Drei Flüchtlinge aus Afghanistan, zwei aus Eritrea und einer aus Gambia sind auf Initiative der Bürgerstiftung Kehl und mithilfe einer Kooperation von Ortenauer Firmen, Vereinen und Einrichtungen auf eine Lehre an der Werkbank vorbereitet worden. Foto: Schauer

Sechs junge Migranten auf Alltag im Beruf vorbereitet / Soziale Betreuung besonders wichtig

Vor einem Jahr hat erstmals ein Qualifikationskurs in Kehl begonnen, um jugendliche Flüchtlinge auf eine Lehre im Metall- und Elektro-Bereich vorzubereiten. Nach Abschluss des ersten Jahrgangs zogen die Verantwortlichen nun eine positive Bilanz.

Kehl. "Wir sind sehr, sehr zufrieden. Sechs junge Migranten sind nach einem Jahr Qualifizierungsprogramm fit für eine Lehre", sagte Jörg Armbruster, Vorsitzender der Bürgerstiftung Kehl. Und so wolle man auch weitermachen. "Die Bilanz ist ausgezeichnet. Es ist bewiesen: Berufliche Integration ist auch mit Migrationshintergrund zu machen – wenn alle an einem Strang ziehen", so Armbruster.

Die Bürgerstiftung bietet den Kurs zusammen mit der Kehler Firma Badische Stahlwerke Anlagenbau und Ausbildung (BAG), der Jugendberufshilfe Ortenau, der Kommunalen Arbeitsförderung Ortenaukreis, der Agentur für Arbeit und der Sprachschule Interparla an. Anfang 2016 hatte man sich entschlossen, aktiv zu werden. Im August wurden dann aus 70 Bewerbern die Teilnehmer ausgewählt, ab September wurde das Programm für sechs von ihnen Realität. Nun erhielten drei Flüchtlinge aus Afghanistan, zwei aus Eritrea und einer aus Gambia ihre Qualifikationsurkunden.

Das Projekt war von Anfang an nicht nur als Maßnahme an der Werkbank gedacht, sondern als Rundumpaket: Es beinhaltet Deutsch lernen, soziale Betreuung und eben auch den Erwerb von Fähigkeiten in einem metallverarbeitenden Beruf. "Wir haben es immer als dynamischen Prozess gesehen", erklärt Armbruster. Etwa beim Sprachunterricht der Teilnehmer habe man immer mal wieder nachjustiert. "Wir sind sehr zufrieden mit ihrem Deutsch. Ihr Niveau liegt höher als das, das unsere französischen Azubis in einem vergleichbaren Kurs erreicht haben", berichtete BAG-Ausbildungsleiter Michael Enderle.

"Die permanente Betreuung ist ganz wichtig", betonte Armbruster die Bedeutung der sozialen Hilfestellungen im Alltag der Migranten. Und Nadine Czeschla von der Jugendberufshilfe Ortenau ergänzte: "Praktische oder seelische Hilflosigkeit kann bei jungen und vor allem unbegleiteten Migranten allen guten Willen blockieren und zunichtemachen."

Soziale Betreuung fördert die Leistungen

Enderle sieht das ähnlich: "Es gab viele Probleme und Problemchen im Alltag, da musste man zügig handeln. Ob es um die Unterkunft, die Rundfunkgebühren oder andere Fragen geht, der Kopf an der Werkbank muss frei sein." Die permanente Betreuung habe zu einem permanenten Leistungswillen beigetragen, sind alle Beteiligten überzeugt.

Auch mit Blick auf die Kosten sehen sie keinen Grund, das Projekt nicht weiterzuführen. "Ein Azubi kostet den Lehrherrn etwa 20 000 Euro im Jahr. Wir haben das Qualifikationsjahr für alle sechs mit 125 000 Euro bewerkstelligt", rechnete Armbruster vor.

Aber das Projekt kommt nicht nur in der Region an: Im Mai ist die Bürgerstiftung Kehl in Berlin mit dem bundesweiten Förderpreis der Stiftung Aktive Bürgerschaft ausgezeichnet worden. "Uns hilft nicht nur das Preisgeld von 10 000 Euro in der Stiftungskasse", sagte Armbruster. Die Auszeichnung helfe auch, das Ortenauer Integrationsprojekt bekannter zu machen, damit es anderswo Nachahmer finde, betonte der Vorsitzende der Kehler Bürgerstiftung.

INFO

So geht's weiter

Zwei der Kursteilnehmer beginnen im September eine Lehre bei der BAG, zwei weitere bei den Firmen Kronen und Maja. Zwei weitere Lehrstellen werden noch verhandelt. Bei der BAG sieht man das Projekt für Flüchtlinge angesichts des aktuellen und wohl längerfristigen Mangels an Lehrlingen als Win-win-Situation. "Wir machen also nicht nur weiter", so Armbruster. "Wir setzen noch eins drauf und arbeiten daran, das Projekt auch für Sozial- und Pflegeberufe anzubieten. Wir wollen vor allem Frauen unter den Migranten ansprechen. Wir wissen ja nun, wie es mit jungen Männern geht."