Der Angeklagte Heinz Winkler (links) verzweifelt schier über die Härte des Anklägers Schwendemann (obere Reihe, Zweiter von links). Foto: Kleinberger

Rathaussturm: Heinz Winkler wird zur Teilnahme an allen närrischen Ereignissen auf 25 Jahre verpflichtet

Große Aufregung im Haslacher Rathaus: Die Regierung liegt in Ketten. Nach mehr als 30 Jahren der Herrschaft Heinz Winklers im Städtle ist es an der Zeit, die alte Ordnung wieder herzustellen.

Haslach. Das zumindest ist das erklärte Ziel des Chefanklägers (Martin Schwendemann), der davon überzeugt ist: "Vor Winkler war alles besser!" Dieser Bürgermeister habe vor 32 Jahren das "unsägliche" Rathausspiel eingeführt. Davor hätten die Narren es noch selbst in der Hand gehabt! Unter den verzweifelten Blicken der in Ketten gelegten Angeklagten – Heinz und Bärbel Winkler sowie Carolin Ast direkt unter der Richterbank – lässt der Ankläger die Narren los wie zu alten Zeiten.

Ein heilloses Chaos entsteht. Während ein überfordert bis gelangweilt wirkender Narrenrat den Rathausschlüssel einfordert, lassen die Narren im Hintergrund die Puppen tanzen. Winkler ist entgeistert: "Macht die Zigaretten aus! Der schöne Teppich!" ruft er, was seinen Ankläger nur zu der Feststellung verleitet, Winkler habe diese Perle des alemannischen Brauchtums zerstört, "weil er Angst um seinen Teppich hatte". Der Verteidiger (Adrian Ritter) unterdessen verschläft das Spektakel neben den beiden Richtern (Klaus Müller und Manuel Seitz). Und ist generell keine große Hilfe: Immer wieder versuchen die Richter, ihn zur Ausübung seiner Pflicht zu bewegen. Vergeblich: Der Verteidiger schläft.

Die Richter beraten sich kurz. Während die gebannt wartende Bürgerschar "Spiel mir das Lied vom Tod" vernimmt und Winkler und Konsorten schier verzweifeln, kommen die Richter zum überraschenden Ergebnis: Freispruch! Der Ankläger kocht.

Der "total geknechtete" Stadtrat

Er ist jedoch keineswegs am Ende. Unter Winkler sei der Stadtrat "total geknechtet" worden – "perfekt vorbereitete Sitzungen" werden hier zu einem Anklagepunkt. Im Zeugenstand: Der Stadtrat selbst. Für die Geknechteten spricht niemand Geringerer als der Revolutions-Stadtrat Martin Schaeffer. Nein, er spricht nicht, er singt. Und dem Ankläger wird gleich ganz anders: "Der scharfe Schaeffer" singt zu seinem Entsetzen ein Loblied auf die Herrschaft Winklers – und der übrige Stadtrat stimmt ein! "Wenn wir zusammenrechnen, der Winkler war nicht schlecht", singen sie. Doch der Ankläger fängt sich schnell: "Verurteilt ihn! Ich bin mir sicher, dass sie nur deswegen ein Loblied auf ihn singen, weil sie ihn endlich loswerden wollen!" Er hat keine Chance. Die Richter plädieren erneut für "Freispruch, Freispruch, Freispruch".

Früher war alles besser, lässt die Anklage nicht locker. Und dann noch die Schulden! Winkler sei ja geradezu als "Schulden-Schultis" zu bezeichnen. Früher, da war das Stadtsäckel gut gefüllt. Da war die Altstadt noch keine Fußgängerzone und es gab noch keinen "Winkler-Gedächtnisturm", "gebaut über einer Müllhalde, damit man das Elend auch noch von oben sieht". Dass nun eine ganze Masse an Zeugen für Winkler und die übrigen Angeklagten (Roland Wacker, Gisela Ringwald, Ralf Rösch und Hans-Peter Falk) ins Rathaus einmarschiert und den Bürgermeister gleich gebührend feiert, ist der Anklage nicht unbedingt Recht. Ein besonders guter Punkt geht an die "Wasserverteurer", die sich darauf berufen, "das größte Schwimmbad im ganzen Kinzigtal" zu haben. Ob Schüler, Schwimmer, Bergleute, Wirte oder Turner: Sie alle belegen, dass die Ausgaben des "Schulden-Schultis" der Stadt offenbar gut getan haben. Die Richter verzichten an dieser Stelle schlussendlich darauf, unparteiisch wirken zu wollen. Doch dann zieht der Ankläger die "Erbschuld" aus dem Hut: Winkler ist Schwabe!

Ein Raunen geht durch die Menge, das ist doch unverzeihlich. Der Ankläger fordert die Höchststrafe. Winkler und seine Mitangeklagten verzweifeln.

Doch die Richter lassen das nicht gelten. Nach längerer Beratungszeit steht für sie fest: Der Bürgermeister ist ein Guter – und wird freigesprochen. Allerdings unter Auflagen. Für die nächsten 25 Jahre ist Winkler per Richterspruch verpflichtet, den Umzügen, dem Schnurren und den Elfimessen beizuwohnen. Ein Urteil, das der scheidende Schultis, dem im Nacken die Guillotine saß, folgendermaßen kommentiert: "Da hätt’ ich ja auch nicht aufhören müssen!" – "Späte Einsicht", kontert eine Stimme aus dem Publikum.

Ranzenorden statt Amtskette

Im Rahmen der Schlüsselübergabe gibt es dann eine besondere Ehre für Winkler. Seine Amtskette müsse er ja demnächst abgeben, beginnt Narrenzunft-Vorstand Manuel Seitz. Aber die Zunft habe etwas Besonderes für ihn. Winkler werden der Kleine und Große Ranzenorden verliehen. Für Bürgermeister Winkler ist diese Schlüsselübergabe die letzte. "Es tut weh", bekennt er am Ende sichtlich gerührt. Die Schlüsselübergabe an die Narren und die Wahl seines Nachfolgers fallen zeitlich tatsächlich recht eng zusammen. Dem Richterspruch entsprechend dürfte Winker der Haslacher Fasent jedoch noch lange erhalten bleiben.