Dana Grigorceas Roman "Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit" wagt die Auseinandersetzung mit einer dunklen, oft aberwitzig anmutenden Ära. Foto: Haberer Foto: Schwarzwälder-Bote

Literatur: Leichte Sonntagsmatinee des Leselenzes mit Martin Gülich und Dana Grigorcea

Von Jürgen Haberer

Der Hausacher Leselenz wartete in diesem Jahr mit einer sicherlich nicht spektakulären, aber sommerlich leichten Sonntagsmatinee auf. Vorgestellt wurden die aktuellen Romane des in Freiburg lebenden Autor Martin Gülich und der in Zürich beheimateten Rumänin Dana Grigorcea.

Hausach. Es hat sicherlich schon spektakulärere Lesungen in den Verkaufsräumen von Korb-Welzel gegeben und literarische Exkurse, die mit deutlich mehr schrägem Humor aufgewartet haben. Die rund um die Galerie im Obergeschoss des Geschäfts plazierten Zuhörer sind sicherlich auch schon in Erzählungen eingetaucht, die am Ende ein Gefühl der Schwere hinterlassen haben.

Das in diesem Jahr von José F. A. Oliver eingeladene Autorenduo, muss sich trotzdem auf keinen Fall mit dem Vorwurf einer inhaltlichen Schwerelosigkeit auseinandersetzen. Beide thematisieren in ihrem aktuellen Roman einen Bruch im Leben, den Moment, in dem die Dinge in Bewegung geraten.

Was Martin Gülich und Dana Grigorca verbindet, ist eine erzählerische Leichtigkeit, ein feiner Humor mit einem gewissen Hang zur Groteske. Die diesjährige Matinee setzte damit auf ein überwiegend heiteres Literaturvergnügen, das den sonntäglichen Veranstaltungsreigen mit einer luftigen Atmosphäre einleitete.

Trotzdem, Martin Gülich, 1963 in Karlsruhe geboren, mistet auf den ersten Seiten seines Romans, "Was uns nicht gehört", erst einmal kräftig aus.

Als Erzähler fungiert der unscheinbare Buchhalter Paul, der just an dem Tag seinen Job verliert, an dem auch seine langjährige Lebensgefährtin auszieht. Sein Leben wird gehörig durcheinander gewirbelt, auch wenn Sonja nach gerade einmal zwei Wochen wieder mit ihm schläft. Die einzig verbliebene Konstante in seinem Leben ist die sich zunehmend verflüchtigende Beziehung zu seinem an Demenz leidenden Vater, den er einmal in der Woche im Heim besucht, obwohl dieser ihn nicht einmal mehr erkennt.

Paul lässt sich treiben, verbringt die Tage im Café. Dann lernt er Marie kennen, die als Mireille Mathieu verkleidet französische Chansons singt. Paul schließt sich ihr an, tingelt mit ihr in einem alten Tourneebus durch die Provinz.

Gülich stellt einen Menschen vor, der unfreiwillig ausbricht. Paul scheint in Befreiung zu erleben, die der Autor leicht und humorvoll mit einem gewissen Hang zu skurrilen Momenten nacherzählt.

Auch die 1979 in Bukarest geborene Journalistin Dana Grigorcea setzt in ihrem zweiten Roman an einem markanten Einschnitt im Leben ihrer Hauptfigur an. Victoria ist nach Jahren im Ausland nach Bukarest zurückgekehrt, um in einer Bank zu arbeiten. Nach einem Überfall auf das Geldinstitut wird sie beurlaubt, um das traumatische Erlebnis zu verarbeiten.

Zwischen den Therapiesitzungen fährt sie mit ihrem Freund in einem Cabrio durch die Stadt ihrer Kindheit. Victoria gleitet dabei in die Vergangenheit ab, taucht ein in Bilder, die um den Alltag eines Kinds in der Zeit der sozialistischen Diktatur, unter Nicolae Ceausescu zirkulieren.

Der Roman "Das primäre Gefühl der Schuldlosigkeit" wagt auf der Ebene einer Burleske die Auseinandersetzung mit einer dunklen, oft aberwitzig anmutenden Ära. Es gibt aber auch hier keinen bedrohlichen Unterton.

Das Publikum wurde konfrontiert mit einer poetischen Sammlung szenischer Anekdoten, die anrühren und doch auch immer wieder ins Absurde abgleiten.