Im stilvollen Ambiente der Schlossbibliothek brachte Joachim Kehrhahn beschwingte und melancholische Lieder zu Gehör. Foto: dec

Joachim Kehrhahn singt und spielt französische und südamerikanische Lieder im Altdorfer Schloss

Altdorf. Die Einsamkeit, das Bedürfnis nach Nähe, die Suche nach Freiheit – die Freiheit des Einzelnen wie eines Volkes, eines Landes –, diese Themen haben sich wie ein roter Faden durch den Chanson-Abend mit Joachim Kehrhahn im Altdorfer Schloss gezogen.

"Diese Chansons haben eine Botschaft", kündigte der Sänger und Gitarrist gleich zu Beginn seines Vortrags den rund 60 Zuhörern im stilvollen Ambiente der Schlossbibliothek an. "Von der Seine bis zum Rio de la Plata" hatte der Vetter von Hausherr Eberhard Freiherr von Türckheim sein Musikprogramm überschrieben. Und erklärte seinem Auditorium sogleich warum. Die Liebe zu Frankreich entstand bei dem in der französischen Besatzungszone Geborenen in der Jugend, bei Schüleraustauschen und Jugendbegegnungen. "Die Chansons eines Gilles Servat, eines Jacques Brel, eines Georges Moustaki, die dürfen einfach nicht in Vergessenheit geraten", so sein Credo.

In seinen jeweils in das Chanson einführenden Worten nahm er den Zuhörer mit hinein in die Stimmung, in die Botschaft, an den Ort, besang in "La blanche hermine", dem Weißen Hermelin, das Wappentier der nach Freiheit sich sehnenden Bretagne, in "Kalondour" einen Menschen, der auf der Suche nach sich selbst ist. Mit Jacques Brel verließ er die Brandung der Bretagne, stürzte sich in "Le port d’Amsterdam" im kalten November auf der Suche nach Wärme in die Episode eines One-Night-Stands – gleichsam nach dem Motto von Georges Moustakis "Le temps de vivre": Komm, lass uns die Zeit genießen. Wer weiß, was der Morgen bringt.

Und dann immer wieder die Einsamkeit, die Georges Moustaki in "Ma solitude" ganz einfach zu seiner Geliebten macht. Man hörte den einen oder die andere in der dezent beleuchteten Schloss bibliothek mitsummen zu dem Gesang, dem unaufdringlich-gekonnten Gitarrenspiel, das in solchen Phasen pure Melancholie verbreitete, zum Nachdenken anregte. Alle seine Chansons sang er auswendig, par coeur, wie der Franzose sagt – und in der Tat war da in Kehrhahns ganz viel Herz, Botschaft aus dem Herzen heraus. Erst recht beim Schlusspunkt unter der ersten Programmhälfte: "Ne me quitte pas" – Bitte, bitte, verlass mich nicht – von Jacques Brel.

Nach der Pause nahm Kehrhahn sein Auditorium mit auf die 10 000-Kilometer-Reise an den Rio de la Plata in Südamerika. Reisen und berufliche Aufenthalte hätten ihm die Menschen, die Geschichte und die "musica latina" erschlossen. Diese war eine andere als die zuvor gehörte – aber die Themen waren die gleichen. So beschwingt bisweilen der Rhythmus, im bekannten Volkslied "La Llorona" beispielsweise, so bedrückend vielmals die Texte. Der nachdenkliche Sänger schlug von Leon Giecos "Solo le pido a Dios" den Bogen zu den Horrorbotschaften, die derzeit die Nachrichten bestimmen. "Um eines will ich Gott bitten: dass ich gegenüber derlei Schreckensmeldungen, gegen solches Leid niemals abstumpfe." Bei alledem stand an Kehrhahns Programmende dann aber das "Gracias a la Vida", der nicht zuletzt durch Joan Báez bekannte gewordene Dank an das Leben.

Den Dank seines Auditoriums konnte Joachim Kehrhahn dann in lang anhaltendem, herzlichem Beifall sofort entgegennehmen. Zugaben mit Moustakis "Ma liberté" und Leonard Cohens "Dance me to the end of love" – es schien, Joachim Kehrhahn könne getrost ein weiteres Mal ins Altdorfer Schloss kommen: Er dürfte auch dann sein Auditorium finden.