Seit Montag hat das Schuhhaus Seibel in der Marktstraße 12 geschlossen. Foto: Schabel

Geschäftsleben: Zahl der Leerstände in der Innenstadt steigt / Miethöhe als Problem

Vor 20 Jahren hat es mehr als 370 Geschäfte in Lahr gegeben, zurzeit sind es noch knapp 270, wie das neue Lahrer Einzelhandelskonzept aufzeigt. Eine Entwicklung, die im Straßenbild nicht zu übersehen ist.

Lahr. Der jüngste Leerstand ist am Montag dazugekommen. Anfang der Woche ist das Schaufenster der Josef-Seibel-Filiale in der Marktstraße 12 mit Plakaten zugeklebt worden, auf denen "zu vermieten" und die Telefonnummer eines Freiburger Maklers zu lesen sind. Nach einem Räumungsverkauf hatte das Schuhgeschäft am Samstag zum letzten Mal geöffnet. Als Grund für die Geschäftsschließung nennt die Josef-Seibel-Gruppe mit Sitz im pfälzischen Hauenstein in einer Mitteilung den Trend zum Online-Einkauf, speziell die Konkurrenz großer Versandhändler wie Zalando oder Amazon. Alle Mitarbeiter der Lahrer Filiale hätten neue Arbeitsplätze gefunden, teilt das Unternehmen mit.

Verwaiste Einkaufsflächen im Osten der Altstadt

Auch nach dem Aus des Schuhgeschäfts Seibel tun sich in der Marktstraße, der 1a-Lage für Einzelhandel in Lahr, kaum Lücken auf. Auf dem Schlossplatz und dem Sonnenplatz sind die Reihen der Geschäfte ebenfalls geschlossen. Doch schlendert der Passant von der Marktstraße in die Obststraße, wird er nach ein paar Metern von leeren Schaufenstern eines früheren Shisha-Ladens und eines ehemaligen Sportgeschäfts begrüßt. Wenige Schritte weiter in der Vogtstorstraße und der Schlosserstraße sind ebenfalls Ladenflächen zu vermieten.

Im Frühjahr 2016 hat das Büro Acocella die leeren Geschäfte in der Innenstadt zwischen der B 415, der Gärtnerstraße, der Oberen Bergstraße und der Goethestraße gezählt. Ergebnis: In dem Bereich standen 29 Läden leer. Mittlerweile sind es sicher mehr als 30.

Die leeren Flächen finden sich vor allem im Osten der Altstadt, der Lahrer 1b-Lage, in der keine "Magnetbetriebe" wie H & M oder der Drogeriemarkt Müller zu finden sind. Der Bereich ist durch kleine, verwinkelte Gassen geprägt – keine guten Voraussetzungen für stark frequentierte Einkaufspassagen. "In der östlichen Altstadt nimmt die Kundenfrequenz ab. Es ist schwierig, dort dauerhaft Einzelhandel zu etablieren", räumt Stefan Löhr ein, stellvertretender Leiter des Stadtplanungsamts. OB Wolfgang G. Müller betont, dass die Stadt die Rahmenbedingungen setze, aber nicht verantwortlich sei, wenn einzelne Immobilien sich nicht als Verkaufsstandort eignen.

"Die Leerstände in der Stadt sind noch kein großes Problem, aber es ist eine Tendenz erkennbar, gegen die wir rechtzeitig ansteuern wollen", stellt Tilman Petters fest. Vor allem aufseiten der Immobilienbesitzer wünscht sich der Bürgermeister die Bereitschaft zum Umdenken. Nur ungefähr jedem fünften Altstadthändler gehört nämlich die Ladenfläche, auf der er seine Waren anbietet; die anderen müssen zum Teil gepfefferte Mieten zahlen.

"Die Monatsmieten für Läden in der Innenstadt betragen zwischen 2000 und 3500 Euro", so Petters. "Diese Summe müssen die Händler an einer anderen Stelle einsparen, etwa bei der Gestaltung des Schaufensters oder der Ladeneinrichtung. Darunter leidet dann das Einkaufserlebnis für den Kunden." Auf höhere Einnahmen zu verzichten sei für Immobilienbesitzer besser, als Geschäfte auf Dauer leer stehen zu lassen, ist Petters überzeugt: "Vermieter sollten langfristig denken und sich überlegen, ob sie noch einen Nachmieter finden, wenn der jetzige sich die Miete nicht mehr leisten kann."

