Der Leiter des Poizeireviers Haslach, Markus Huber (links) und "Hamburgfahrer" Reinhard Hubrich Foto: Kluckert

Haslacher Beamter beschreibt seinen Einsatz bei den Krawallen beim G 20-Gipfel in Hamburg

Der G 20-Gipfel in Hamburg ist Vergangenheit. Diskutiert werden aber nicht die politischen Ergebnisse, sondern die Krawalle sowie der Polizeieinsatz während des Treffens. Wir sprachen mit einem Polizisten aus Haslach über seinen Einsatz beim Politikertreffen.

Haslach. Begonnen hatte für den Polizeihauptmeister Reinhard Hubrich im Streifendienst beim Polizeirevier Haslach alles durch eine Mail aus Hamburg am 19. April dieses Jahres, in der das Interesse an einem Einsatz beim G20-Gipfel in Hamburg auf Revierebene abgefragt wurde. "Mich hat die Aufgabe gereizt, der Einsatz und die Tätigkeit waren für mich trotz meiner 37 Jahre bei der Polizei komplett neu. Ich wusste nicht, was auf mich zukommt", beschreibt der 54-Jährige seine Motivation, sich für das insgesamt 20 000 Beamte umfassende Team zu bewerben, das einerseits die Staatsgäste und Bürger schützen, die Demonstrationen beobachten und mögliche mögliche Terroranschläge verhindern sollte. Seitens des Revierleiters wurden ihm keine Steine in den Weg gelegt. "Wenn es vom Personalstand möglich ist, lassen wir Kollegen bei Anfrage zu solchen Einsätzen gehen. Wir zeigen uns da solidarisch mit ihnen", so Polizeirat Markus Huber, Leiter des Reviers in Haslach.

Schon im April geplant

Vom "Bewerbungszeitpunkt" im April bis zum tatsächlichen Einsatz änderten sich allerdings Dauer und Aufgabenbereich. Erst sollte es ein dreitägiger Einsatz im Hotelinnenschutz sein, letztendlich wurde ein zwölftägiger Einsatz in der Großgefangenensammelstelle (kurz: GeSa) in Hamburg-Harburg, das in einem ehemaligen Einkaufszentrum untergebracht war. Hier wurden in räumlich getrennt platzierten Containern die von den Polizeikräften im Zusammenhang mit den G 20-Demonstrationen und -krawallen Festgenommenen (Kapazität: 150 Personen), sowie die vorübergehend in Gewahrsam genommenen (Zellenkapazität: 250) Personen und ebenso alle in Hamburg festgenommenen Straftäter für die Dauer des Gipfels untergebracht. Zudem, um zeitnah handeln zu können, waren auch das Amtsgericht sowie die Staatsanwaltschaft auf dem Gelände angesiedelt. "Das Spektrum der Ordnungswidrigkeiten und Straftaten reichte also von zu lauter Musik über Körperverletzung bis hin zu schwerem Landfriedensbruch, Vergewaltigung und Totschlag", beschreibt es der Vater zweier Kinder. "Die Personen wurden bei ihrer Ankunft registriert, erkennungsdienstlich behandelt, durchsucht und ihre persönlichen Dinge aufgelistet und verwahrt."

Konfliktvermeidung

"Während der Schichten trugen wir Zivilkleidung. Als Polizisten zu erkennen waren wir lediglich durch eine gelbe Warnweste mit der Aufschrift ›Polizei‹. Um möglichen Konflikten aus dem Weg zu gehen, war es im gesamten Sicherheitsbereich strikt untersagt, zu fotografieren. Zudem musste alles schriftlich und per Computer peinlich genau dokumentiert werden.

Hubrichs konkrete Aufgabe in der GeSa war es, Gespräche zwischen Festgenommenen und Rechtsanwälten zu organisieren. "Dazu wurden die Juristen am Haupttor abgeholt, ihre Identität überprüft und stichprobenartig auch abgescannt. Das Gespräch mit den Mandanten fand dann in einem gesonderten Container statt", beschreibt Hubrich den Ablauf. "In der Regel verliefen die Besuche unproblematisch. Egal, auf welcher Seite man steht: Die Akzeptanz für die Arbeit des anderen muss da sein", so der engagierte Hobbysportler. "Normale Gespräche waren Usus".

In den ersten Tagen seines Einsatzes sei es in der GeSa verhältnismäßig ruhig zugegangen. Das habe sich mit der Ankunft der Gipfelteilnehmer aber schlagartig geändert. Dennoch sei es nie zu brenzligen Situationen gekommen, erinnert sich Hubrich. "Nur einmal ist die Stimmung hochgekocht, als in der Einrichtung gegen die Polizei gerichtete Parolen skandiert wurden."

