Nicht nur beim Autofahren sollte man es unterlassen, ein Handy zu benutzen. Foto: Archiv

Fußgänger lassen sich immer mehr vom Smartphone ablenken

Dass es gefährlich ist beim Autofahren das Handy zu benutzen, dürfte mittlerweile bekannt sein. Auch Radfahrer oder Fußgänger lassen sich immer mehr vom Smartphone ablenken. Wir haben zwei Polizeibeamte auf einer Fußstreife begleitet.

Lahr. Mathias Reitter (35) und Pia Kammerer (23) gehen durch die Innenstadt. Es ist kurz nach 11 Uhr. Die beiden Polizeikommissare des Polizeireviers wollen über den Urteilsplatz, die Marktstraße bis zur B  415, zum Doler Platz und durch die Marktstraße zurück zum Revier. Ihr Ziel: Fußgänger und Radfahrer anzusprechen, die mit dem Handy beschäftigt und möglicherweise noch mit Stöpseln in den Ohren unterwegs sind, um sie auf die Gefahren hinzuweisen. Präventiv also.

"Die meisten Anzeigen, die wir vorlegen, stammen aus Kontrollstellen, wo wir ganz gezielt Auto- und Radfahrer mit Handy am Ohr anhalten", sagt Reitter. Für Fußgänger, erklärt der Beamte weiter, gibt es bislang keine Sanktionen. Es sei denn, es werde ein Unfall verursacht. Dann könne eine Sorgfaltspflichtverletzung zugrunde gelegt werden, die mit 35 Euro zu Buche schlägt. "Das gilt auch oder vor allem für Handynutzer auf Skateboards und Inlinern, die mit Radfahrern oder Fußgängern zusammenstoßen", so Reitter weiter. Skater und Inliner treffen die beiden Beamten an diesem Vormittag nicht. Dafür als Erstes eine Mutter mit Kind, die auf ihren Rädern durch die Fußgängerzone fahren. Die beiden werden freundlich auf das Fahrverbot hingewiesen und aufgefordert, die Räder zu schieben. Die beiden haben zwar nicht in der Zielgruppe der Fußstreife gelegen, aber wegschauen gibt es für die Beamten nicht.

Offenes Ohr für Probleme des Alltags

Ein schwäbisches Ehepaar, das die Stadt auf dem Rad erkundet, weiß sofort, warum es angehalten wird. Die Fahrtrichtung auf dem Radweg stimmt nicht. "Ist die Halterung am Lenker fürs Handy?", fragt Reitter. Das sei fürs Navi, klärt der Radfahrer auf. Angesteckt hat er es allerdings nicht. Gleich mehrere Fußgänger werden von den Polizisten beim Schreiben von Nachrichten und beim Wählen von Nummern auf dem Smartphone "erwischt". Die Argumente für die Nutzung des Handys als Fußgänger sind vielseitig und fantasiereich. Die eine wollte gerade ihren Freund anrufen, mit dem sie derzeit Stress hat. Mathias Reitter muss sich die ganze Geschichte anhören, die junge Frau mit Kind schüttet ihm ihr Herz aus. "Das gibt es immer wieder", sagt er. Polizisten seien immer auch Ansprechpartner und hätten ein offenes Ohr für Probleme des Alltags.

Bianca Dienert, die zu Fuß unterwegs ist, gibt zu, gerade etwas abgelenkt gewesen zu sein. Sie habe eine Freundin anrufen und ihr zum Geburtstag gratulieren wollen. Aber, betont sie, sie habe langsam gemacht und sei am Rand stehen geblieben, um niemanden anzurempeln. Für Fußgänger in der Fußgängerzone sehe sie eine Sanktion nicht als erforderlich an. An Straßen sei das etwas anderes. Und die Handynutzung auf dem Fahrrad "geht gar nicht", sagt sie.

Florian Herrmann aus Schwanau schiebt mit einer Hand seinen Filius im Kinderwagen durch die Lahrer Marktstraße, in der anderen hält er ein Smartphone und tippt einhändig eine Nachricht. Schuldbewusst ist er nicht. Er sei "ein Poweruser mit einer gewissen Sensorik", erklärt er den Beamten. Beim Gang durch die Stadt nutze er die Zeit, um Nachrichten zu lesen oder zu verschicken. "Ich glaube schon, dass die Aufmerksamkeit dabei nicht so groß ist", gibt er zu. Aber wenn er zügig unterwegs sei, lasse er das Handy auch in der Tasche.

Direkt vor dem Revier erleben die beiden Beamten genau das, was sie den Fußgängern erklärt haben: Eine Passantin kommt ihnen entgegen, den Blick starr auf das Display des Telefons gerichtet und eine Nachricht schreibend. Fast wäre sie gegen einen Laternenpfahl gelaufen. Als die Beamten sie ansprechen, scheint sie aus einer anderen Welt aufzutauchen. Dass das Handy vom Umfeld ablenkt, gibt sie zu. Aber eine Sanktion für Fußgänger hält sie für völlig übertrieben. Im Auto sei sie schon einmal erwischt worden. Da sehe sie eine Strafe auch ein. Beim Überqueren von Straßen schaue sie immer hoch, sagt sie, geht über die Straße und senkt, kurz vor dem Gehweg wieder den Blick aufs Display.

INFO

1193 Verstöße

> Im ersten Halbjahr 2017 haben die Beamten des Polizeireviers Lahr 1193 Verstöße festgestellt. Das Benutzen von Handys im Straßenverkehr liegt mit 335 Fällen an Platz zwei hinter nicht angelegten Gurten bei Erwachsenen und Kindern, die mit 702 Verstößen an der Spitze liegen. 17 Mal wurden Motorrad- und Rollerfahrer ohne Helm erwischt.

> Wer mit dem Handy am Ohr im Auto erwischt wird, wird mit einem Punkt und 60 Euro zur Kasse gebeten. Telefonieren oder Whatsapp schreiben auf dem Fahrrad wird mit 25 Euro geahndet.

> Mit der neuen Verkehrssicherheitskampagne "Finger weg!" will der Automobilclub ACE heute von 10.30 bis 11.30 Uhr Fußgänger auf die Gefahr durch Ablenkung im Straßenverkehr aufmerksam machen. Am Doler Platz und in der Innenstadt wird das Verhalten von Fußgängern an Ampeln, Zebrastreifen, an Haltestellen und in Einkaufsstraßen geprüft.