Ilija Trojanow ist in Afrika aufgewachsen und hat nicht nur deswegen ein sehr persönliches Verhältnis zu dem Kontinent. Foto: Archiv: Promo

Kurator blickt auf "Vielstimmiges Afrika" zurück | "Weltlese" startet mit Abbas Maoufi

Hausach - Zehn Jahre lang kuratierte Ilija Trojanow "Vielstimmiges Afrika". Nun endet die Reihe und wird von "Weltlese" abgelöst. Mit dem Schwabo blickt er auf die Anfänge zurück, erzählt von den Eindrücken, die die afrikanischen Gäste in Hausach hinterließen, und wie sie ihrerseits den Leselenz erlebten.

Herr Trojanow, erinnern Sie sich noch, wie "Vielstimmiges Afrika" entstanden ist?

Ich bin in Afrika aufgewachsen und habe einen Verlag für afrikanische Literatur gegründet, als ich 24 Jahre alt war (Marino Verlag, Anmerkung der Redaktion). Den habe ich dann irgendwann aufgeben müssen, weil ich mich aufs Schreiben konzentrieren wollte. Ich habe mir dann gedacht, es wäre einfach schön, wenigstens im Kleinen einmal im Jahr etwas für die afrikanische Literatur zu tun.

Wie ist diese Reihe dann im Rahmen des Leselenzes entstanden?

Na ja, so wie alles, was beim Leselenz entsteht: Gespräche mit José Oliver. Durch seine Neugier und seine Leidenschaft entsteht immer etwas Schönes.

Wer war der erste Gast und wie sind Sie an ihn gekommen?

An die Gäste komme ich immer auf die gleiche Weise: Indem ich viel lese. Das sind Autoren, die ich sehr schätze. Die erste war Chimamanda Ngowi Adichie, inzwischen eine weltberühmte Autorin. Als sie bei uns war, war sie noch kein so großer Name. Sie ist eine Nigerianerin, die heute in den USA lebt. Ich lade immer nur Autoren ein, die ich persönlich sehr schätze.

Hausach und der Besuch beim Leselenz sind der Höhepunkt einer einwöchigen deutschsprachigen Tournee mit ihrem afrikanische Gast. Das bedeutet für Sie persönlich, dass Sie eine Zeit sehr eng mit jemanden zu tun hatten, den Sie meistens vorher nur von seinen Arbeiten kannten. Wie war das für Sie?

In den meisten Fällen war das sehr beglückend. In ein, zwei Fällen waren das Menschen, die ich schon kannte, aber einige Male sind auch neue Freundschaften entstanden. Mit manchen bin ich immer noch in Kontakt. Es ist ja so, dass wir uns sehr viel zu sagen haben. Es ist eine Begegnung von Menschen mit ähnlichen Interessen. Das hat bisher eigentlich immer sehr gut geklappt.

Welcher Gast hat Sie besonders beeindruckt?

Wir hatten ja sehr große Namen in Hausach. 2013 war Nuruddin Farah aus Somalia zum Beispiel zu Gast, der in Südafrika lebt. Er ist seit vielen Jahren Nobelpreis-Kandidat. André Brink, der 2015 leider verstorben ist, galt als einer der großen südafrikanischen Romanciers. Abdulrazak Gurnah ist momentan der renommierteste Autor aus Sansibar und Tansania. Das waren immer wieder sehr beeindruckende Begegnungen, weil das Menschen waren, die sehr viel zu erzählen und eine große Ausstrahlung hatten oder haben. Ich glaube, dass die meisten auch mit ihrer Persönlichkeit einen Eindruck in Hausach hinterlassen haben, nicht nur mit ihrer Literatur. Oder auch Lebo Mashile bei der Eröffnungsveranstaltung 2010 in der Stadthalle mit ihrer "spoken world poetry" – sie ist eine Urgewalt und hat die Menschen wirklich weggefegt, weil sie eine so unglaubliche Energie hat. Das war ja ein bisschen die Idee, dass man Afrika quasi in die deutsche Provinz hineinträgt; und zwar nicht nur als Kontinent des Elends und der Belastung, sondern auch als kreativer Kontinent mit sehr beeindruckenden Menschen.