Städtebauliche Anreize fürs Einkaufen schaffen

Die Verfasser des neuen Einzelhandelskonzepts machen aber auch die Ladenbetreiber selbst für einen Teil der Probleme verantwortlich: "Einige Einzelhandels-, aber auch Dienstleistungsbetriebe weisen eine schlechte Warenpräsentation und zum Teil auffällige Werbeanlagen auf, die das Erscheinungsbild der Einkaufsstraßen negativ beeinflussen."

Gegenmaßnahmen zur Vermeidung von Leerständen? Petters appelliert an die Händler, sich an Aktionen der Werbegemeinschaft zu beteiligen und so zu einer attraktiven Innenstadt beizutragen. Außerdem verweist er auf das Einzelhandelskonzept, das die Stadt in Auftrag gegeben hat.

Die Macher des Gutachtens geben der Verwaltung die Aufgabe mit, städtebauliche Anreize für eine attraktivere Innenstadt zu setzen, etwa durch eine bessere Ausschilderung von Parkplätzen. Vor allem aber sollten die Zugänge zur City besser erkennbar sein. Weitere Forderungen, die im Konzept erhoben werden, sind die Modernisierung des Marktplatzes und die Neuplanung des Postareals. Vorschläge, die bei der Verwaltung auf offene Ohren stoßen. Beim Postareal ist die Stadt laut Müller in Gesprächen mit Volksbank und Sparkasse, die den Komplex in Eigentümergesellschaft besitzen.

Die Probleme der Händler werden indes nicht geringer: 35 Prozent der für das Einzelhandelskonzept befragten Ladenbetreiber haben einen Umsatzrückgang angegeben, der bei den meisten bis zu minus 15 Prozent betrug.

Kommentar von Herbert Schabel

Kunden schlendern an leeren Schaufensterpassagen vorbei oder bleiben der Innenstadt gänzlich fern. Die Verbraucher müssen immer längere Wege in Kauf nehmen, um ihre Waren für den täglichen Bedarf zu erstehen. Verbliebene Einzelhändler beklagen sinkende Umsätze und ein zunehmend unattraktives Geschäftsumfeld. Letztlich verödet die Innenstadt. – Dieses Szenario ist für Lahr noch lange nicht Realität, aber auch nicht völlig utopisch. Allein in den vergangenen acht Jahren haben in der Stadt rund 80 Geschäfte dichtgemacht, und es ist keineswegs sicher, dass der Tiefpunkt dieser Entwicklung bereits erreicht ist. Doch gegen den grassierenden Laden-Leerstand mit zugeklebten Schaufenstern und verrammelten Türen können wir alle durch unser Konsumverhalten etwas tun. Der Schreiber dieser Zeilen hat im Dezember das erste Mal seit Jahren die kompletten Weihnachtseinkäufe nicht im Internet, sondern in der Lahrer Innenstadt erledigt und dabei hübsche sowie nützliche Gegenstände gefunden, die bei der Verwandtschaft sehr gut angekommen sind. Es wäre schön, wenn es diese Auswahl auch in Zukunft vor Ort geben würde.

Kunden schlendern an leeren Schaufensterpassagen vorbei oder bleiben der Innenstadt gänzlich fern. Die Verbraucher müssen immer längere Wege in Kauf nehmen, um ihre Waren für den täglichen Bedarf zu erstehen. Verbliebene Einzelhändler beklagen sinkende Umsätze und ein zunehmend unattraktives Geschäftsumfeld. Letztlich verödet die Innenstadt. – Dieses Szenario ist für Lahr noch lange nicht Realität, aber auch nicht völlig utopisch. Allein in den vergangenen acht Jahren haben in der Stadt rund 80 Geschäfte dichtgemacht, und es ist keineswegs sicher, dass der Tiefpunkt dieser Entwicklung bereits erreicht ist. Doch gegen den grassierenden Laden-Leerstand mit zugeklebten Schaufenstern und verrammelten Türen können wir alle durch unser Konsumverhalten etwas tun. Der Schreiber dieser Zeilen hat im Dezember das erste Mal seit Jahren die kompletten Weihnachtseinkäufe nicht im Internet, sondern in der Lahrer Innenstadt erledigt und dabei hübsche sowie nützliche Gegenstände gefunden, die bei der Verwandtschaft sehr gut angekommen sind. Es wäre schön, wenn es diese Auswahl auch in Zukunft vor Ort geben würde.