Im Auto von Fahrlehrerin Monika Vollmer, Inhaberin der Fahrschule Schneider, darf Eckhard Gräff nochmal seine erste Fahrstunde Revue passieren lassen. Foto: Reinhard

SchwaBo-Redakteur Eckhard Gräff erlebt bei Monika Vollmer nochmal seine erste Fahrstunde nach

Irgendwie bin ich schon die ganze Nacht über leicht aufgeregt. Warum eigentlich? Nur weil ich noch einmal meine erste Fahrstunde nacherleben will und mich deswegen dazu angemeldet habe?

Groß passieren kann mir doch garnichts, immerhin fahre ich seit 41 Jahren Auto. Trotzdem ist irgendwie alles anders. Angespannt fahre ich morgens in die Redaktion und schaue dann alle Nase lang auf mein Mobiltelefon.

Erinnerungen an frühere Zeiten werden wach

Wann kommt wohl die Kurzmitteilung von Monika Vollmer? Endlich, kurz nach 10 Uhr, das erlösende Piep-Piep: Treffpunkt in einer halben Stunde an der Fahrschule. Erinnerungen an frühere Zeiten werden wach, als ich – zu Fuß, versteht sich – in die Steinacher Straße gehe und mich vor der Fahrschule auf die Treppe setze.

Auch damals musste ich erst einmal warten. Allerdings in der Fahrschule. Und da die Warterei ganz schön an den Nerven zerrte, gab mir die Frau des Fahrlehrers eine Tafel Schokolade: "Iss das mal, das ist gut für die Nerven". Nun, so schlimm ist das diesmal nicht, Süßes habe ich nicht dabei.

Dann steht Fahrlehrerin Monika Vollmer vor mir, lächelt mich an: "Hallo, es kann losgehen." Der schwarze Fahrschulwagen mit gelben Schriftzeichen und auffälligem Schild auf dem Dach glänzt in der Sonne.

Bevor ich den Schlüssel bekomme, fragt Vollmer sicherheitshalber aber noch mal nach: "Sie wollen also wirklich eine richtige erste Fahrstunde haben?" Als ich bejahe, werde ich mit einer Flut von technischen Informationen über das Fahrzeug vertraut gemacht.

Ich muss schmunzeln. Mein lieber alter Fahrlehrer taucht wieder vor meinem inneren Auge auf. Ich höre förmlich seine Stimme: "Also, das ist Lenkrad, Hupe, Blinker, links unten die Kupplung, in der Mitte die Bremse und rechts das Gaspedal.

Und das sind Schaltknüppel und Handbremse, mehr brauchst Du erst mal nicht zu wissen", sagte er damals. "Das Lenkrad ist höhenverstellbar, der Blinker befindet sich an der Bedieneinheit links.

Das Auto hat sechs Gänge, die Handbremse ist der kleine Hebel dahinter und vollelektronisch", erklärt Monika Vollmer das Auto von heute. Immerhin, Kupplung, Bremse und Gaspedal sind noch an der gleichen Stelle wie damals.

Als auch Fahrersitz und Spiegel eingestellt sind, darf ich den Motor starten. Er schnurrt leise wie ein Panther.

"Ganz anders der Käfer, da musste ich erst mal Vollgas geben, dann lief er rund", denke ich mir. Kopf drehen, in den linken Seitenspiegel schauen, Blinker setzen, dann darf ich losfahren.

Monika Vollmer macht ihre Sache gut: Sie behandelt mich tatsächlich fast wie einen Fahranfänger, beobachtet aufmerksam meine Fahrweise, hat zudem die Umgebung fest im Blick und passt auf, dass ich alle Verkehrsregeln einhalte. Ihre Füße sind dicht an den "Fahrlehrer-Pedalen", ihre rechte Hand liegt auf ihrem linken Bein. "Damit ich sofort ins Lenkrad greifen kann, falls der Fahrschüler falsche Lenkbewegungen macht", erklärt sie mir. Ich fühle mich permanent beobachtet. Das war früher anders.