Sammelstelle

Von der aktuellen Situation im Umfeld des Gipfels erfuhren die Beamten in der GeSa anfangs nur wenig. Erst, als die Situation sich zuspitzte, konnten sie sich auch während ihres Einsatzes über einen im Aufenthaltsraum aufgestellten Monitor über das Geschehen aktuell informieren. "Und dann hat man natürlich auch aus den Laufzetteln der in die Sammelstelle gebrachten Festgenommenen mitbekommen, wenn dann da zum Beispiel ›schwerer Hausfriedensbruch‹ oder ›gefähliche Köperverletzung‹ draufstand", erläutert der Ortenauer. Zudem seien die Einsatzkräfte täglich durch ein aktuelles Flugblatt über polizeiliche Besonderheiten informiert worden.

Das GeSa-Gelände, das die Beamten nur nach Überprüfung der Dienstausweise und der für den Einsatz ausgestellten Visitenkarte betreten durften, wurde rund um die Uhr von Polizeieinheiten bewacht. Dennoch wurden die dort arbeitenden Einsatzkräfte gebeten, nicht zu dicht an den Zaun zu kommen, um vor möglichen Angriffen geschützt zu sein.

"Am Montag hat uns der Fahrer des Shuttlebusses, der uns jeden Morgen von unserem Quartier in Quickborn abgeholt hat, gebeten, die Aufschrift ›Polizei‹ auf dem T-Shirt oder der Warnweste möglichst abzudecken, denn es könne sein, dass auf der Fahrt mit Störungen zu rechnen oder der Bus sogar attackiert werden könnte. Und an diesem Montag ist er dann auch schneller gefahren."

Rückendeckung

Seitens der Familie hatte der 54-Jährige für seinen Einsatz von Beginn an volle Rückendeckung. "Gleich, als die erste E-Mail aus Hamburg gekommen ist, habe ich meiner Frau mein Ansinnen vorgetragen und bin bei ihr auf Zustimmung und volle Akzeptanz gestoßen. Als dann die Bilder im Fernsehen über die Ausschreitungen liefen, sind die Sorgen zu Hause schon etwas größer geworden. Aber ich hatte telefonischen Kontakt mit meiner Frau und konnte sie beruhigen." Dennoch waren seine Familie und er natürlich sehr froh, als er am Montag wieder mit dem Zug in Haslach ankam.

Auf die Krawalle angesprochen, bezieht der Polizeihauptmeister klar Stellung: "Wenn von einem Dach Pflastersteine auf die Einsatzkräfte geworfen werden, dann hat das mit freier Meinungsäußerung absolut nichts zu tun. Es ist bedauerlich, dass es eine so hohe Anzahl verletzter Kollegen gegeben hat. Das Demonstrationsrecht steht jedem zu, ohne Wenn und Aber. Einigen ging es aber nicht darum, sich politisch gegen etwas zu positionieren, sondern lediglich um zerstörung und Krawall. Das ist nicht akzeptabel."

Die Bilanz der zwölf aufregenden Tage in der Hansestadt fällt für den Polizeihauptmeister überwiegend positiv aus. "Es war ein stressiger, aber von der Art her auch ein höchst interessanter Einsatz. Das Zusammenspiel mit den Kollegen aus ganz unterschiedlichen Bundesländern und sogar dem benachbarten Ausland lief erstaunlich reibungslos. Es gab ein beeindruckendes Miteinander und die Teams haben gut funktioniert." Ob er einen solchen Einsatz wiederholen würde, auch wenn Krawalle und Ausschreitungen zu befürchten seien? "Ich bin Polizeibeamter und habe meinen Dienst zu verrichten. Wenn der Anruf kommt, muss ich hin. Das ist meine Berufseinstellung – mit allen Vor- und Nachteilen."

Seine Erlebnisse hat Hubrich in einem kleinen Tagebuch festgehalten. "dann kann ich später alles noch einmal nachvollziehen", so seine Begründung.

Insgesamt waren vor und während des G 20-Gipfels in Hamburg zirka 20 000 Einsatzkräfte vor Ort, darunter etwa 1000 Polizisten aus Baden-Württemberg. Vorgesehen waren 800, weitere 200 wurden aber in der Nacht zum Freitag angefordert. Die Zahl der verletzten Polizisten lag bei etwa 480, aus Baden-Württemberg stammten davon 72. Während des Einsatzes wurden 186 Personen festgenommen und weitere 225 kamen zeitweise in Gewahrsam. Untergebracht waren alle in der Gefangenensammelstelle in Hamburg-Harburg. Am Samstagabend befanden sich dort mehr als 250 Fest- oder in Gewahrsam Genommene. Über die Anzahl der verletzten Demonstranten liegen keine verlässlichen Zahlen vor.