Symbolfoto: Schwannauer Foto: Schwarzwälder-Bote

Helfer und Flüchtlinge berichten aus einem bewegten Jahr.

Steinach/Haslach/Hausach - Zuwanderer müssen sich in einer fremden Umgebung zurechtfinden. Helfer unterstützen sie dabei. Die Hürden sind teilweise groß. Dem SchwaBo berichten beide Seiten von ihren Erfahrungen.

Stefan Schmider ist Sozialarbeiter und hat vor einem Jahr beim Sozialdienst des Migrationsamts Offenburg seine erste Stelle angetreten. Aktuell kümmert er sich um die soziale Betreuung der Flüchtlinge in Steinach und Hausach. Werner Bliss, ehemaliger Lehrer, gibt seit Ende vergangenen Jahres Deutschunterricht im Mostmaierhaus in Hausach, der Erstunterkunft für Zuwanderer. Er hat die Patenschaft für eine Familie übernommen. Stefanie Brüschke ist für die Caritas in Haslach tätig und begleitet im Rahmen eines Projekts der Erzdiözese Freiburg örtliche Arbeitskreise von ehrenamtlich Engagierten.

Warum und mit welchen Erwartungen sind Sie in Ihre Aufgabe gestartet?

Schmider: Für meine erste berufliche Station hatte ich keine besonderen Erwartungen. Auf einer Griechenlandreise im vergangenen Jahr bin ich mit vielen Flüchtlingen in Kontakt gekommen – ich entschloss mich dazu, meinen Teil zur Bewältigung dieser Situation und Unterstützung der Menschen beizutragen.

Brüschke: Auf eine vielschichtige und intensive Arbeit bei der Caritas habe ich mich gefreut, sowie auf den Kontakt mit Menschen, Kulturen und Religionen.

Bliss: Ende Dezember traf eine afghanische Frau mit sechs Kindern in der Unterkunft ein. Die beiden Ältesten, ein vierzehn- und ein dreizehnjähriger Junge, konnten beide recht ordentlich Englisch, sodass eine Verständigung möglich war. Ich erfuhr von ihrer Flucht und übernahm spontan die Patenschaft für die Familie.

Welche Erfahrungen haben Sie jetzt nach rund einem Jahr gemacht?

Schmider: Es ist oft schwierig, den Spagat zwischen den Erwartungen und Bedürfnissen der Flüchtlinge und rechtlichen und institutionellen Vorgaben zu schaffen. Dabei ist wichtig, Situationen zu akzeptieren und das Optimale daraus zu machen.

Brüschke: Mit viel Engagement setzen sich Ehrenamtliche für eine gelingende Integration ein, teilweise bis zur eigenen Belastungsgrenze. Auch die Geflüchteten erlebe ich als äußerst motiviert. Sicher gibt es auf beiden Seiten immer wieder Erwartungen, die enttäuscht werden, und kulturell bedingte Missverständnisse. Dies kann aber zumeist geklärt werden. Schwerer sind die teils gegebenen Bedingungen auszuhalten: lange Asylverfahren, verlorene Dokumente, lange Wartezeit bis zur Erteilung eines Aufenthaltstitels oder eines Passes, schwierige Wohnbedingungen, auseinandergerissene Familien, Schwierigkeiten bei der Vermittlung in Arbeit und vieles mehr.

Bliss: Ende Februar erhielt die Familie eine Anschlusswohnung in Hausach, die Kinder wurden eingeschult, der Jüngste besucht den Kindergarten. Eine feste Alltagsstruktur zu schaffen ist jetzt die Herausforderung. Die gute Aufnahme in der neuen Nachbarschaft und Hilfestellung von Seiten der Gemeinde hilft der Familie bei der Eingliederung sehr. Es kam vor, dass die Mutter und ihre Kinder schlecht zu motivieren waren, rauszugehen. Nun, da die Schule wieder begonnen hat, läuft es besser, besonders die Jüngeren bauen gute Kontakte zu ihren Mitschülern auf.

Wie sehen Ihre Erwartungen jetzt aus: Hat sich Ihre Haltung im Vergleich zum letzten Jahr gewandelt?

Schmider: Man weiß nicht, wie sich die Situation entwickelt – die Haltung ändert sich mit Sicherheit, was aber schwer in Worte zu fassen ist. Als wir in meiner Anfangszeit die Flüchtlingswelle zu bewältigen hatten, hat man aufgrund des großen Stresses viele Dinge negativ gesehen und das Positive kaum erkannt. Da es mittlerweile etwas ruhiger ist, hat sich dies geändert: Viele positive Entwicklungen sind erkennbar.

Brüschke: Immer noch finde ich es bereichernd, ein Stück zur Integration beizutragen. Ich gehe allerdings davon aus, dass wir noch einen langen Atem brauchen. Rechte Sprüche hört man immer mehr, oft von Leuten, die noch nie direkten Kontakt mit Flüchtlingen hatten.

