Verbesserungswürdig, aber nicht hoffnungslos: So lässt sich die Situation der Radfahrer in Ettenheim nach dem Rad-Klimatest 2016 beschreiben. Foto: Decoux-Kone

121 Ettenheimer vergeben die Gesamtnote 3,9 / Bürgermeister Metz verspricht Abhilfe

Hausaufgaben für die Kommunalpolitik: Ettenheim erhält beim Fahrradklima-Test 2016 nur die Note ausreichend (3,9). Der Deutsche Fahrradclub schlägt Alarm. Bürgermeister Bruno Metz relativiert, sieht aber "durchaus Verbesserungspotenzial".

Ettenheim. Die 121 Umfrage-Teilnehmer wählten Ettenheim sowohl landes- als auch bundesweit ins hintere Mittelfeld der fahrradfreundlichsten deutschen Städte unter 50 000 Einwohner. Unzufriedenheit äußerten die Radfahrer vor allem über Behinderungen durch parkende Autos und mangelnde Mitnahmemöglichkeiten des Zweirads in den Bussen. Gute Noten gab es dagegen für die zügige Erreichbarkeit des Stadtzentrums und das harmonische Miteinander mit den Fußgängern.

Der Kreisvorsitzende des ADFC, Georg Singrin, sagt: "Fahrradfreundlichkeit ist ein wichtiger Standortfaktor für moderne Städte. Deshalb macht es uns Sorgen, dass sich die Ettenheimer auf dem Rad nicht wohler fühlen." Bereits mit vergleichsweise kleineren Maßnahmen, beispielsweise Kontrollen des ruhenden Verkehrs, ließe sich die Situation deutlich verbessern. Kritik, die Rathauschef Metz so nicht stehen lassen will, wie er gestern gegenüber der "Lahrer Zeitung" deutlich machte: "Unser Gemeindevollzugsdienst ist oft unterwegs und macht gute Arbeit. Falschparken wird bei uns nicht toleriert." Dennoch sei es "utopisch, allen Autofahrern rücksichtsvolles Verhalten anzutrainieren".

Warum sperrt man sie dann nicht einfach aus? Singrin ist überzeugt: "Wenn Ettenheim will, dass mehr Menschen aufs Rad steigen und die Stadt von unnötigen Autofahrten entlasten, dann muss mehr getan werden. Ettenheim sollte es sich überlegen, die Altstadt komplett autofrei zu halten. Das wäre ein Riesengewinn für fast alle." Eine Idee, die nicht neu ist in der Rohanstadt. Bereits vor zwei Jahren wurde das Thema von einem eigens einberufenen Arbeitskreis Verkehr diskutiert – und wieder verworfen. Selbst die Forderung nach Schritttempo zwischen den drei Stadttoren stellte der Gemeinderat hintenan. Metz weiß warum: "Wenn man es nur aus Sicht der Radfahrer betrachtet, klingt das sehr gut. Aber wir müssen viele Interessen unter einen Hut bringen." Zum Beispiel die der Einzelhändler. "In unserer Altstadt gibt es zahlreiche Geschäfte, die Dinge des täglichen Bedarfs anbieten. Sie sind auf schnelle und gute Erreichbarkeit angewiesen." Nichts liege ihm ferner, als Bäcker, Metzger oder Friseure durch einseitig ausgerichtete Maßnahmen zu vergraulen, sagt Metz. "Wir werden die Dinge auch künftig immer ganzheitlich betrachten."

Dennoch: Das mäßige Zeugnis, ausgestellt von den Ettenheimer Radlern, wurmt das Stadtoberhaupt. "Wir nehmen das Ergebnis ernst und wollen schauen, dass wir beim nächsten Test ein paar Plätze nach vorne rutschen." Wie? Mit einem einheitlichen Radwegekonzept für das gesamte Stadtgebiet. Das hat der Gemeinderat mit viel Geld und Expertenhilfe auf den Weg gebracht und soll nun nach und nach Wirklichkeit werden. Auch ADFC-Mann Singrin sieht Hoffnungen für Ettenheim: Die Beschwerden, dass "in jüngster Zeit kaum etwas für den Radverkehr getan wurde" – auch und vor allem auf den Verbindungsstraßen zu den Stadtteilen –, könnten mit der "konsequenten Umsetzung" dieses Plans künftig verstummen.

Das nächste konkrete Vorhaben: Wird an der B 3 in Altdorf die Tankstelle gebaut, wird auch der Radweg dort ein Stück verlängert, verspricht Metz. "Zudem gibt es Pläne für einen weiteren Lückenschluss." Wo genau, bleibe derzeit noch intern, sagt der Rathauschef, der wenigstens eine Erkenntnis des Fahrradklima-Tests mit Wohlwollen vernommen haben dürfte: "Das oft kritisierte Pflaster ist kein Mangel im Sinne der Fahrradfreundlichkeit." Denn das ziere auch viele Straßen in der Siegerstadt Münster.

INFO

Das ist dre Fahrradklima-Test

Der Fahrradklima-Test ist laut Angaben des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) die größte Befragung zum Radfahrklima weltweit und wurde im Herbst 2016 zum siebten Mal veranstaltet. Er wird durch das Bundesverkehrsministerium aus Mitteln zur Umsetzung des Nationalen Radverkehrsplans 2020 mit rund 150 000 Euro gefördert. Mehr als 120 000 Menschen stimmten bundesweit ab – eine Steigerung von 15 Prozent gegenüber dem Test 2014. Die Zunahme führt der ADFC auf wachsendes Interesse am Thema Fahrrad und Radverkehr zurück.

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Stärken und Schwächen

Insgesamt gaben die 121 Umfrage-Teilnehmer ihrer Stadt in Sachen Fahrradfreundlichkeit die Note 3,9 (Durchschnitt: 3,7). Damit rangiert Ettenheim bei den Städten unter 50 000 Einwohner auf Platz 240 von 364 (Deutschland) beziehungsweise auf Platz 42 von 65 (Baden-Württemberg. Als besonders positiv oder negativ bewerteten die Befragten folgende Kriterien:

> Stärken: gute Erreichbarkeit des Stadtzentrums; Ziele sind zügig per Rad erreichbar; kaum Konflikte mit Fußgängern

> Schwächen: kein oder geringes Angebot öffentlicher Leihfahrräder; wenig attraktive Fahrradmitnahme in öffentlichen Verkehrsmitteln; wenig Werbung für das Radfahren