höhe von 3500 Euro von der Badischen Beamtenbank können jetzt drei weitere Puppen angeschafft werden.