An der Schule Kippenheim-Mahlberg wird es künftig einen Schulsozialarbeiter geben

Vor einigen Jahren noch ein Makel, heute ein Qualitätsmerkmal: Schulsozialarbeit. An der Grund- und Werkrealschule Kippenheim-Mahlberg wird das Angebot ab kommendem Schuljahr eingeführt. Tenor im Gemeinderat: "Traurig, aber unumgänglich."

Kippenheim. Die Ausführungen von Stefan Kaltenbach als Hilfeschrei zu interpretieren, ginge wohl zu weit. Doch ließ der Kippenheimer Rektor das Gremium am Montagabend wissen: "Die Lehrer sind mit den Problemen der Kinder und Jugendlichen fachlich und zeitlich immer öfter überfordert." Von Schulverweigerer über Mobber bis Mobbing-Opfer: Was vor Jahren noch Einzelfälle gewesen seien, entwickle sich mehr und mehr zum Alltag, nicht nur an Brennpunkt-Schulen: "Der Wandel in Gesellschaft und Familie wird immer tiefer in die Schule getragen."

Eine problematische Entwicklung, die auch der Gemeinde nicht verborgen geblieben ist. 10 000 Euro hat sie in den Haushalt eingestellt. So viel Geld müssten Kippenheim und Mahlberg jeweils in die Hand nehmen, um ein entsprechendes Angebot zu finanzieren. Insgesamt, so die Rechnung, soll die angedachte 75-Prozent-Stelle jährlich mit rund 45 000 Euro zu Buche schlagen. Land und Landkreis schießen den Rest, also insgesamt 25 000 Euro zu. Wie lange diese Förderzusage gelte, vermochten weder Schulleiter noch Bürgermeister Matthias Gutbrod zu sagen. Der Rathauschef: "Die Unterstützung soll sich Stand heute über einen längeren Zeit erstrecken. Was aber in drei, vier Jahren ist, wenn sich die Finanzsituation möglicherweise geändert hat, kann niemand mit Sicherheit sagen." Immerhin: Im Vertrag mit der Awo, mit der man die Schulsozialarbeit an den Schulstandorten Kippenheim, Mahlberg und Schmieheim umsetzen will, ist ein jährliches Kündigungsrecht verankert.

Dass man davon jedoch Gebrauch machen wird, ist sehr unwahrscheinlich. Zu große Bedeutung hat diese Arbeit mittlerweile erlangt, wie die Gemeinderäte durch die Bank feststellten. Wenn auch mit einem Kopfschütteln. So findet es Julian Siefert "erschreckend, dass wir nun auch im ländlichen Raum einen Schulsozialarbeiter brauchen". Die Zeit, in der speziell ausgebildete "Krisenhelfer" nur an Problemschulen der großen Städte zu finden waren, sind vorbei, stellte auch Günter Ackermann fest: "Es ist traurig, aber wir kommen nicht drum herum." Es gelte mehr denn je, "negative Strömungen frühzeitig zu erkennen und gezielt gegenzusteuern".

Das sieht auch Rektor Kaltenbach so: "Schulsozialarbeit geht bei Klasse eins los und hat auch einen wichtigen präventiven Ansatz." Handeln bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist – ein Stichwort, das Markus Studer auf den Plan rief. Er könne und wolle nicht einsehen, "warum wir finanziell in die Bresche springen sollen, wenn in der Gesellschaft generell etwas schief läuft". Seiner Meinung nach sei "da der Staat gefordert, nicht die Gemeinde".

Konsequenterweise stimmte Studer gegen die Einführung der Schulsozialarbeit. Der Rest des Gremiums gab grünes Licht. Nun soll die Awo möglichst schnell die Stelle ausschreiben. Ob sie aber zu Beginn des Schuljahres besetzt ist, ist fraglich, wie Kaltenbach und Gutbrod einräumten. Der Markt sei dünn gesät, qualifiziertes Personal sehr begehrt.

INFO

Das steckt dahinter

> Definition: Unter Jugendsozialarbeit an Schulen – oder kurz: Schulsozialarbeit – definiert das baden-württembergische Sozialministerium "die ganzheitliche, lebensweltbezogene und lebenslagenorientierte Förderung und Hilfe für Schüler im Zusammenwirken mit der Schule". Die Schulsozialarbeit leiste eine "wertvolle Unterstützung ergänzend zum Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule" und habe positive Auswirkungen auf das Schulleben insgesamt.

> Ziele:  Schulsozialarbeit ist ein Angebot der Jugendhilfe an der Schule, die auch Eltern erreichen und einbinden soll, um soziale Benachteiligungen auszugleichen und individuelle Problemlagen besser zu bewältigen. Auf diese Weise, so das Ministerium, könne zur Stabilisierung des Schulerfolgs, zur Eingliederung in die Arbeitswelt und zur gesellschaftlichen Integration beigetragen werden.