Original und Fälschung: Eine Frau mit Bollenhut ist auf einem Wahlplakat der AfD (rechts) abgebildet. Foto: dpa/AfD-Plakat

Werbung mit Symbol des Schwarzwalds. Im Kinzigtal, der Heimat des Bollenhuts, ist man nicht  erfreut.

Gutach - Die Hände nach vorne gestreckt, beide Daumen nach oben gereckt, im Gesicht ein übertrieben künstliches Lachen, am Körper ein Dirndl unbekannter Herkunft und auf dem Kopf ein Bollenhut: So ist eine Frau auf einem Wahlplakat der AfD abgebildet. Neben ihr zwei weitere Frauen: die eine im bayerischen Dirndl, die andere in einem niedersorbischen traditionellen Gewand. Überschrieben ist das zur Bundestagswahl gestaltete Plakat der AfD mit »Bunte Vielfalt? Haben wir schon.« In einem Plakatshop auf der Homepage der Partei kann man dieses Plakat neben sieben weiteren Motiven bestellen.

Allerdings ist das Plakat mit dem Bollenhut inzwischen zu einem Aufreger geworden, denn die immer wieder auf deutsche Werte und Traditionen pochende AfD nimmt es hier alles andere als genau. Die Darstellung der Schwarzwälder Tracht geht komplett an der von der AfD hochgepriesenen Tradition vorbei.
»Das hat mit dem Original nur wenig zu tun«, sagt der Vorsitzende der Trachtenkapelle Gutach, Mike Lauble. Unter dem Hut sei beispielsweise keine Seidenhaube drunter, charakterisiert er das Model auf dem AfD-Plakat. Und Lauble geht ins Detail: »Die Dirndlbluse mit Ausschnitt geht gar nicht, bei unserer Tracht gibt es kein Dekolleté. Es wird dazu kein Schmuck getragen, keine Ohrringe, kein Lederarmband, kein Ring. Der Hut wird nach hinten gebunden, nicht um den Hals«, gibt er eine kleine Einführung zur Gutacher Tracht. Und zur authentischen Schwarzwaldtracht gehört ein schwarzer Faltenrock – und keine rote Schütze, wie es auf dem Plakat  zu sehen ist.  Doch ein Laie im Trachtenwesen könne diese für die Trachtenträgerinnen so elementaren Unterschiede wohl nur schwer kennen.

Wehren könne man sich jedoch nicht gegen eine Vermarktung des Bollenhutes als Werbemittel. »Der Bollenhut ist nicht geschützt und auch nicht schützbar«, was auch daran liege, dass die genaue Herkunft nicht geklärt ist. Kommt der Hut aus der Gemeinde Gutach, oder stammt er aus dem Hornberger Ortsteil Reichenbach, oder gar aus dem Wolfacher Ortsteil Kirnbach? In allen drei Orten im Kinzigtal (Ortenaukreis) wird der Bollenhut zur Tracht getragen.
Zwar wurde einmal eine Schutzgemeinschaft für den Bollenhut gegründet, diese hat sich aber nach wenigen Jahren wieder aufgelöst: Zu umfangreich war in den unterschiedlichsten Bereichen die Zweckentfremdung des identifikationsstiftenden Kleidungsstücks.

Der nicht einzudämmende permanente Missbrauch des Bollenhuts stößt auch der Gutacherin Gaby Aberle sauer auf. Sie ist eine der wenigen Bollenhutmacherinnen im Schwarzwald. Immer wieder werde der Hut in der Werbung verwendet, junge Frauen tragen den Hut und ziehen dazu irgendein unpassendes Fantasiedirndl an. »Es ist ein Stück Heimat, ein Stück Kulturgut, das da missbraucht wird«, erklärt sie. Viele Menschen wüssten gar nicht, was hinter diesem Teil der Tracht alles an Tradition stehe und was einzelne Teile der Gutacher Tracht symbolisieren. Dies sei durchaus vergleichbar mit dem strengen Reglement bei der traditionellen Fasnacht, das beispielsweise in Rottweil, Schiltach und Oberndorf Anwendung findet.