Aus meiner Sicht hilft hier nur der direkte Kontakt und das Miteinander im Alltag zu einer gelingenden Integration, auch die Teilhabe in der Gesellschaft auf kommunaler Ebene. Es gibt auch im Kinzigtal Vorbehalte, Ängste und teilweise Probleme, die nur im gemeinsamen Gespräch und Kennenlernen von Gemeinsamkeiten und auch Gegensätzen verändert werden können. Genauso gibt es aber auch die Offenheit vieler Bürger, Vereine und Arbeitgeber, die ich oft erlebe.

Bliss: Die Bereitschaft der Bevölkerung, den Menschen vorbehaltslos und hilfsbereit zu begegnen war, soweit ich dies erleben konnte, durchaus positiv.

Wie schätzen Sie die Bereitschaft innerhalb der Bevölkerung ein, Zuwanderer zu integrieren?

Schmider: Die Gastfreundlichkeit, die viele Familien zeigen, ist groß. Auch die Unterstützung der ehrenamtlichen Helfer ist hervorzuheben. Schade finde ich, dass gerade von jungen Deutschen kaum eine Kontaktaufnahme stattfindet. Junge Flüchtlinge – 20-30-Jährige, außerhalb des Schulalters – haben nahezu keine Kontakte zu gleichaltrigen Deutschen. Dies erschwert eine Integration in die Gesellschaft in vielen Bereichen.

Brüschke: Ich erlebe eine hohe Motivation der Zuwanderer, sich in Deutschland eine Perspektive aufzubauen. Der eher kleinere Teil der Menschen, mit denen ich bisher Kontakt hatte, denkt an eine Rückkehr. Teilweise sind sicher zu hohe Erwartungen vorhanden, was zu Frustrationen führt. Auch hier hilft nur die klare Ansprache. Integration setzt voraus: ein Aufeinanderzugehen, sich Kennenlernen, sich Respektieren und eine gemeinsame Basis finden – von beiden Seiten.

Bliss: Ich höre immer wieder von Stammtischparolen, die in unterschiedlichem Maße versteckt vorhanden sind. Dass die Zuwanderer die Sprache lernen, Arbeitsmöglichkeiten und Kontakte finden, sind meiner Erfahrung nach Bedingungen für Integration. Je besser dies gegeben ist, desto größer ist die Bereitschaft derer, die ich kenne, sich gut zu integrieren.

Info: Reihe Zuwanderer

In einer losen Artikelreihe macht der SchwaBo rund ein Jahr nach dem Beginn des großen Zuwandererstroms eine Bestandsaufnahme: Welche Erfahrungen machen Einheimische, Helfer und Geflüchtete? Heute: Flüchtlinge und Helfer berichten aus dem zurückliegenden Jahr.

Seite 2: Momentaufnahme in der Containerunterkunft

Wer die Steinacher Containerunterkunft besucht, wird schon von weitem gesehen und wartet nicht lange auf Bewohner, die zur Begrüßung auf den Vorplatz kommen. "Salam, hallo, guten Tag": Die Begrüßung ertönt mehrsprachig. Rasch sind Stühle um einen Tisch im Freien gruppiert, gesüßter Schwarztee dampft aus Gläsern.

Ein Mädchen kommt kurz nach eins aus der Schule, schwingt den Ranzen auf den Kiesboden und zieht ihr Matheheft heraus, auf der Suche nach jemandem, der ihr Nachhilfe erteilt. Eyad Alsaleh, bald Vater dreier Kinder, berichtet, dass er jetzt seit gut neun Monaten hier lebe: "Ich warte auf meine Papiere", sagt er, er könne noch nicht arbeiten und sie bräuchten dringend eine Wohnung, die ihnen auch schon versprochen worden sei. Der junge Syrer deutet auf seinen Nachbarn in der Unterkunft, der die Runde stehend beobachtet: "Er sagt, Deutschland ist für ihn eine Katastrophe. Er will zurück nach Syrien, aber er hat die Möglichkeit nicht."

Ahmed, 16, kommt auf dem Rad aus der Schule in Haslach und setzt sich mit an den Tisch. Er spricht fließend Deutsch: Die Stimmung in der Unterkunft sei "so lala", sagt er. Er deutet an, dass bei vielen die Ungeduld und Verzweiflung nach vielen Wartemonaten groß sei: "Viele sind mit der Geduld am Ende." Die Nationalitäten verstünden sich nicht immer gut, es gebe häufig Reibereien.

Ein Transporter fährt vor, der ehrenamtliche Helfer Adel Daoud, der seinen Fahrdienst für die Schule eben beendet hat, steigt aus. Daoud fährt fast täglich zur Unterkunft. Eine Frau berichtet ihm von Zahnschmerzen und möchte einen Arzttermin, ein Mann kommt mit einem Behördenbrief, den er nicht versteht. Warum das mit den Papieren so lange dauere, fragt er Daoud, der selbst als Zuwanderer aus Tunesien nach Deutschland kam und sagt: "Ich hoffe das Beste für die Leute."