Schneider mit Fritz-Ullmann-Statue Foto: Reinhard Foto: Schwarzwälder-Bote

Interview: Thomas Schneider spricht über seine Amtszeit. "Der schönste Job nach dem Papst".

Fischerbach - Seit 100 Tagen ist der Fischerbacher Bürgermeister Thomas Schneider heute im Amt. Mit dem Schwabo sprach er über seinen ersten Arbeitstag, geliebte und ungeliebte Aufgaben, Überraschungen, seine Erwartungen an das Amt und anstehende Projekte.

Herr Schneider, erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag als Bürgermeister?

Der 1. Januar war mein erster Arbeitstag. Da musste ich die sogenannte Dienstantrittsanzeige beim Landratsamt machen.

Was ist das?

Wenn Sie zum Beamten ernannt werden, erfolgt das mit der Übergabe der Ernennungsurkunde. Ein Bürgermeister wird gewählt. Und dann gibt es den Punkt, an dem man sagt, "Liebes Landratsamt, ich bin jetzt da, ich bin gewählt, ich trete den Dienst jetzt an." Das war ein Fax, das an den Landrat ging und das musste wirklich am 1. Januar passieren. Denn wenn das am 2. Januar passiert wäre, dann hätte es an Neujahr keinen Bürgermeister in Fischerbach gegeben. Da hätte das Kommunalamt mit dem alten Bürgermeister eine Dienstverlängerung vereinbaren müssen. Seine Amtszeit endete automatisch mit dem Wechsel ins neue Jahr.

Das war also Ihr erster Tag?

Man kann jetzt darüber streiten, ob der 1. Januar mein erster Diensttag oder mein erster Arbeitstag gewesen ist. Mein erster Tag hat jedenfalls so ausgesehen, dass ich am Morgen mit meiner Frau in die Kirche gegangen bin und dann habe ich den Gemeinderat, die Abteilungsleiter der Verwaltung und den bisherigen Bürgermeister eingeladen. Er hat mir den Schlüssel, die Amtskette und den Feuerwehrpiepser übergeben. Und dann folgte das Fax an den Landrat, das die Verwaltung schon vorbereitet hatte. Das musste ich nur noch unterschreiben. Das war recht schnell erledigt und es gab dann ein Glas Sekt. So richtig Arbeit war das ja noch nicht.

Also eher etwas Formelles.

Ja, etwas Formelles, was Menschliches, was Schönes. Das war so mein erster Tag, an den ich mich wahrscheinlich in acht Jahren noch sehr gerne erinnere, weil es eben etwas Besonderes war.

Ab welchen Zeitpunkt haben Sie wirklich realisiert, dass Sie jetzt der Bürgermeister von Fischerbach sind?

So richtig realisiert habe ich das mit der Übergabe. Hier sind die Schlüssel, jetzt bist du der Hausherr, hier die Amtskette und hier der Piepser. Ab sofort bist du zuständig für alles. Wenn es also irgendwo brennt oder etwas Schlimmes passiert, habe ich die Verantwortung. Wenn jetzt etwas passiert, weiß ich noch nicht, wo der Ordner für den Katastrophenfall steht, aber ich bin zuständig.

Gab es irgendetwas in den vergangenen 100 Tagen als Bürgermeister, das Sie überrascht hat?

Ja. Mich hat es sehr überrascht und das tut es immer noch, wenn mich jemand in Haslach mit "Guten Tag, Herr Schneider" begrüßt. Das ist mir neulich passiert. Da hat mich jemand aus Biberach gegrüßt und mir erzählt, wie er diesen Wahlkampf in Fischerbach verfolgt hat. Wenn ich irgendwohin gehe und ich bin fremd, stellt sich erst der andere vor, und wenn ich dann dran bin, sagt der andere "ja, ich weiß", das überrascht mich immer noch.

Gab es noch etwas Anderes?

Bestätigt hat sich auf jeden Fall die Vielfältigkeit. Es gibt ja den Spruch von Erwin Teufel, dass der Bürgermeister der schönste Job nach dem Papst ist. Da bin ich voll seiner Meinung. Mit interessanten Menschen zusammenzukommen, mit denen ich vorher vielleicht nicht so zu tun hatte, ist etwas ganz Tolles und das genieße ich zur Zeit.

Haben Sie da ein konkretes Beispiel?

Eigentlich alle Menschen, die ich so kennenlerne, beeindrucken mich, weil sie in irgendeiner Weise ein Gebiet abdecken oder mit Problemen zu tun haben, zu denen ich bisher keine so direkten Berührungen hatte. Ein ganz drastisches Beispiel ist vielleicht die Polizei. Da hatte ich vor Kurzem die Gelegenheit, neben dem informativen Gespräch einfach mal so banale Sachen wie eine Ausnüchterungszelle zu sehen.

Gibt es ein Projekt, das Sie als Bürgermeister anders sehen als Gemeinderat?

