Zu welchem Preis wird der Komplex des Reichswaisenhauses an den Investor Bauwert verkauft? Und wie dicht will dieser seine 150 neuen Wohnungen ins Areal am Altenberg bauen? Das sollen weitere Gespräche klären, die die Stadt jetzt angeregt hat.                                                                                                   Foto: Schabel

Altenberg: Stadt setzt auf weitere Verhandlungen zwischen Investor und Verein

Der Wahlkampf für das umstrittene Bauvorhaben am Altenberg hat begonnen. Sechs Wochen vor dem Bürgerentscheid kommt Bewegung in das Projekt. Investor und Reichswaisenhaus-Verein sollen nochmal verhandeln, rät die Stadt.

Lahr. Am 26. März stimmen die wahlberechtigten Bürger der Stadt bei einem Bürgerentscheid über das Großprojekt am Altenberg ab. Die Gebäude des Reichswaisenhauses sollen saniert und auf umliegenden Grundstücken Wohnhäuser mit 150 Wohnungen gebaut werden. Das finden Stadtverwaltung, Gemeinderat und der Verein des Reichswaisenhauses gut, eine Bürgerinitiative hingegen nicht. Sie hat rund 4000 Unterschriften gesammelt und damit den Bürgerentscheid über das Projekt erzwungen.

Nun kommt Bewegung in die Angelegenheit. Wie die Stadtverwaltung bei einem Pressegespräch informierte, regt sie weitere Gespräche an, um Druck aus der hitziger werdenden Debatte zu nehmen. Der Investor, die Baden-Badener Firma Bauwert, solle prüfen, ob vielleicht auch etwas weniger dicht und hoch gebaut werden könnte, sagt OB Müller. Möglicherweise könnte doch "etwas weniger gebaut werden". Im Gegenzug könnte der Verein Reichswaisenhaus beim Verkaufspreis für die historischen Gebäude dem Bauherrn etwas entgegenkommen, sprich: den Preis senken, um den Handel auch für diesen interessant zu halten, regt die Stadt an. Mit Investor Uwe Birk und dem Verein will Müller die nächsten Tage persönliche Gespräche führen, um die Lage auszuloten.

Ob die beiden Seiten bei diesem Vorschlag mitspielen? Müller hofft auf "Flexibilität der beiden Partner", wie er sagt. Der "kommunale Friede" sei ihm wichtig. Schließlich müsse es nach dem Bürgerentscheid in Lahr ja weitergehen. Deshalb sei ein "einvernehmliches Miteinander" anzustreben. Klar sei aber, dass es vor dem Bürgerentscheid keine neuen Verträge oder eine fertige Alternativplanung geben werde, höchstens beiderseitige Absichtserklärungen zum Projekt.

Die Stadt hätte gern vor der Abstimmung auch klar geregelt, wohin der Erlös aus dem Reichswaisenhaus-Verkauf fließen soll. In caritative Aufgaben? In eine neue Stiftung? In eine andere Stiftung? Das sei alles noch nicht klar, wäre aber für die grundsätzliche Entscheidung in diesem aufkeimenden Wahlkampf wichtig, findet OB Müller.

Auch will die Stadtverwaltung deutlich machen, dass nach ihrer Einschätzung eine Bebauung dieses Areals über kurz oder lang ziemlich sicher kommen wird. Wenn nicht jetzt, mit den heutigen Plänen, dann in einigen Jahren, wenn die Dreijahres-Frist nach dem Bürgerentscheid abgelaufen sei und der Druck auf dem Lahrer Wohnungsmarkt voraussichtlich noch größer sein dürfte. Vom Freiburger Regierungspräsidium gebe es die klare Ansage, dass weitere Baugebiete nicht in Außenbereichen genehmigt würden, so lange noch innerstädtischer Grund und Boden zur Verfügung stehe, wie eben am Altvater, erklärt Baubürgermeister Tilman Petters. Sollte der Bürgerentscheid die heutigen Pläne kippen, gebe es drei Jahre Stillstand und weitere Jahre erneuter Planung. Die Anwohner hätten dann zwar Zeit gewonnen, mehr aber auch nicht. "Früher oder später haben wir diese Debatte wieder", ist sich Müller sicher.

Die Bürgerinitiative Altenberg erhöht nun den öffentlichen Druck gegen das Vorhaben. Mit Plakaten und online soll die Bürgerschaft davon überzeugt werden, am 26. März gegen das Projekt zu stimmen.

Und wie geht die Wahl aus? "Da ist alles drin", schätzt OB Müller vorsichtig. Das Thema könnte für einigen Wind in der Stadt sorgen, ahnt er. Von daher nehme man die Sache nicht auf die leichte Schulter, sondern wolle die Bürger von den Argumenten der Stadt überzeugen. Ob dies klappe, bleibe abzuwarten.

