Heiße Auseinandersetzung: Ein Kunde soll den Betreiber der Ettenheimer Agip-Tankstelle gestern mit brühwarmem Kaffee verletzt haben. Foto: Bender

Betreiber der Agip-Tankstelle im DYN A 5 werfen den Ettenheimer Beamten falsches Verhalten vor

Ein Kunde beleidigt das Tankstellenpersonal. Erst fallen böse Worte, dann wird Kaffee hinter die Theke geschüttet. Der Inhaber der Station wird verletzt, sein Partner ruft die Polizei. Doch die kommt nicht – und sagt danach, dass ihr Verhalten richtig war.

Ettenheim. Die Agip-Station im Gewerbegebiet DYN A 5 gestern Morgen. Philipp und Daniel Siefert haben Frühdienst. Ein Mann betritt kurz vor acht die Tankstelle. Was sich dann abspielt, schildern die beiden Betreiber so: Der Kunde bestellt Kaffee – die Maxi-Version. Philipp Siefert stellt ihm den randvollen 300-Milliliter-Becher auf die Glasvitrine. Er möge sich an der Selbstbedienungsinsel hinter ihm mit Milch und Zucker versorgen.

Eine Aussage, die dem Kunden offensichtlich nicht schmeckt. "Den Spruch hättest du dir sparen können", habe er zu hören bekommen, erinnert sich Siefert. Ein verdutztes Nachfragen quittiert der Kunde mit noch mehr Aggression: "Halt die Fresse, sonst schlage ich sie dir ein." Es kommt zu weiteren Beleidigungen. Bis der Mann ernst macht und Daniel Siefert den brühwarmen Kaffee entgegenschüttet. Mit der Drohung, hinter den Tresen zu kommen und "euch die Schnauze zu polieren", verlässt der Kunde den Laden. "Ich hatte Angst, dass der Mann an sein Auto läuft und mit einer Waffe zurückkommt", schildert Siefert seine Gemütslage.

Er tat, was wohl die meisten in seiner Situation getan hätten, und wählt die 110. "Man sagte mir, die zuständige Dienststelle würde sich umgehend melden." Tatsächlich ruft ein Beamte aus Ettenheim Minuten später zurück. Doch die Hilfe, die Siefert erwartet, bekommt er nicht. Der Polizist macht seinem Gegenüber klar, dass er keine Streife vorbeischicken werde. Die Sieferts sollten den Schaden dokumentieren und auf der Dienststelle vorbeikommen. Eine Aufforderung, die den Tankstellenbetreiber zur Weißglut treibt: "Was muss passieren, dass die Polizei ausrückt?"

Diese Frage stellt die "Lahrer Zeitung" dem Ettenheimer Polizeipostenleiter Joachim Ohnemus. Er kommt "nach eingehender Betrachtung des Falls" zu dem Fazit: "Der Kollege hat richtig gehandelt."

Grundsätzlich, erläutert Ohnemus, habe die Polizei zwei Aufgaben – die Gefahrenabwehr und die Strafverfolgung: "Es ist ein Unterschied, ob ein Anrufer gerade mit einem Messer bedroht wird oder ob jemand eine fünf Tage zurückliegende Sachbeschädigung anzeigen will." Dass die Grenzen fließend sein können, räumt Ohnemus ein: "Im vorliegenden Fall hätte man durchaus eine Streife losschicken können. Vieles sprach aber dafür, es nicht zu tun."

Eine konkrete Gefahr habe den Tankstelleninhabern spätestens dann nicht mehr gedroht, als der Täter die Station verlassen habe. Nach Schilderung Sieferts wechselte der Angreifer mit seinem Auto aber nur die Straßenseite, um die gegenüberliegende Tankstelle anzusteuern – und hätte jederzeit zurückkommen können. Ohnemus hält dagegen: "Beim Gespräch mit meinem Kollegen war der Täter laut Herrn Siefert auch schon von dort weggefahren. Somit endete auch die latente Bedrohung der Rückkehr."

Und die Strafverfolgung? Sich dem Täter sofort an die Fersen zu heften, sei nicht nötig gewesen, sagt Ohnemus: "Wir haben das Kennzeichen des Täters und nach der Halterabfrage auch Namen und Anschrift." Auch dass die Beamten nicht wie von Philipp Siefert gewünscht, rausgefahren sind, um den Schaden – verunreinigte Einrichtung, Zeitungen und Backwaren – in Augenschein zu nehmen, verteidigt der Dienststellenleiter: "Ich kenne die Videoanlage der Tankstelle, die liefert gestochen scharfe Fotos." Damit sei alles ausreichend dokumentiert.

Ohnemus macht auf ein grundsätzliches Problem aufmerksam: "Bei allen Delikten gibt es die subjektive, verständlicherweise emotionale Sichtweise der Opfer und die der Polizei. Wir haben das große Ganze im Blick." Die Ordnungshüter seien angehalten, ja sogar verpflichtet, ressourcenschonend zu agieren: "Es gibt bei manchen Leuten die Erwartungshaltung, die Polizei sei Mädchen für alles. Das können wir nicht leisten." Nichtsdestotrotz ist es dem Postenleiter eines wichtig zu betonen: "Ich lege großen Wert darauf, dass die Menschen das Gefühl haben, bei uns die Hilfe zu bekommen, die sie brauchen."

Für die Sieferts gilt das nicht. Sie haben die Sache ihrem Anwalt übergeben. Der soll nicht nur straf- und zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter prüfen, sondern auch das Verhalten der Polizei unter die Lupe nehmen. Philipp Siefert: "Möglicherweise legen wir eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein."