Frischer Wind kehrt in der Haslacher Verwaltung ein – auch optisch: Kürzlich hat die Stadt einige Fotografien von Sebastian Wehrle erworben, die nun im Rathaus hängen. Foto: Kleinberger

Haslachs Bürgermeister zieht nach 100 Tagen im Amt eine erste Bilanz. "Supertolle Aufgabe."

Haslach - Philipp Saar hat als Bürgermeister von Haslach seinen ersten Meilenstein erreicht: Am heutigen Freitag ist er 100 Tage im Amt. Im Gespräch mit dem SchwaBo blickt Saar nach dem ersten "Sprint" zurück – aber natürlich auch voraus auf den Marathon, der noch vor ihm liegt.

Herr Saar, wie war Ihr erster Arbeitstag?

Der war wirklich toll. Er hat mir gezeigt, dass meine Mitarbeiter Lust haben, mit mir zusammenzuarbeiten und vielleicht auch mal ein bisschen mehr machen, um dem Neuen den Einstieg zu erleichtern. Der Übergang eines Bürgermeisters auf den anderen ist ja nicht wirklich geregelt. Mit Heinz Winkler hatte ich mich schon vor dem offiziellen Amtsantritt getroffen, um die wichtigsten und größten Themen abzuholen. Denn eine Stadt ist wie ein fahrender Zug. Der kommt nicht im Bahnhof an und fährt dann langsam wieder los, sondern fährt mit hoher Geschwindigkeit durch und es gibt einen fliegenden Wechsel. Der eine springt runter und der andere springt auf, der Zug muss aber mit Volldampf weiterfahren. Das heißt, es bleibt wenig Zeit, in Ruhe anzukommen. Ich habe ein ordentliches Pensum übernommen. Aber es ist mir leicht gemacht worden, reinzukommen. Die Themen sind und waren gut vorbereitet. Alles läuft auf einem guten Weg und sehr, sehr positiv.

Haben Sie denn direkt am ersten Tag realisiert, dass Sie jetzt der Bürgermeister sind und das Heft in der Hand haben?

Zwischen der Wahl und dem Amtsantritt lag natürlich eine große Zeitspanne. Ich habe es tatsächlich in dem Moment gemerkt, als ich mich hier ins Büro setzte und Carolin Ast mir die ersten Unterlagen reinreichte. Dann habe ich gemeinsam mit Hauptamtsleiter Adrian Ritter losgelegt, mich um die neuesten Themen zu kümmern und in die erste Planung einzusteigen. Das ging relativ schnell.

Gibt es eine Aufgabe im Amt, die Sie sich vorher völlig anders vorgestellt haben?

Im Amt nicht, das muss ich wirklich sagen. Es gibt aber eine Sache, die ich mir leichter vorgestellt habe: Die Wohnungssuche. (lacht) Ich hätte nicht gedacht, dass dieses Thema mich derart lange beschäftigt! Es hat mich darin bestärkt, dass wir als Verwaltung das wirklich angehen müssen. Ich mag es natürlich, dass Haslach so eine gefragte Wohnlage ist. Wir müssen aber schauen, dass wir ein größeres Angebot schaffen. Zwischen der Wahl und dem Amtsantritt war ja Zeit. Aber dass es dann am Ende so lange gedauert hat – und bis zum Einzug in die Wohnung auch noch dauern wird – hätte ich so nicht gedacht.

Wie lange hat es jetzt gebraucht, bis Sie die Zusage für die Wohnung hatten?

Fast fünf Monate. Beziehen können wir die Wohnung im Herbst. Das erleichtert natürlich auch das Ankommen in einer Stadt wie Haslach. Es ist etwas anderes, ob man samstags einfach mal auf dem Markt einkaufen kann oder jedes Mal eine Stunde hin und zurück fährt.

Was machen Sie als Bürgermeister besonders gerne?

Ich führe sehr gerne Gespräche mit den Bürgern. Die Haslacher haben mir das Ankommen übrigens wirklich erleichtert. Sie sind sehr offen, sehr direkt, aber auch sehr freundlich und herzlich. Die Gespräche, egal wo, ob auf dem Weg ins Büro, bei Vereinen oder Veranstaltungen oder beim Geburtstagsgratulieren – und die Menschen in Haslach werden sehr alt, das wissen wir – sind schön, um zu hören, was die Menschen bewegt. Das liefert mir sehr viel Input.

… und was nicht?

Einzig das Pendeln. Wenn ich nach 100 Tagen als Bürgermeister schon Themen hätte, die mich langweilen, hätte ich irgendetwas falsch gemacht. Wir machen ja keinen Sprint, sondern müssen perspektivisch arbeiten und denken und für mindestens acht Jahre planen.

Einen Sprint machen Sie nicht, aber gibt es schon etwas, was Sie als kleinen Erfolg verbuchen würden?

Wir haben eine Stadtbaumeisterin gefunden! Die Nachfolge von Roland Wacker hat mich sehr beschäftigt. Ich glaube, dass wir mit Katharina Rauer jemanden gefunden haben, die die nötige Erfahrung und Reife mitbringt, die dieses Amt erfordert. Sie wird sicher ihre Zeit brauchen. Aber Roland Wacker ist auch noch bis Frühjahr 2018 da. Diese intensive Einarbeitungszeit stellt einen immensen Mehrwert dar. Ich bin ein bisschen stolz, dass wir hier alle so gut an einem Strang gezogen haben: Gemeinderat, Verwaltung und Frau Rauer – und freue mich auf den gemeinsamen Weg.

Sie haben in Haslach eine gut funktionierende Verwaltung übernommen. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?

Sehr gut. Die Verwaltung ist sehr effizient und kollegial. Im Selbstverständnis besitzt sie eine ausgesprochene Dienstleistungsmentalität gegenüber den Bürgern. Das schätze ich sehr. Mich hat sehr überrascht, mit was für einer Professionalität und Denke hier gearbeitet wird.

… und mit dem Gemeinderat, so weit Sie das schon beurteilen können?

Die Stadträte beziehungsweise Fraktionen nehmen ihre Aufgaben sehr gut wahr. Natürlich gibt es verschiedene Meinungen, aber in der Sache ist man oft nah beieinander. Ich bin da wirklich sehr positiv gestimmt, was die Zukunft betrifft: Dass eine sicher auch kritische, aber konstruktive Suche nach Lösungen für die Stadt möglich ist. Das muss unser übergeordnetes Ziel sein.

Wie wurden Sie von den Bürgermeistern Ihrer Umlandgemeinden aufgenommen?

Im Kinzigtal und vor allem in der Verwaltungsgemeinschaft haben wir eine verschworene Gemeinschaft, die sich in den kommenden Monaten neu aufstellen wird. Ich wurde vom gesamten Kinzigtal-Sprengel sehr freundlich aufgenommen und gleich eingebunden. Das hat mir den Einstieg deutlich erleichtert. Ich werde alles dafür tun, dass wir das auch wieder so hinbekommen, wenn alles durchgewechselt ist. Ich muss immer ein bisschen schmunzeln, aber wenn das so weitergeht, zähle ich mit dem Kollegen Thomas Schneider von Fischerbach fast zu den Dienstältesten hier in der Verwaltungsgemeinschaft. (lacht)

Wie fühlt sich das an?

Das ist ein bisschen skurril, aber man wächst ja auch mit seinen Aufgaben. Ich bin sehr gespannt, wie die Wahlen im Umland ausgehen.

Die viel beschworene "Kinzigtal-Mafia" bleibt also weiter bestehen?

"La Famiglia" wird sich neu aufstellen, aber auf jeden Fall bleiben. Ziel muss sein, dass wir gemeinsam agieren. Für das klassische Kirchturmdenken ist heutzutage kein Platz mehr. Das Kinzigtal ist hoch attraktiv und das soll es auch in Zukunft bleiben, man sollte bei allen unterschiedlichen Meinungen und Ansichten, generell den Blick für das große Ganze nicht verlieren.

Vermissen Sie Berlin?

Nein. Es war eine gute und intensive Zeit, aber ich vermisse Berlin nicht. Ich vermisse gelegentlich meine Freunde. Aber es ist ja nicht so, als wäre das Kinzigtal gänzlich aus aller Welt. Der Flughafen ist in weniger als einer Stunde zu erreichen, und wenn mich die ganz große Sehnsucht treibt, bin ich innerhalb von zwei, drei Stunden in Berlin. Das ist kein Weg mehr. Meine Partnerin und ich hätten sicher auch in der Hauptstadt weiter arbeiten und Karriere machen können. Aber es ist gut und richtig, dass wir jetzt hier sind. Berlin war eine gute Zeit, aber die ist jetzt rum.

Was würden Sie Ihrem Vor-Wahl-Ich gerne sagen?

Sei gelassener und vertraue auf die Vernunft der Haslacher. Und vor allem: Freu dich drauf! Es ist eine supertolle Aufgabe, die wirklich Spaß macht.

Was wünschen Sie sich für die nächsten 100 Tage?

Dass die Wohnung jetzt schnell fertig wird und ich bald vor Ort sein kann. Und vor allem, dass wir die geplanten Themen erfolgreich weiterführen können. Da sind wir aber auf einem guten Weg.

An welche Projekte denken Sie konkret?

Die Planung des schnellen Internets für Haslach. Wir sind im Lead, was die Backbone-Planung des Kreises betrifft. Da müssen wir noch viel Arbeit reinstecken. Und ich möchte, dass das schnell kommt. Die Bürger und Unternehmen brauchen das zügig und die Aufgabe ist arbeitsintensiv. Ebenso wird das Thema Wohnungsbau für die Zukunftsfähigkeit Haslachs von zentraler Bedeutung werden. Hier arbeitet die Verwaltung schon heute intensiv an Lösungen, die es gilt, in den kommenden Jahren umzusetzen.   Die Fragen stellte Lisa Kleinberger.

Philipp Saar wurde am Sonntag, 19. März, von den Haslachern zum neuen Stadtoberhaupt gewählt. Er setzte sich im ersten Wahlgang mit klaren 92 Prozent der Stimmen gegen drei Konkurrenten durch. Heinz Winklers Nachfolge im Rathaus trat Saar offiziell am 1. Juni dieses Jahres an.