 INFO

Hintergründ zum Bauprojekt rund um das Reichswaisenhaus

> Die Bodenpreise: Das geplante Areal für die neue Wohnbebauung liegt in einem Bereich gehobener Grundstückspreise. Nach Auskunft der Stadtverwaltung bezahlt man für einen Qua-dratmeter Boden dort aktuell zwischen 165 und 210 Euro. Tendenz: weiter steigend, wie überall in der Ortenau. Noch teurer wohnt man am Schutterlindenberg. Dort liegen die Grundstückspreise derzeit zwischen 180 und 190 Euro pro Quadratmeter. In Kuhbach und Reichenbach, ebenfalls bevorzugte Wohnlagen, zwischen 115 und 190 Euro pro Quadratmeter.

> Die Nachfrage: Für das Top-Wohngebiet ist derzeit nur ein Investor noch im Rennen, die Firma Bauwert von Uwe Birk aus Baden-Baden. Sie will an diesem Standort in Lahr schätzungsweise 50 bis 60 Millionen Euro verbauen. Andere Interessenten für das Bauland und den Reichswaisenhaus-Komplex gebe es derzeit nicht, erklärte OB Wolfgang G. Müller auf Nachfrage unserer Redaktion. Ein zweiter interessierter Geldgeber sei abgesprungen. Doch grundsätzlich sei das Areal langfristig sicher auch für andere Bauherren interessant, sollte es dieses Mal nicht klappen, schätzt die Stadt.

> Die Abstimmung: Am Zeitplan für die grundsätzliche Abstimmung über dieses Mega-Vorhaben wird nicht gerüttelt. Das geht rechtlich auch gar nicht. Der Bürgerentscheid findet trotz weiterer Verhandlungen zwischen Bauwert und dem Reichswaisenhaus-Verein am Sonntag, 26. März, statt. Zuvor, am Freitag, 10. März, organisiert die Stadtverwaltung einen weiteren Termin zur Bürgerbeteiligung, bei dem nochmals alle offenen Fragen diskutiert werden sollen. Einen genauen Plan für den Ablauf dieses Abends will die Stadt noch vorsteellen, hieß es am Montag.

> Die entscheidende Frage: Lahrs Bürger sollen beim Altvater-Entscheid folgende Frage beantworten: „Sind Sie dafür, dass der Beschluss des Gemeinderats vom 25. Juli 2016 zur Aufstellung des Bebauungsplans Altenberg (1. Änderung des Bebauungsplanes Altenberg) aufgehoben wird?“ Wer mit Ja stimmt, kippt das Bauvorhaben am Altvater. Wer Nein ankreuzt, stimmt den Bauplänen zu. Mindestens 20 Prozent der Wahlbürger müßten mit Ja stimmen, um die Pläne zu stoppen. Dieses sogenannte Quorum entspricht aktuell etwa 7000 Stimmen. (jöb)

 

Kommentar von Jörg Braun

OB wird nervös

Der Wahlkampf um den Altenberg und dessen geplante Bebauung mit 150 neuen Wohnungen gewinnt an Fahrt. Die Gegner dieses Großprojektes kündigen bis zur Abstimmung am 26. März ein lautes Trommeln an. Sie  wollen sich mit aller medialen Macht gegen das Bauprojekt stemmen und dem Investor und der Stadtverwaltung Dampf machen. Das sorgt nun auch im Rathaus für zunehmende Nervosität. Ganz so auf die leichte Schulter wollen OB Müller und sein Team den Bürgerentscheid nicht nehmen, wird deutlich. Denn die rechtlichen Hürden für derlei Volksabstimmungen wurden landesweit gesenkt und so manches Projekt andernorts von  aufgebrachten Bürgern gekippt. Das könnte auch in Lahr am Altenberg passieren, weiß Müller. Er setzt deshalb nun auf Dialog, um Dampf aus dem Kessel zu nehmen und die sich immer mehr erhitzenden Gemüter zu  beruhigen. Investor und Reichswaisenhaus-Verein sollen nochmal miteinander reden, vielleicht etwas weniger eng bauen und auch ein paar Wohnungen für Normalverdiener möglich machen. Alles gute Ideen. Doch ob sie greifen, ist unsicher. Es sind reine Bitten aus dem Rathaus, ohne Garantie auf Erfolg. Spannend wird vielmehr, wie breit der Protest bei den Bürgern Raum greift. Und ob nicht manch’ einer die Altenberg-Entscheidung zur General-Abrechnung für andere Stadt-Themen macht.