"Fahr immer schön geradeaus"

Mein Fahrlehrer, damals schon so Mitte 60, saß auf dem Beifahrersitz, kaute an einem kalten Zigarrenstumpen (ich hab ihn übrigens nie ohne gesehen) und schaute angespannt durch die Frontscheibe des Käfers. "Junge, Du fährst immer geradeaus, ich sag Dir dann schon, wenn Du mal abbiegen sollst, und vergiss zwischendurch das Schalten nicht", sagte er nur. Und lobte mich, weil ich so brav vor dem Abbiegen den Blinker gesetzt hatte.

Und im Kreisverkehr? Früher gab es diese Art der Straßenführung noch so gut wie nicht. Also lasse ich mir von "Moni" Vollmer genau erklären, wann da geblinkt werden muss. Und wer wann wie und warum Vorfahrt hat.

A propos: Radwege gab es früher auch nicht. Auch hier sind Regeln zu beachten, die 1976 noch kein Thema waren. Jetzt merke ich, dass es da doch einiges gibt, was ich von Monika Vollmer wissen will. Und die Fahrstunde fängt an, mir Spaß zu machen.

Zwangsläufig kommen wir auch auf die schlechte Disziplin der Autofahrer zu sprechen. "Das ist in der Tat ein Problem, der Egoismus greift immer mehr um sich, Stress und Aggressionen tun ihr übriges", sagt sie ernst. Ich spüre es übrigens selbst im Fahrschulauto: "Welpenschutz" gibt es heute nicht mehr. Jeder versucht, sich durchzuboxen. Da interessiert es anscheinend kaum jemanden, ob ich ein Fahrschulschild auf dem Autodach habe. Das gibt mir zu denken und ich überlege mir, was ich vielleicht an meinem Fahrstil im Alltag noch oder wieder verbessern kann. "So, wir fahren jetzt zurück zur Fahrschule", unterbricht Monika Vollmer meine Gedanken.

"Sie fahren ruhig, vorausschauend und ökonomisch", zieht sie zufrieden Bilanz. Nur zweimal muss sie mich daran erinnern: "Bitte beide Hände ans Lenkrad beim Fahren." Ich muss innerlich lachen: "Ökonomisch", denke ich und erinnere mich an die mahnenden Worte meines Fahrlehrers: "Junge, du musst schon etwas mehr Gas geben und den Motor schön auf Touren bringen vor dem Hochschalten, sonst säuft er Dir ab."

"Das ist eine verkehrsberuhigte Zone"

Ökonomisches Autofahren war damals kein Thema, da kostete der Liter Benzin auch 90 Pfennig. Ich bin zufrieden mit mir, als ich das schwarze Fahrschulauto zu unserer Redaktion in die Haslacher Altstadt lenke.

"Nur rollen lassen, hier dürfen Sie kein Gas geben, das ist eine verkehrsberuhigte Zone", mahnt Monika Vollmer. Auch ein Thema, welches es damals noch nicht gab. Unwillkürlich frage ich mich, ob ich die theoretische Prüfung wohl heute noch bestehen würde? "Ich denke schon", gebe ich mir die Antwort selbst. Denn ich habe in den 45 Minuten sehr viel Wissen vertieft und Neues dazugelernt. Monika Vollmer lächelt mich an: "Na dann hat sich der Selbstversuch ja gelohnt."        

EPILOG

Mit 65 mache ich das nochmal

Als ich 1976 den "Lappen" machte, gab es noch keinen Kreisverkehr, keine verkehrsberuhigten Zonen oder gar Spielstraßen. Um Geschwindigkeit zu bekommen, musste ich erst einmal Gas geben, bevor ich weiterschaltete. Heute lernt man in der Fahrschule das ökonomische Fahren. Und zudem es gibt noch viele kleine Dinge, die mir Monika Vollmer mit auf den Weg gibt. Ja, die Fahrstunde hat mir sehr viel gebracht. Das habe ich schon abends auf der Heimfahrt gemerkt. Sie dauerte ganze acht Minuten länger, aber ich war viel entspannter. Ich bin mir sicher: In spätestens fünf Jahren sitze ich nochmal in einem Fahrschulauto. Und wenn ich jetzt aussteige, öffne ich mit der rechten Hand die Fahrertüre. Na, lieber Leser, erinnern sich sich, warum? Ich weiß es wieder.