Ja. Es gibt ja den Spruch ein jedes Ding hat tausend Seiten – zumindest aber zwei. Eine Medaille hat immer eine Vorder- und eine Rückseite. Mir war klar, dass ich als Gemeinderat nur seine Seite der Medaille sehe. Nicht, weil man mir die andere Seite vorenthalten hat, sondern weil jeder Aspekt noch eine andere Seite hat. Ich habe jetzt den Eindruck, dass ich auch die Rückseite dieser Medaille sehe. Ganz konkret ist mir das beim Mehrgenerationenhaus aufgefallen. Es soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, dass dem Gemeinderat Informationen vorenthalten wurden. Aber es sind einfach noch Aspekte dazugekommen, die für mich neu waren.

Was machen Sie als Bürgermeister besonders gerne?

Ich hatte jetzt ein paar Mal die Gelegenheit, einen Außentermin wahrzunehmen. Wenn die Sonne so scheint, ist das natürlich herrlich. Das lege ich mir dann auch so, dass es nicht gerade regnet. Und das genieße ich dann auch.

Und was machen Sie nicht so gerne?

Wenn ich die Postmappe bekomme und die vielen Zeitungen – vom Gemeindetag oder Staatsanzeiger – darin sehe, die ich eigentlich durcharbeiten sollte, frage ich mich immer, woher ich die Zeit nehmen soll. Das schiebe ich dann auch gerne mal vor mir her.

Hat sich Ihr Verhältnis zu ihren ehemaligen Ratskollegen als Bürgermeister in den vergangenen 100 Tagen verändert?

Meinem Gefühl nach hat sich da noch nichts verändert, aber man muss auch ehrlicherweise sagen, dass es noch keine Punkte gab, die kontrovers diskutiert wurden, und bei denen es mir nicht gelungen ist, den Gemeinderat einzubinden. Ich hoffe auch, dass mir das mit meiner bisherigen Erfahrung als Gemeinderat erspart bleibt und dass es mir gelingt, den Rat mitzunehmen. Ich möchte, dass das Ergebnis letztendlich in der Diskussion mit dem Gemeinderat verbessert wird. Der Ablauf ist ja immer so, dass man aus einer gewissen Situation, aus der man einen Beschlussvorschlag formuliert oder als Bürgermeister eine Vorstellung hat, wie etwas auszusehen hat. Aber auch als Bürgermeister blickt man manchmal nur auf eine Seite der Medaille und da kommt der Gemeinderat mit anderen Aspekten. Und wenn dann alle Aspekte, die zur Verfügung stehen, zusammengetragen werden, dann gibt es für das Ergebnis die beste Situation. Man spricht ja gerne von Schwarmintelligenz, das ist so ein bisschen das Ziel.

Wie wurden Sie von den anderen Kinzigtal-Gemeinden angenommen?

Da bin ich sehr gut aufgenommen worden, ich fühle mich sehr wohl und freue mich auf jedes Treffen. Wenn ich aber in die Zukunft schaue, was es da in der nächsten Zeit für Umbrüche geben wird, ist das natürlich ein Wermutstropfen. Wenn ein Heinz Winkler, ein Manfred Wöhrle, ein Karl Burger oder ein Frank Edelmann aufhören – das sind alles Schätze, kann man sagen. Sie sind wie wandelnde Lexika, nicht nur mit großen Fachwissen, sondern auch mit Wissen über die zeitlichen Entwicklungen. Das bricht jetzt nach und nach weg. Das ist bedauerlich.

Was würden Sie ihrem Vorwahl-Ich sagen, wenn Sie mit ihm sprechen könnten?

Man hat ja gewisse Erwartungen an so ein Amt. Unter anderem, dass es vielseitig und spannend ist. Aber ob es wirklich so ist, das weiß man erst, wenn man drin ist. Zu meinem Vorwahl-Ich würde ich sagen: "Freu dich drauf, es ist genauso spannend und vielseitig wie du erwartest." Das könnte man vielleicht auch zu den Menschen sagen, die sich nicht trauen, sich für einen Bürgermeisterposten zu bewerben.

Was erhoffen Sie sich für die kommenden 100 Tage?

Wir sind momentan daran, den Haushaltsplan zu erstellen. Da hoffe ich, dass es mir- nicht in den nächsten 100 Tagen – es muss weniger sein – gelingt, einen vernünftigen Haushaltsplan zusammen mit der Verwaltung zu erarbeiten. Es ist mein erster, meine Erstlingsgeburt. Das ist ein großer Brocken, der vor mir liegt.

Gibt es noch ein paar andere Punkte, vielleicht auch bezüglich der Entwicklung Ihres Amts?

In der Februarsitzung waren einige Punkte noch nicht behandlungsreif. Da sind wir ein ganzes Stück vorangekommen, gerade beim Mehrgenerationenhaus. Dann sind wir dabei, ein neues Baugebiet zu entwickeln, wo ich hoffe, dass wir vorankommen. Auch wenn es große Projekte sind, bei denen eine Entwicklung ansteht, hoffe ich, dass wir da mal einen Knopf drauf bringen.