Allerdings – dies ist nur die eine Seite der Medaille. So ist der Bollenhut in Deutschland eben ein Symbol für den Schwarzwald schlechthin. Und im Ausland steht der Bollenhut pauschal für Deutschland, erzählt Aberle, und berichtet von einem Ausflug der Trachtenkapelle in die USA, wo man 1974 bei der legendären Steubenparade in New York mitgelaufen sei. »Dort waren wir mit unserem Bollenhut ›Deutschland‹«.

Dass nun der Hut allerdings schon in der Politik angekommen ist, und ausgerechnet von der rechtspopulistischen AfD auf Plakaten missbraucht wird, »geht gar nicht. Da kann man nur den Kopf schütteln«, erklärt sie, auch angesichts der Fantasietracht, welche die Bollenhutträgerin auf dem AfD-Plakat trägt.
In die gleiche Kerbe schlägt Gutachs Bürgermeister Siegfried Eckert. Kein Wunder, sieht sich doch Gutach als »Heimat des Bollenhuts«. Klar, der Bollenhut ist Werbeträger Nummer eins im Schwarzwald, erklärt er, aber das mit der AfD-Plakatwerbung »kann ich gar nicht gutheißen«.
Durch das Plakat werde suggeriert, man könne auch »Heimat«, obwohl die AfD hier mit ihrer Darstellung völlig falsch liege: »Die Gutacher Tracht ist eine Sonntagstracht mit Historie und Tradition«, erklärt Eckert.

»Was die AfD hier macht, geht gar nicht«, findet er klare Worte. Zwar gebe es viele Menschen, welche die genauen Hintergründe zu dieser Tracht nicht kennen würden, und immer wieder komme es auch vor, dass insbesondere jüngere Leute sich nicht vollends bewusst seien, welche Symbolik hinter den einzelnen Teilen der Tracht steht. »Da hilft dann nur, das Gespräch zu suchen, zu argumentieren und zu überzeugen«, erklärt der Bürgermeister der 2300 Einwohner zählenden Gemeinde im Kinzigtal.

»Wir sagen klar, dass  wir das nicht gutfinden«

Und er erinnert an die Grünen, welche bei einer früheren Wahl ebenfalls schon auf die Idee verfallen waren, mit einem Bollenhut – in Grün – zu werben. Nachdem ihnen erklärt worden war, dass dies keine allzu gute Idee wäre, seien sie von dem Vorhaben wieder abgekommen.

Das AfD-Plakat war sogar kurz Thema im Gemeinderat, so Eckert. Dabei sei das Gremium übereingekommen, das Thema nicht allzu hoch zu hängen. »Es gab aber klare Statements dagegen«, so Eckert. »Wir sagen klar, dass wir das nicht gutfinden. Aber wir klären auch darüber auf, was der Bollenhut eigentlich bedeutet«.
Das Plakat ist auch von anderer Seite kritisiert worden. So hatte sich die slawische Minderheit der Sorben in der Lausitz beschwert, dass sie ungefragt für den AfD-Wahlkampf herhalten musste: »Wir finden es sehr befremdlich, wenn wir mit polemischen und fremdenfeindlichen Kampagnen gezeigt werden«, erklärte der Direktor der Stiftung für das sorbische Volk, Jan Budar, gegenüber der »Sächsischen Zeitung«.

Und die AfD selbst? Unsere diesbezügliche Anfrage an die Partei blieb unbeantwortet. Immerhin hat sich Parteichefin Frauke Petry in der AfD-Parteizeitung »Kompakt« geäußert. Das Plakat gehe nicht pauschal Zuwanderer an, sondern »betont den Wert, den wir auf eigenen Traditionen und Vielfalt in unserem Land legen«, wird sie zitiert. Mike Lauble von der  Gutacher Trachtenkapelle hat da eine ander Sicht der Dinge: »Wenn man Trachten zeigt und auf Tradition macht, muss es schon hundertprozentig stimmen«.

Überhaupt scheint die AfD nicht immer ein glückliches Händchen mit ihren Plakaten zu haben. So gab es ein Plakat des AfD-Kreisverbandes Nürnberg, in dem gefordert wurde, die ärztliche Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Eine Forderung, die sicher viele unterschreiben würden. In einem roten Punkt auf dem Plakat ist zudem zu lesen: »Hol dir dein Land zurück«. Im Hintergrund des Plakats zu sehen: das schneebedeckte Matterhorn in der Schweiz.