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Verwaltungsgericht hält Bau der Flüchtlingsheime im Marbach für fragwürdig, gibt Einwendung der Nachbarn aber dennoch nicht statt

Der Bau der Flüchtlingsheime im Marbach steht rechtlich auf wackligen Beinen. Das sagt das Verwaltungsgericht Freiburg. Gestoppt wird das Vorhaben aber dennoch nicht, weil den Anwohnern, die dagegen vorgehen, die Abwehrrechte fehlen.

Ettenheim. Der Widerstand aus dem Wohnquartier ist nach wie vor groß. Gegen die Baugenehmigung des Landratsamts sind – der Erfolgschancen wegen – aber nur die am ärgsten Betroffenen vorgegangen. Namentlich das Ehepaar Eulenfeld. Ihr Anwesen im Silcherweg wird, wenn die Gebäude einmal stehen, nur zwölf Meter vom nördlicheren Haus entfernt liegen. Nicht nah genug, sagt das Verwaltungsgericht Freiburg in seinem Beschluss, der gestern Thema eines Pressegesprächs mit den Projektgegnern war.

"Das Gericht ist der Auffassung, dass die Normen des Nachbarschutzes bei meinen Mandanten nicht greifen", erklärt Anwältin Lena Kühnbach. So heißt es in der Begründung, die unserer Redaktion vorliegt, es lasse sich "die von den Antragstellern geltend gemachten Lärmimmissionen wegen einer stärkeren Nutzungsintensität durch die künftigen Bewohner nicht feststellen". Eine Aussage, die für Franz-Josef Dörle nicht nachvollziehbar ist. Ihm gehört das Haus neben den Eulenfelds. Der Wortführer der Protestler sagt: "Durch die 100 Flüchtlinge, die in die 14 Wohnungen einziehen sollen, würde sich die Einwohnerzahl des Marbachs verdoppeln. Mir kann niemand verklickern, dass das noch im verträglichen Rahmen liegt." Lärm, Immissionen und Verkehr, meint auch die Anwältin, würden nicht nur den Wert der Anwesen mindern, sondern auch die Aufenthaltsqualität "dramatisch reduzieren". Ihr Hauptangriffspunkt: Die Flüchtlingsheime entstehen im grundsätzlich unbebaubaren Außenbereich.

Zwar gibt es im Baugesetzbuch den Ausnahmetatbestand des Paragrafen 246, den der Bundestag 2015 modifiziert hat, um die aktuelle Not bei der Flüchtlingsunterbringung zu mindern. Allein: Der greife im Marbach nicht, sagt Kühnbach – und wird vom Verwaltungsgericht bestätigt. "Angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse" hat die Kammer "erhebliche Zweifel daran, ob es sich bei dem Vorhabengrundstück um ein Außenbereichsgrundstück handelt, das innerhalb des Siedlungsbereichs liegt". Genau das fordert das Baugesetz jedoch, wenn Kommunen in den Genuss der Ausnahmeregelung kommen wollen. Gedeckt davon, erläutert Kühnbach, seien nur Vorhaben, die sich optisch in die bestehende Bebauung einfügten. "Die Stadt Ettenheim baut allerdings ganz klar abseits der Siedlung."

Dass diese Feststellung für die Anwohner vor Gericht wertlos sei, hat für die Juristen einen "ganz bitteren Beigeschmack". Der Staat sei sein eigener Richter, "wenn sich Kommune, Landratsamt und Regierungspräsidium einig sind". Kühnbach ist sich sicher, dass die Stadt die Heime in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden geplant habe. "Deshalb ignorieren sie auch, dass an dieser Stelle nicht gebaut werden darf."

Ettenheims Bürgermeister Bruno Metz bestätigte gestern auf "LZ"-Nachfrage die Kooperation mit Offenburg und Freiburg, betont aber: "Wir haben nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." Weil die zusätzlichen Bestimmungen des Paragrafen 246 sehr jung seien, gebe es dazu noch keine Rechtsprechung. "Wer weiß, wie der Verwaltungsgerichtshof den Fall beurteilen würde."

Genau das wollen die Projektgegner herausfinden und kommende Woche einen Antrag auf Eilrechtsschutz nach Mannheim schicken. "Wenn die höchste Instanz das Gleiche sagt wie die Freiburger Richter, wächst der Druck auf die Verantwortlichen vor Ort", hofft Dörle, der einmal mehr erklärt: "Wir haben nichts gegen Asylbewerber, aber zwei Häuser sind einfach zu viel." Würde zumindest die eine Baugrube wieder zugeschüttet, wäre den Marbach-Bewohnern schon sehr geholfen: "Mit 50 Menschen kämen wir klar." Metz versprach gestern jedenfalls, "die Sachlage nach dem Gerichtsurteil noch einmal eingehend zu überprüfen".

Verwirrung um Fünf-Meter-Streifen

Davon, das Projekt von sich aus zu stoppen, ist der Rathauschef aber weit entfernt. Selbst wenn Paragraf 246 nicht standhalte, bestünde immer noch die Möglichkeit, über klassische Bauleitplanung (Änderung des Flächennutzungsplans und Aufstellen eines Bebauungsplans), grundlegendes Baurecht zu schaffen. Denn: "Das Landratsamt stellt uns dieses Jahr 180 Menschen vor die Tür, ich weiß noch nicht, wie wir die unterbringen sollen."

Für Metz war es gestern der vorerst letzte Arbeitstag, er muss ins Krankenhaus. Das Thema Marbach wird ihn aber wohl auch nach seiner schon lange geplanten Operation weiter beschäftigen. Für zusätzlichen Wirbel sorgt nämlich die Posse um einen Fünf-Meter-Streifen Land südlich der geplanten Bebauung. Den Acker hat die Stadt bekanntlich gekauft, um den Schutzabstand zwischen Unterkunft und landwirtschaftlicher Fläche einzuhalten.

Bislang pochte der Landwirt, der den Streifen bis 2025 gepachtet hat, jedoch auf seinen Vertrag. Und daran habe sich nach wie vor nichts geändert, erklärte gestern der Bruder des Besitzers. Man habe jüngst sogar die Polizei rufen müssen, weil die Baufirma unbefugt auf dem Grundstück zugange gewesen sei. Der Bürgermeister, von der "LZ" mit der Aussage des Bruders konfrontiert, widerspricht: Es gebe mittlerweile eine Vereinbarung mit dem Landwirt. Auf die könne er wegen einer Verschwiegenheitsklausel zwar nicht näher eingehen. So viel verrät er aber doch: "Die Sache ist geklärt. Wir haben eine Einigung erzielt."