Sichtlich Spaß machte Wolfgang Schäuble die Diskussion mit den Schülern. Foto: Dorn Foto: Schwarzwälder-Bote

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble spricht im Hotel Schloss Hornberg zum Thema Europa

Zum zehnten Symposion der Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft war am Samstag Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble im Hotel Schloss Hornberg zu Gast. Er diskutierte auch mit Schülern aus Triberg und Durmersheim zum Thema Europa.

Hornberg. Wenn der Bundesfinanzminister und damit einer der mächtigsten Menschen der westlichen Welt auf der Rednerliste steht, ist das selbst für die Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft eine ganz neue Liga.

Wie wird er den Termin wahrnehmen, welchen Stellenwert misst er dem im Vorfeld als "Heimspiel" beworbenen Vortrag bei? "Guten Morgen, es ist schön, wieder hier zu sein, in diesem Saal haben wir 1948 als Grundschüler Fußball gespielt: Mit dieser Begrüßung erdete Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble sich und die vielen Zuhörer im prall gefüllten Festsaal des Hornberger Schlosses.

"Was hält uns zusammen in Europa, wenn wir nicht über Geld reden?". Die Leitfrage seines Vortrags konnte Schäuble leicht beantworten: "Zusammen halten uns die Menschen beziehungsweise die Werte, für welche diese Menschen einstehen, und Wilhelm Hausenstein war ein Paradebeispiel dafür. "

Die zahlreichen europäischen Krisenherde böten einmal mehr die Gelegenheit, über Europa als Wertegemeinschaft nachzudenken. Gleiche Bildungschancen, ein barrierefreier Arbeitsmarkt, die Solidarität der Starken mit den Schwachen, Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, Rechtsstaatlichkeit, Menschenwürde, Pluralismus, Gewaltenteilung und Sozialstaatlichkeit bildeten laut Schäuble "den europäischen Wertekanon, der als Besitzstand mit den europäischen Institutionen auch vehement verteidigt würde und der Europa für Bürger aus anderen Kontinenten attraktiv erscheinen lässt". Europa sei darüberhinaus auch eine Friedensgemeinschaft.

Schäuble erinnerte an die Krisen der Vergangenheit wie den Volksaufstand in der DDR, den Korea-Krieg oder die Suez-Krise, in denen ihm als jungem Menschen der Weltfrieden brüchig erschien. Der Ukraine-Konflikt nimmt die europäischen Länder jetzt wieder in die Friedens-Pflicht, im Norden Europas und im Baltikum fragten sich die Regierungen aktuell, ob die Verteidigungsetats wieder erhöht werden müssen.

"Le nationalisme, c’est la guerre": Schäuble erinnerte an die Worte, mit denen sich Francois Mitterand 1994 am Berliner Gendarmenmarkt von den Deutschen, den ehemaligen Kriegsgegnern, verabschiedete.

Die gemeinsame europäische Geschichte verpflichte die Länder Europas zu einem transnationalen Zusammenleben, das wohl organisiert sein muss.

Auch die Frage nach der Islamisierung Europas treibt Schäuble um: "Europa ist ein christlich geprägter Kontinent, in dem jedoch auch – denkt man an die Mauren in Spanien - schon früher Muslime ihren Platz hatten."

Hornberg (dor). Die zweiten 45 Minuten mit dem Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble gehörten der Diskussion mit Schülern aus der Oberstufe des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums Durmersheim und des Schwarzwald-Gymnasiums Triberg.

Felix Kaufmann: "Herr Schäuble, was bedeutet der Brexit für Deutschland und Europa?"

Wolfgang Schäuble war als deutschem Finanzminister natürlich an einer diplomatisch wohlformulierten Antwort gelegen, daher verbarg er die deutliche Botschaft in einer Formulierung, wie sie die Briten wohl selbst treffen würden: "There’s no free lunch" (Nichts ist umsonst).

