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Filialen werden kaum noch gebraucht. VR Kinzigtal strukturiert ab Juli um. Mit Kommentar

Wolfach /Haslach/Hausach/Gutach - Passend zum kalendarischen Frühlingsanfang hat die Volksbank (VR) Kinzigtal am Montagvormittag ihre künftige Filialstruktur vorgestellt. Noch vor der kommenden Fusion mit der VR-Bank Triberg wird sich das Filialnetz verändern.

"Wir wollen auf Dauer Frühling haben", eröffnet der Vorstandssprecher Martin Heinzmann das Pressegespräch in der VR-Zentrale in Wolfach. Auch wenn die Bank ihr Filialnetz umstrukturieren wird, solle dies nicht zulasten der Kunden geschehen.

Von den bisher elf Filialen werden fortan fünf Standorte als Voll-Service und zwei als Basis-Service betrieben. Die restlichen fünf Filialen werden in sogenannte Selbstbedienungs(SB)-Stellen umgewandelt. Dies teilten Heinzmann und seine Kollegen Vorstandsmitglied Oliver Broghammer und Axel Moosmann, Bereichsleiter Privatkundenbank, mit.

Drei Kategorien

Der Aufsichtsrat der VR-Bank Kinzigtal hatte dem Konzept bereits im Dezember 2016 final zugestimmt. Obwohl die Institution durch das neue Modell langfristig einsparen möchte, kann sie dank der neuen drei Servicekategorien Schließungen und Mitarbeiterentlassungen vermeiden.

Während die Kunden in Haslach, Hausach, Wolfach, Schiltach und Alpirsbach weiterhin in den Genuss des Voll-Service-Angebots kommen, werden den Fischerbachern, Gutachern, Schenkenzellern, Rötenbergern und Peterzellern SB-Stellen mit jeweils drei Geräten ohne persönlichen Ansprechpartner zur Verfügung gestellt.

Fünf von elf Filialen bleiben demnach. Zu diesen Voll-Service-Standorten gehören jeweils ein Briefkasten, Nachttresor, Service Terminal, Konto-Auszugs-Drucker (KAD), Münzrollgerät (MRG), Geldausgabeautomat (GAA) und Cash-Recycler System (CRS). Auch zwei Angestellte werden an den SB-Kassen zu den jeweiligen Öffnungszeiten sitzen und beraten können.

An den SB-Stellen können die VR-Kunden nun ihre Überweisungen und Anliegen via Briefkästen tätigen – insofern sie das nicht elektronisch erledigen möchten. Zudem wird es dort beim Service-Terminal die Möglichkeit geben, Geld abzuheben und sich Bargeld beim sogenannten CRS auszahlen zu lassen und Geld einzuzahlen.

Sonderlösungen hat die VR-Bank für die Steinacher und Oberwolfacher parat: Sie bekommen eine neue Basis-Service Filiale. Das ist ein Mittelding zwischen SB-Stelle und Voll-Service. Sie werden mit einem Briefkasten, Nachttresor, Service-Terminal, Abwurftresor (bei dem Tag und Nacht Geld einbezahlt werden kann) sowie einem CRS ausgestattet. Auch ein Angestellter wird an der SB-Kasse einen Arbeitsplatz haben.

Kundenbedürfnisse

Wie Heinzmann unterstrich, wird die VR-Bank keine Filialen schließen, sondern nur den Service dem Verhalten und den Bedürfnissen der Kunden anpassen. Dieses habe sich in den vergangenen Jahrzehnten erheblich verändert. Wurden früher die Filialen als "Zahlstellen" gegründet, so ist die Anzahl der Kundenbesuche im Zeitalter von Online-Banking und Automaten erheblich zurückgegangen. Und für die automatisierten Vorgänge wird das Personal in den Filialen nicht mehr benötigt.

Den gesamten Oktober des vergangenen Jahrs habe die VR-Bank in ihren Filialen die Kundenströme gezählt, die eine persönliche Beratung am Schalter in Anspruch genommen haben. Das Ergebnis fiel ernüchternd aus: Um die Mittagszeit traten ein bis zwei Kunden ein – oder gar keiner. Auch in den frühen Morgenstunden zwischen 8.30 und 9 Uhr nahmen nur zwei bis vier Personen den Service in Anspruch. Erst am Montagnachmittag zwischen 15 und 16 Uhr herrschte Fluktuation (10,2 Besucher). Der Donnerstag schnitt mit insgesamt 63,5 Kunden pro Tag noch am besten ab. Schlusslicht bildete hingegen der Mittwochvormittag mit 38,1 Besuchern zwischen 8.30 und 12.30 Uhr.