Hatten Sie den Eindruck, dass die afrikanischen Literaten einen anderen Eindruck bei den Besuchern des Leselenzes hinterlassen haben als die europäischen?

Ich glaube, das kann man nicht verallgemeinern. Wir hatten das Glück, dass eigentlich fast alle, die bisher da waren, sehr kommunikativ waren und auf die Menschen zugegangen sind. Ich habe dann immer wieder gehört, was für unglaublich beeindruckende und sympathische Menschen das seien. Das war wirklich auffällig, wie häufig Zuhörer das erwähnt haben.

Und was für einen Eindruck hatten die afrikanischen Gäste vom Leselenz?

Die meisten Autoren, egal von wo sie kommen, waren von der Intimität und Intensität des Festivals sehr beeindruckt. Es gibt zwar große Literaturfestivals auf der Welt, aber diese sind oft eher unpersönlich. Der Leselenz bietet eine seltene Mischung aus hoher Qualität und der Gelegenheit, die Autoren ganz normal kennenzulernen, mit der Möglichkeit der Begegnung.

Warum endet die Reihe jetzt?

Nach zehn Jahren ist es jetzt einfach genug. Ich wollte etwas Neues machen. Außerdem ist eine Woche im Jahr ja doch recht viel und anstrengend, sie muss ja auch vorbereitet sein.

Was ist das Konzept von "Weltlese" und wer wird sich dabei präsentieren?

Das ist ganz einfach Weltliteratur. José Oliver will, und dabei unterstütze ich ihn, dass in Hausach nicht nur die wichtigsten Stimmen der deutschsprachigen Literatur zu hören sind, sondern dass auch die große, weite Welt im Kinzigtal eine Stimme erhält. Das heißt, ich werde bei dieser Veranstaltung große Autoren aus der Weltliteratur einladen. Da fangen wir dieses Jahr gleich mit einem Hammer an: Abbas Maroufi ist einer der ganz großen iranischen Romanciers. Und so wird über die Jahre hinweg hoffentlich so eine Art globale Anwesenheit in Hausach zu verzeichnen sein.

Das heißt, wir machen von Afrika noch einen Schritt in die weite Welt hinaus.

Es ist ein bisschen anders, weil ich in diesem Fall nur einmal einlade. Es ist nur eine Veranstaltung, keine Wochen-Tournee, das heißt, es ist erheblich weniger anstrengend für mich und weniger aufwendig. Für die Besucher des Leselenzes ändert sich eigentlich nicht viel: Große Literatur bleibt große Literatur, ob sie nun aus Nigeria kommt oder dem Iran.  

Die Fragen stellte Charlotte Reinhard.

INFO

Biografie und Werke des Autors

Ilija Trojanow wurde 1965 in Bulgarien geboren. 1971 flohen seine Eltern mit ihm über Jugoslawien und Italien nach Deutschland, wo sie politisches Asyl erhielten. Ein Jahr später zog die Familie nach Kenia. Von 1972 bis 1984 lebte Ilija Trojanow in Nairobi, wo er die Deutsche Schule besuchte, die er mit dem Abitur abschloss. Von 1984 bis 1989 studierte er Jura, Ethnologie und Havarie in München. 1989 gründete er den Marino Verlag, der sich auf afrikanische Literatur spezialisierte. Anfang der 90er-Jahre durchreiste Trojanow Afrika. In dieser Zeit verfasste er einige Sachbücher und Reiseführer über Afrika, er gab eine Anthologie mit afrikanischer Gegenwartsliteratur heraus und übersetzte Werke afrikanischer Autoren. 1996 erschien sein erster eigener Roman "Die Welt ist groß und Rettung lauert überall". Es folgten mehrere Werke, wie ein Science-Fiction-Roman, Reiseberichte und Reportagen. 1998 übersiedelte Trojanow nach Bombay, von wo er Kolumnen für mehrere deutsche Zeitungen schrieb. Von 2003 bis 2007 lebte Trojanow in Kapstadt; 2007 war er Mainzer Stadtschreiber. Seit 2008 ist Trojanow Herausgeber der Buchreihe Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte, in der Trojanow unentdeckte Autoren und ungewöhnliche oder vergessene Texte veröffentlicht. Jetzt lebt er in Wien. Seine Bücher wurden in 30 Sprachen übersetzt.