Pfarrer Hans-Michael Uhl (links) hatte Marco Politi nach Hausach eingeladen. Foto: Reinhard

Pfarrer Hans-Michael Uhl und Vatikankenner Marco Politi sprechen über Ökumene und den Reformeifer des Papsts

Das Interesse war groß, denn ein deutsch-italienischer Vatikan-Kenner kommt nicht alle Tage nach Hausach. Mit Pfarrer Hans-Michael Uhl hat Marco Politi über Ökumene, die Reformen des Papsts und die Zukunft der katholischen Kirche gesprochen.

Hausach. Dass die Ökumene im Mittelpunkt der Podiumsdiskussion "Rom 500 Jahre nach Luther" stehen würde, zeigte schon die Tatsache, dass der katholische Pfarrer Gerhard Koppelstätter die zahlreichen Gäste im katholischen Pfarrheim begrüßte. "Als Luther als begeisterter Augustinermönch nach Rom pilgerte, kam er entsetzt zurück", erzählte er. "500 Jahre nach Luther haben wir einen zweiten Luther: Papst Franziskus." Dann übergab er Uhl das Wort.

Vatikanisches Konzil

Dieser erzählte, dass er Marco Politi in seiner Zeit in Rom kennen gelernt hatte. der Deutsch-Italiener sei schon seit etwa 45 Jahren als Journalist aktiv, seinen Einstieg in den Beruf hatte er zur Zeit des Zweiten Vatikanischen Konzils.

Politi selbst griff die Nähe Hausachs zur französischen Grenze auf. Das Kriegserlebnis sei für das gespaltene Christentum eine einschneidende Erfahrung gewesen. "In den Gulags, den KZ fanden sich katholische und evangelische Priester, die sich in dieser Situation fragten, ›was hat das hier für einen Sinn, dass wir nichts zusammen predigen?‹ Der Zweite Weltkrieg hat die Ökumene in dieser Hinsicht sehr gefördert", erzählte Politi. Erst nach dem Konzil habe die katholische Kirche von Vertretern der "Schwesterkirchen" gesprochen. "Das war der Anfang eines Dialogs, der immer enger geworden ist", so Politi.

Römische Verträge

Uhl erinnerte an die römischen Verträge, in deren Vorfeld alle Staatsoberhäupter – einschließlich der protestantischen – "zum Papst pilgerten, um sich die Leviten lesen zu lassen". "Das war eine Aktion mit hoher Symbolkraft", meinte Uhl. "Wir befinden uns in einem warmen Golfstrom der Veränderung. Aber auch wenn ein warmer Wind aus Rom weht, hat der Papst noch nichts Konkretes hinsichtlich der Ökumene geschaffen", merkte der Pfarrer aber an. Es gebe sowohl auf katholischer als auch auf protestantische Ebene Gegner davon. In Bezug auf Politis jüngstes Buch "Franziskus unter Wölfen" bat er Politi: "Erzählen Sie uns von den Wölfen."

"Jede Reform hat Gegner", sagte dieser. "Franziskus hat vom ersten Moment an gezeigt, dass er ein bekehrtes Papsttum will. Er will nicht als Kaiser angesehen werden und die Idee von der Kirche als eine monarchische Organisation verändern." In dieser Hinsicht habe ihm die Abdankung seines Vorgängers Benedikt geholfen.

Freiwilliger Rücktritt

"Es war das erste Mal, dass ein Papst aus völlig freien Stücken zurücktrat", betonte Politi. Hinter diesem Schritt habe der Gedanke gestanden, dass der Papst handlungsfähig sein sollte und nicht nur eine Symbolfigur. Doch Franziskus’ Abkehr von einer monarchischen Kirche sei nicht das einzige, dass viele abschrecke. So habe er beispielsweise in Sachen Finanzen, Vatikanbank und Missbrauchsvorwürfen für strengere Regeln gesorgt und einmal sogar einen vatikanischen Botschafter vor ein Strafgericht stellen wollen.

Uhl merkte an, dass Franziskus nicht nur auf katholischer Seite Gegner habe. Politi stimmte ihm zu: "Für viele Konservative ist er ein Schock." Es sei gerade im Internet zu beobachten, dass die Wölfe "immer aggressiver werden". Er sprach von einem "Netz, das alle Kontinente der Welt umspannt", einen "harten Kern, der mit den Reformen Franziskus’ nicht einverstanden ist".

Diese Bewegung erinnere ihn an die Tea-party-Bewegung in den USA. "Sie konnte Obama nicht stürzen, hat aber seine Legititmität aufs Spiel gesetzt. Und dann gewann kein Demokrat die nächste Wahl", sagte Politi. Genau so wollten Franziskus’ Gegner als nächstes einen Papst, "der still steht und nicht so sehr am Vorhandenen rüttelt". Franziskus habe viele Baustellen geöffnet, er sei ein Mann, der aussät, "die Ernte wird später kommen".

In der folgenden Diskussion stellte ein Zuhörer die Frage, ob die "religiösen Wölfe" nicht noch gefährlicher seien als die politischen, wie zum Beispiel die vorher genannte Tea-party-Bewegung. "Bringen sie Franziskus irgendwann dazu, dass er aufgibt?", wollte der Mann wissen. "Die religiösen Wölfe sind gefährlicher", bestätigte Politi. In diesem Zuge beeindrucke ihn die Passivität bei den Gläubigen und in der Kirche.

Fehlender Reformwille

"Was heute fehlt, ist ein Reformwille aus der Peripherie zum Zentrum", meinte Politi. Zu der Frage, ob Franziskus irgendwann aufgeben würde, erklärte er, dass er damit rechne, dass der Papst sich irgendwann zurückziehen werde. "Aber nicht, weil er Angst hat, sondern dann, wenn er merkt, dass er physisch nicht mehr kann."

Beate Kadel wollte wissen, ob die Kardinäle nicht gewusst hätten, wen sie wählen. Politi erklärte, dass die Kardinäle Sauberkeit im Finanzwesen gewollt hatten, eine Reform der Kurie und einen Papst, der Kontakt zu den Bischöfen der Welt hält. "Das haben sie bekommen, aber sie rechneten nicht damit, dass Franziskus über so vieles hinaus ging", sagte Politi am Ende des Gesprächs.