500 Mal in Kontakt

Diese Erkenntnis deckt sich auch mit einer Statistik: Jeder VR-Kunde käme demnach durchschnittlich 500 Mal pro Jahr in Kontakt mit der Bank. Nur ein einziges Mal habe er dabei die Geschäftsstelle aufgesucht, um sich beraten zu lassen. Ansonsten erledige der moderne Nutzer seine Geschäfte online, mobil, telefonisch oder am SB-Terminal.

Natürlich gerate aufgrund der Umwandlung von sieben Filialen in Basis- und SB-Service-Standorte "die Dorfgeschichte" ins Hintertreffen, so Heinzmann. Wo sich früher die Kunden zum Schwätzchen trafen, wird es nun anonymer. Allerdings sieht Heinzmann die VR-Bank auch nicht in der Pflicht, eine solche Plattform zur Verfügung zu stellen.

Jeder Basis- und SB-Standort sei lediglich vier bis fünf Kilometer von einer Voll-Service-Filiale entfernt, hebt Broghammer hervor. In Deutschland müssten die VR-Kunden oft bis zu 20 Kilometer zurücklegen, wenn sie diese Filiale erreichen wollten.

Ersparnis sechsstellig

Die Kostenersparnis des neuen VR-Modells bewegt sich für die Kinzigtäler laut Heinzmann im sechsstelligen Bereich. Allerdings müsse zuerst viel in die neue Technik der Geräte investiert werden, bevor sich das neue Konzept langfristig rechne.

Die VR-Bank wird die Weichen für ihre Kunden stellen: Heute Morgen wurden sie schriftlich über das neue Filialkonzept informiert. Zudem will die Institution auch den "Hemmschwellen" einiger entgegenwirken. Immerhin verfügt die VR-Bank Kinzigtal über 33 000 Kunden. Die VR-Mitarbeiter werden nun gezielt auf die Menschen zugehen, die der neuen Elektronik skeptisch gegenüber eingestellt sind. Auch SB-Schulungen sollen donnerstagabends umgesetzt werden. Heinzmann ist überzeugt, bis zur tatsächlichen Umstellung eine gute Vorlaufzeit dafür eingeplant zu haben.

In Schenkenzell und Gutach beginnt die Umstrukturierung erst ab dem 1. September. In Gutach werden die Geräte der VR-Bank auf der linken Seite in der Sparkassen-Filiale untergebracht. In Rötenberg wird es bereits ab 1. Juli nur noch eine SB-Stelle geben und in Peterzell ab 1. Januar 2017.

Auch die Bürgermeister und Ortsvorsteher wurden von den VR-Bankern über den Filialwandel bereits informiert. Entlassen wird dabei aber niemand. Auch von den 167 Mitarbeitern würden nur einige Verträge in den Ruhestand auslaufen. Der Frühling kann also kommen.

Kommentar: Digitaler Wandel

Von Melanie Steitz

Der Kunde hat entschieden. Das Personal in den Filialen der Volksbank Kinzigtal wurde nur noch selten gebraucht und war zu teuer. Das haben die Beobachtungen und Berechnungen der VR-Verantwortlichen im vergangenen Oktober, einem durchschnittlichen Monat, in dem nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig Kundenzulauf herrschte, ergeben. Kaum einer kann sich nun beschweren, wenn sich das Filialnetz vor Ort künftig  verändert und nunmehr mit einer SBStelle oder einem Basis-Service Vorlieb genommen werden muss. König Kunde hat diese Entwicklungen durch sein eigenes Verhalten begünstigt. Das ist mit dem Einzelhandel  vergleichbar. Auch diese Branche hat mit den Folgen des digitalen Wandels zu kämpfen: Schuhe werden lieber auf Amazon im Internet statt im Laden um die Ecke gekauft. Auch die Volksbank-Kunden überweisen die  Geldbeträge lieber per Smartphone und drucken sich Kontoauszüge am Laptop aus, wenn sie diese nicht schon elektronisch dort abspeichern. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die VR-Bank nun reagiert. Welches Unternehmen möchte denn gern rote Zahlen schreiben? Und dann als Bank, die ihren 18 000 Genossenschaftsmitgliedern jährlich Dividende über Marktniveau beschert? Sie passt sich damit der harten Realität an.