Die träge, sprudelnde, braune Brühe spült die weißen Tücher immer wieder an die Oberfläche. Foto: Reinhard

Feuchttücher und anderer Unrat bereiten dem Team des Abwasserzweckverbands Probleme

Die träge, sprudelnde, braune Brühe spült die weißen Tücher immer wieder an die Oberfläche. Sie tauchen kurz auf und verschwinden dann wieder in den Tiefen des Beckens. Zwischendurch ist auch eine Slip-Einlage zu sehen. "Normales Toilettenpapier hätte sich bis hierhin schon längst zersetzt", sagt Abwassermeister Thorsten Gund. Er ärgert sich, denn die kleinen, harmlos wirkenden Tücher bereiten ihm und dem Team des Abwasserzweckverbands (AZV) jede Menge Probleme. Feuchtes Toilettenpapier, das die Werbung als hygienisch, sanft und modern verkauft, ist eines nämlich nicht: umweltfreundlich.  Doch sie sind nicht das einzige Problem, mit dem das AZV-Team zu kämpfen hat. Außer Verdauungsendprodukten und Toilettenpapier werden in den Kanälen vermehrt Unrat wie Windeln, Tampons, Kondome, Essensreste und anderes gefunden – Dinge, die dort definitiv nicht hingehören, wie Gund betont.

Tücher lösen sich nicht auf

Es sind aber vor allem die Feuchttücher, die dem AZV-Team Probleme machen. "Sie lösen sich nicht auf und sind extrem reißfest", bemängeln sie. Das heißt konkret: "Wo es hängen bleiben kann, bleibt es hängen, löst einen Aufbau im Kanalnetz aus und führt unweigerlich zu verstopften Pumpen". Den letzten Vorfall gab es am vergangenen Wochenende. Spezialfirmen müssen sich dann jedes Mal um die Beseitigung der Verstopfung kümmern. Dafür muss die Verstopfung lokalisiert und mit einem Reinigungs- und Spülfahrzeug beseitigt werden. "Die Kosten für so etwas trägt je nachdem, wo im Kanal das Problem auftritt, die Stadt, die Gemeinde oder der Verband und damit schlussendlich der Bürger", sagt Gund. Und für das AZV-Team bedeuten diese Vorfälle einen erheblichen Mehraufwand. "Wir müssen jedes Mal rausfahren und schauen, was los ist", berichtet Gund.

60 Tonnen "Rechengut"

Auch in der Kläranlage selbst tauchen die Tücher auf. Da sie dort aber besser dem Abwasserstrom entnommen werden können, ist Gund fast froh, wenn sie es bis dorthin "geschafft" haben. Das Rohwasserpumpwerk mit eingebauten Schneckenpumpen weist eine sehr geringe Verstopfungs- und Verzopfungsgefahr auf und befördert das Abwasser zur Rechen- und Siebanlage. Dort wird das sogenannte "Rechen- und Siebgut" dem Abwasserstrom entnommen. "In den außen liegende Pumpstationen gibt es solche Schneckenpumpen aber nicht. Hier pumpen Tauchmotorpumpen das Abwasser hoch, die schneller verstopfen", weiß der Abwassermeister. Im Rechengebäude zeigt Gund das anfallende Rechen- und Siebgut. Eine Zitronenschale, Paprikateile, ein Tampon, ein Kondom und viele, viele Tücher drehen sich über die Presswalze. Gund schüttelt immer wieder den Kopf über die Dinge, die zu Tage befördert werden. "Circa 60 Tonnen Rechengut fallen bei uns pro Jahr an", berichtet er. "Und das, obwohl wir eine mittelgroße Kläranlage sind." Zum Vergleich: In der Kläranlage in Offenburg sind es rund 100 Tonnen pro Jahr, wobei diese Menge auch vom Wassergehalt abhängt, der wiederum vom jeweiligen Behandlungsverfahren bedingt wird.

