Mitglieder der Herbolzheimer Trommelschule Afrikaba traten im Rahmenprogramm des Literarischen Bistros im Kulturkeller auf. Foto: Masson Foto: Lahrer Zeitung

Literarisches Bistro thematisiert Migration aus Afrika

Von Michael Masson

Das Literarische Bistro der Kleinen Bühne Ettenheim hat seinen zweiten Abend über Migration veranstaltet. Diesmal ging es um die Gründe, die Afrikaner zur Flucht treiben.

Ettenheim. Das Flüchtlingsthema sei weiter hoch aktuell, Sprachlosigkeit müsse dringend überwunden werden sagte Wilfried Holzmann. "Jede Stimme ist wichtig, die mit anderen spricht", betonte der Vorsitzende des Theaterensembles.

Bernd-Volker Harting las aus Merle Krögers Roman "Havarie" vor, der von einer Flucht mit dem Schlauchboot über das Mittelmeer handelt. Die Perspektive wechselt von den Flüchtlingen zum Steuermann eines Kreuzfahrtschiffs, der das überfüllte Boot in Not entdeckt. Ein Tourist ist bemüht, das Fotomotiv unverwackelt in seine Kamera zu bekommen, während sich auf dem Luxus-Oberdeck die Reichen weiter tummeln. Fiktiv? Jedenfalls glaubhaft in die Realität geholt.

Chris Cleave, englischer Autor des Weltbestsellers "Little Bee", wurde in Ettenheim von Milena Harney rezitiert. Da suchen an der nigerianischen Küste zwei Schwestern auf der Flucht vor Söldnern, die im Auftrag einer Ölfirma die Dorfbevölkerung abschlachten, Hilfe bei einem englischen Touristenpaar nahe des abgesperrten Hotelstrandes. Die Verfolger töten deren Bewacher und die ältere Schwester, schenken Little Bee jedoch das Leben, weil sich die mutige Engländerin einen Mittelfinger abschneidet.

Literatur mitten aus dem Leben findet besonders bei der Somalierin Waris Dirie statt, die ihr Schicksal autobiografisch verarbeitet hat – im Kulturkeller gelesen von Anette Köbele. Dirie sollte als Dreizehnjährige für den Preis von fünf Kamelen an einen Greis zwangsverheiratet werden. Quer durch die Wüste flüchtete sie vor ihrem Bräutigam und ihrem eigenen Vater. Erdacht? Nein, ganz real, das hat Waris Dirie genau so erlebt.

13-Jährige flieht vor ihrem Bräutigam

Nach ihrer Aufnahme in England wurde sie ein gefragtes Model, später hat sie sich im Auftrag als UNO-Sonderbotschafterin gegen die in Teilen Afrikas verbreitete Genitalverstümmelung von Frauen eingesetzt, ein Schicksal, das ihr selbst als junges Mädchen widerfahren ist.

Zwischen den Lesungen führte die "Afrikaba"-Gruppe von Raphael Kofi mit Trommelspiel, Gesang und Tanz in afrikanische Seelenlagen ein, bis zu unbändiger Lebensfreude. Der gebürtige Ghanaer ist vor 23 Jahren nach Deutschland gekommen, die fremde Sprache hatte er zuvor daheim erlernt. Seit zwölf Jahren ist Kofis Herbolzheimer Trommel- und Tanzschule nun schon etabliert, auch im Kulturkeller wurden deren Absolventen mit begeistertem Applaus bedacht.

Schließlich trug Eva-Maria Nonhoff Textauszüge von Hanna Jansen vor. Die ehemalige Lehrerin hat mit ihrem Mann, einem Kinderarzt, 13 Kinder adoptiert, eines davon ist Jeanne aus Ruanda. Das Mädchen erlebte nach einer unbeschwerten Kindheit 1994, wie aufgehetzte Hutus ihr Dorf in Ruanda überfielen, die Minderheit der Tutsi grausam abschlachteten, auch ihre eigene Familie. Auch das ein herzzerreißendes Schicksal, das die Zuhörer berührte.

Raphael Kofi setzte mit seinen auch singenden Trommlern einen optimistischen musikalischen Schlusspunkt nach so viel gehörtem Leid. Afrika kann anders sein, wenn es nicht von Warlords, korrupten Politikern und internationalen Konzernen beherrscht wird. So sah es auch Holzmann bei seinem Fazit: Afrika habe außer den Fluchtgründen von Bürgerkrieg über Völkermord bis zu Menschenrechtsunterdrückung viele weitere Gesichter. Drum gelte es, in Afrika selbst die Fluchtursachen zu bekämpfen.

Die dritte Lesung im Literarischen Bistro zum Thema Migration wird am 21. November ebenfalls im Kulturkeller über die Bühne gehen. Dann geht es um das "Ziel Europa".