Da die Briten einen Status wie die Schweiz oder Norwegen ihrem Bekunden nach nicht anstrebten, müsse das Europa der 27 schauen, dass es besser würde und nicht noch weitere Mitglieder an den Nationalismus verliere. Für die EU sei es natürlich schmerzlich, wenn nach dem Brexit der Finanzplatz London außerhalb der EU liege, da dann die notwendige Regulierung der Finanzmärkte noch schwieriger würde.

Moritz Hieske: "Herr Minister, wie soll man mit der Angst der Bevölkerung vor Terrorismus umgehen?"

Rein statistisch ist laut Schäuble für seine Generation derzeit eine Fahrt mit dem E-Bike immer noch ungleich gefährlicher, aber es muss den Deutschen bewusst sein, dass Sicherheitskontrollen wie im Flugverkehr notwendig sind und in den Anstrengungen hierin auch nicht nachgelassen werden dürfe.

100 Prozent Sicherheit könne es nicht geben, aber wenn etwas passiert muss man sich nach besten Kräften bemüht haben, es zu verhindern. Die in Deutschland stark kritisierte Arbeit der US-amerikanischen Nachrichtendienste habe jüngst ja in Leipzig zur Aufdeckung des syrischen IS-Terroristen geführt, als ehemaliger Innenminister wisse er um den Konflikt zwischen Freiheit und Sicherheit.

Josefine Burger: "Herr Schäuble, glauben Sie, dass es durch Niedrigzinsen zur Altersarmut in Deutschland kommen wird?"

Die Flüchtlinge, der Brexit, und die Terrorismusgefahr in Europa waren Fragen, die Wolfgang Schäuble von Schülerseite so wohl erwartet hatte. Die Synthese von Niedrigzinsen und Altersarmut nötigte dem Finanzminister einigen Respekt ab, tatsächlich war Josephine Burger die Frage spontan eingefallen und sorgte dafür, dass Wolfgang Schäuble so richtig in Fahrt kam.

"Ich hole jetzt ein wenig aus und mache ein wenig Unterricht für die Schüler", sagte er.

Die Themen Kopplung der Renten an die Einkommensentwicklung, der Generationenvertrag, Drittelfinanzierung durch Arbeitgeber, Arbeitnehmer und den Bund, die demographische Entwicklung und die daraus resultierenden mathematischen Probleme mit der Rentenformel, die Notwendigkeit zu zusätzlicher privater Vorsorge, zentrale Lehrplaneinheiten im Fach Gemeinschaftskunde wurden vom Bundesfinanzminister auf wenige Minuten verdichtet.

Die private Vorsorge habe in der Tat Probleme mit den derzeitigen Niedrigzinsen, da nur noch hohes Risiko hohe Zinserträge bringe und Anlagen mit hohem Risiko seien den entsprechenden Riester-Produkten ja seinerzeit aus gutem Grund ausdrücklich verboten worden. Dies sei ein Dilemma, und ja, vor diesem Hintergrund müsse über eine weitere Anhebung des Renteneintrittsalters nachgedacht werden.

Wolfgang Boeckh, Vorsitzender der Wilhelm-Hausenstein-Gesellschaft, öffnete danach die Diskussion für die Erwachsenen. Schäuble hätte lieber noch länger mit den Schülern diskutiert und konterte dieses Ansinnen damit, dass ob der Länge seiner Antworten ja mancher der Schüler inzwischen erwachsen geworden sei. Nach anderthalb Stunden musste der Bundesfinanzminister den nächsten Termin seines prall gefüllten Terminkalenders ansteuern, man sah ihm an, dass er sich gerne noch eine Weile länger in "seinem" Hornberg verweilt hätte. Schäuble verließ den Festsaal aber nicht, ohne sich noch in das Goldene Buch der Stadt einzutragen. Mit langanhaltendem Beifall verabschiedeten ihn die Symposiumsgäste.