Neben Feuchttüchern ist auch noch ein anderer Gegenstand, der in fast jedem Badezimmer zu finden ist, zwar gut für die Hygiene, aber nicht gut für die Kläranlage: Wattestäbchen, auch Q-Tips genannt. Sie gehören genau so wenig in die Toilette wie Abschminktücher, denn auch sie sind tückisch. Sie sind so klein, dass sie oft durch den Rechen flutschen, je nachdem, ob sie horizontal oder vertikal angespült werden. Viele kommen durch.

Wie viele es sind, wird im Denitrifikationsbecken deutlich: Die kleinen, weißen und blauen Stäbchen schwimmen in Rudeln an der Oberfläche des Wassers. "Sie sind sehr gut sichtbar in der beruhigten Zone", erklärt Gund. In Becken, wo das Wasser in Bewegung ist, bleiben die Wattestäbchen im Verborgenen. Genau wie die Feuchttücher machen sie gerade in den Kanälen Schwierigkeiten, wenn sie dort irgendwo hängen bleiben. "Wir haben ein Trennsystem, das heißt, das Wasser wird getrennt abgeleitet. Das Regenwasser geht direkt in die Vorfluter zum Beispiel in die Wolf oder Kinzig, das Abwasser fließt zur Kläranlage", erklärt Gund.

Frittierfett in der Toilette

Das bedeutet als Konsequenz, dass der Spülstoß schwächer ausfällt und alle Feststoffe im Wasser nicht so leicht mitgeschwemmt werden. Erschwerend kommt hinzu, dass die Menschen heutzutage Wasser sparen und die Technik sich dem angepasst hat.

"Früher hat eine Toilettenspülung neun bis zwölf Liter verbraucht, heute sind es vier bis acht Liter", führt der Abwassermeister aus. "Nicht, dass man mich falsch versteht: Es ist gut, wenn Wasser als Ressource mit Bedacht verwendet wird", betont er, "aber für den Abtransport des Abwassers zur Kläranlage ist das problematisch."

Vor dem Denitrifikationsbecken zeigt er auf das Sand- und Fettfangbecken, in dem sich eine undefinierbare Masse angesammelt hat. "Fett", wie Gund erklärt. Es wird hier abgesondert. Im Abwasser befinde sich immer zu einem gewissen Anteil Fett, zum Beispiel Hautfett, das die Menschen abduschen. Aber es gibt auch einige, die Frittierfett in der Toilette entsorgen. Und das legt sich dann oft an den Rohrwänden an und erschwert den Abfluss. Dabei können große Mengen an Frittierfett direkt in der Kläranlage abgegeben werden. Auch für diejenigen, die vielleicht nur einen Liter Fett haben und nicht wissen, wie sie ihn entsorgen sollen, hat Gund einen Tipp: "Erkalten lassen und dann in den Restmüll damit." 

Ähnlich wie beim Fett sieht es auch mit Katzenstreu aus, das in die Toilette gekippt wird. "Das wird hart wie Beton und kann zu sogenannten Inkrustationen in den Rohren führen".

Über die Gründe, warum vieles weggespült wird, was nicht ins Klo gehört, kann Gund nur spekulieren. "Aus den Augen, aus dem Sinn", vermutet er. Was wohl die Lösung für diese Probleme wäre? "Gesunder Menschenverstand", meint er lapidar.

Kennzeichnung erwünscht

Aber zumindest für das feuchte Toilettenpapier würde er sich eine Kennzeichnung auf allen Packungen wünschen, die darauf hinweist, dass die Tücher im Restmüll entsorgt werden sollen.

Nach dem Rundgang über das Gelände der Kläranlage klingelt Gunds Telefon. "Rückstau? Wo? Ja, das müssen wir uns mal anschauen", sagt er, dann legt er auf. Wieder ein Feuchttücher-Problem? "Wahrscheinlich."

INFO

Daten Klärwerk

> Leistung der Kläranlage: 38 500 Einwohnerwerte

> Länge des Kanalnetzes vom AZV (ohne Städte- und Gemeindekanäle): 38 Kilometer

> Abwasserdurchfluss bei Trockenwetter: 6000 Kubikmeter pro Tag

> bei Regenwetter: 20 000 Kubimeter pro Tag